Friedrich Merz, CDU Bundesvorsitzender und CDU/CSU Fraktionsvorsitzender im Bundestag, sitzt im Cockpit eines Eurofighters der Bundeswehr. Bild: Michael Kappeler/dpa
Michael Kappeler/dpa
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Deutschland rüstet auf - Kaufen wir die richtigen Waffen?

Die Rüstungsindustrie war in Deutschland lange Zeit ähnlich verpönt wie etwa die Pornoindustrie. Und auch die Politik wusste: Mit Investitionen in das Militär lassen sich keine Wahlen gewinnen. Die Folge: Eine marode Bundeswehr und eine heimische Rüstungsindustrie, die sich die Kunden im Ausland gesucht hat.
 
Beitrag von Pune Djalilevand, Markus Pohl und Maria Wölfle

Nun, da Putins Russland droht und Trumps Amerika als verlässlicher Partner wegbricht, hat Deutschland ein gewaltiges Problem: In einem beispiellosen Ausmaß will die künftige Merz-Regierung Milliarden in Panzer, Kampfjets und Drohnen stecken. Doch wo sollen die so schnell herkommen? Und was brauchen wir konkret? Hinter den Kulissen hat längst ein Verteilungskampf begonnen. Jeder will was vom Kuchen abhaben. Kontraste hat sich die Bestellliste des designierten Koalitionspartners CSU mal genauer angeschaut. Auffällig dabei ist vor allem ein Detail: Es könnten besonders viele Waffen-Firmen in Bayern von den Rüstungsmilliarden profitieren.

Anmoderation: Die Kriegsgefahr in Europa steigt. Und die Zweifel wachsen, ob wir uns im Ernstfall wirklich auf die US-Amerikaner verlassen können. Vielleicht müssen wir also alleine klarkommen - und deshalb wird es teuer. Sehr teuer. Whatever it takes - sagte Friedrich Merz und wil Hunderte Milliarden Euro für die Bundeswehr locker machen. Doch dann kommt die nächste schwierige Aufgabe. Wohin mit dem ganzen Geld? Hinter den Kulissen tobt längst ein Verteilungskampf. Jeder möchte ein Stück vom Kuchen abhaben. Doch was braucht es tatsächlich? Panzer? U-Boote? Drohnen? Oder gar Kampfkakerlaken?

So wie in dieser Animation könnte er aussehen, der Krieg der Zukunft: eine Armee von Kakerlaken – ferngesteuert mit winzigen Controllern. Sie sollen als "lebende Sensoren" feindliche Stellungen auskundschaften. Eine Zukunftsvision, an der das Kasseler Start-up Swarm Biotactics derzeit arbeitet. Und mit dem der Chef des "Cyber Innovation Hubs" der Bundeswehr in den Sozialen Medien wirbt.

"swarm intelligence activated"

Diese Vorzeige-Einrichtung der Truppe sitzt in einer Berliner Fabrikhalle. Hier arbeitet man an digitalen Lösungen, um die Bundeswehr fit für die Zukunft zu machen. Leiter Sven Weizenegger sucht gezielt den Kontakt zu kreativen Gründern:

Sven Weizenegger, Leiter des Cyber Innovation Hub

"Wir treten an das Start-up heran und agieren als Bindeglied zwischen der militärischen und der zivilen Welt, denn es ist unsere Aufgabe, das zu steuern und dann das Projekt auch gemeinsam umzusetzen und dafür auch Sorge zu tragen, dass wir einen kleinen Prototypen zum Beispiel kaufen."

Eines der Projekte: Diese Abfangdrohne von TYTAN Technologies aus München. Gegründet hat das Start-up Balázs Nagy, gemeinsam mit einem Studienfreund. Mithilfe eines KI-gestützten Suchkopfs kann ihre Entwicklung andere Drohnen vom Himmel holen. Nagy sagt, die Geschäftsidee sei eine Folge der Erfahrungen aus dem Krieg in der Ukraine.

Balász Nagy, Gründer TYTAN Technologies GmbH

"Was wir sehen, das sind eher so die kleinen, kosteneffizienten, unbemannten Systeme, die eine große Bedeutung haben. Ein guter Vergleich: Eine Drohne für 1.000 Euro kann einen Panzer für 10 Millionen Euro auch zerstören."

Zwei Elektromotoren beschleunigen die Abfang-Drohne auf bis zu 300 Stundenkilometer, sie wird dadurch zu einem Geschoss.

Das Start-up stellt sie kostengünstig im 3D-Drucker her. Das erlaubt, die Drohne immer wieder kurzfristig zu verändern.

Balász Nagy, Gründer TYTAN Technologies GmbH

"Was wir auch in der Ukraine sehen gerade, dass diese Innovationszyklen sehr, sehr schnell sind. Das heißt, es kann passieren, dass man schneller was anpassen muss."

Nagy hat seine Drohne bereits Bundeswehr-Verantwortlichen vorgeführt, hier ein Promotion-Video eines der Tests. Jetzt hofft man auf lukrative Aufträge.

So wie den Münchnern geht es derzeit vielen Defence-Tech-Firmen. In der Branche herrscht Goldgräber-Stimmung, seit die Schuldenbremse für Militärausgaben aufgehoben wurde.

Rund 150 Milliarden Euro pro Jahr – so viel will die designierte Regierung künftig in die Verteidigung stecken.

Friedrich Merz (CDU), Parteivorsitzender

"Whatever it takes."

Das sei auch dringend notwendig, sagt der Militär-Experte Carlo Masala. Die Bundeswehr habe enormen Nachholbedarf, nicht nur bei Drohnen, auch bei schwerem Gerät und Waffen.

Prof. Carlo Masala, Politikwissenschaftler, Universität der Bundeswehr, München

"Das ist bei allem, was normalerweise die USA zur Verfügung stellen, also strategischer Lufttransport, satellitengestützte Aufklärungsfähigkeiten. Ich würde sagen auch Marschflugkörper, die weiterreichen als 2.000 Kilometer. Das ist die Luftverteidigung. Wir haben viel zu wenig Luftverteidigung in Deutschland."

Geld scheint nun genug da für die Aufrüstung der Bundeswehr – aber wohin jetzt mit den Milliarden? Wie sinnvoll investieren? Stolpersteine gibt es genug.

Aus dem ersten Sondervermögen flossen große Teile in die USA. Fast zehn Milliarden allein für Kampfflugzeuge vom Typ F-35A. Die Jets sind auf permanente Software-Updates aus den USA angewiesen. Was, wenn die unter einem Präsidenten Trump ausbleiben? Eigentlich möchte man unabhängiger von den USA werden.

In der Bundespressekonferenz treffen wir den Journalisten Thomas Wiegold. Der Experte für Verteidigungspolitik sagt: Gerade, weil es schnell gehen soll mit der neuen Kriegstüchtigkeit, könne man sich gar nicht ganz von den Amerikanern lösen.

Thomas Wiegold, Fachjournalist für Sicherheitspolitik

"Der Transporthubschrauber Chinook, der wird ja deswegen in den USA bestellt, weil es auf dem Europäischen Markt keinen Hubschrauber dieser Größe im Angebot gibt. Den haben europäische Firmen schlicht nicht entwickelt. Die einzige Alternative wäre in Russland, und da will man ja nicht einkaufen. Patriot als Flugabwehr-System ist ähnlich. Und so gibt es diverse Systeme, da kann man sich auf den Kopf stellen, man wird in den USA kaufen müssen."

Doch auch die Größen der deutschen Rüstungs-Industrie rechnen nun mit einem Geldregen. Rheinmetall etwa hat bereits ins Auge gefasst, das VW-Werk in Osnabrück für die Rüstungs-Produktion zu übernehmen.

Der Aktienkurs von Rheinmetall – seit dem Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 ohnehin im Höhenflug – ist seit der Wiederwahl Trumps und dessen Abkehr von Europa in ungeahnte Höhen geklettert.

Rafaela Kraus, Professorin an der Universität der Bundeswehr in München, warnt aber davor, die Milliarden jetzt nach altbekannten Mustern zu verteilen.

Prof. Rafaela Kraus, Wirtschaftswissenschaftlerin, Universität der Bundeswehr, München

"Also ich sehe definitiv die Gefahr, dass Dinge beschafft werden, die vielleicht für die Zukunftsfähigkeit der Verteidigung eventuell gar nicht so relevant sind, die aber von den Akteuren angeboten werden, die momentan eben auch eine große Marktmacht besitzen. Und wir müssen natürlich schauen, was wir für diese Verteidigung der Zukunft benötigen und müssen in dem Bereich natürlich auch investieren."

Zuständig: das Beschaffungsamt der Bundeswehr in Koblenz. Eine riesige Bürokratie mit fast 12.000 Mitarbeitern. Und bislang eher für sprichwörtliche Goldrand-Lösungen bekannt: große High-Tech-Projekte, die wegen vieler Sonderwünsche sehr lange dauern und sehr viel kosten.

Musterbeispiel: der Transporthubschrauber NH90. Mehr als zehn Jahre verspätet, extrem wartungsbedürftig und wesentlich teurer als geplant. Während ihn andere Armeen wegen seiner Unzuverlässigkeit ausmustern, hat die Bundeswehr wieder Neue bestellt.

Dabei macht Russlands Angriff in der Ukraine deutlich, welche Kriterien für die Beschaffung gelten sollten: schnell, zuverlässig – und viel.

Thomas Wiegold, Fachjournalist für Sicherheitspolitik

"Dass Masse auch eine Bedeutung hat, das führt der Krieg in der Ukraine, glaube ich, allen vor Augen. Selbst wenn russische Panzer nicht Hightech sind, sondern teilweise Jahrzehnte alt, aus den Depots geholt, da macht es dann die Masse."

Verteidigungsminister Pistorius hat die Spitze des Beschaffungsamtes ausgetauscht und Abläufe vereinfachen lassen. Aber reicht das für einen Kulturwandel?

Im niederbayerischen Passau treffen wir Stefan Thumann. Er ist Gründer von Donaustahl, einem Startup, das Kamikaze-Drohnen herstellt. In der Ukraine sind sie bereits im Einsatz.

Thumann steht auch in Kontakt mit dem Beschaffungsamt – und hat schlechte Erfahrungen gemacht.

Stefan Thumann, Gründer Donaustahl GmbH

"Was zum Beispiel ganz, ganz problematisch ist im Beschaffungswesen, ist tatsächlich ein gewisser Unwille, sich überhaupt mit jemandem zu beschäftigen, den man gar nicht kennt. Es gibt auch Aussagen, die auch mir persönlich gegenüber getätigt wurden. Die sagen, ja, ihre Technologie, wir brauchen die, aber es wäre uns ganz lieb, wenn das eigentlich Rheinmetall machen würde. Einfach die kennen sich und die wissen, wie die Prozesse ablaufen. Schön, da freut sich der Beamte. Das ist aber vorbei, das geht nicht mehr."

Das Beschaffungsamt erwidert auf unsere Nachfrage, man profitiere gerne von Start-Ups, auch mit Donaustahl laufe derzeit ein Forschungs-Vorhaben.

Thumanns Haupt-Argument für seine Drohne: dieses Steuerungs-Element. Es komme ganz ohne Bauteile aus den USA oder China aus.

Stefan Thumann, Gründer Donaustahl GmbH

"Flight-Controller und Drehzahlregler, beides sind Kernelemente, gab es bislang nicht aus deutscher Fertigung – jetzt schon."

Angebote, seine Firma ins Ausland zu verlagern oder zu verkaufen, hat Thumann ausgeschlagen. Er hofft weiter, mit der Bundeswehr ins Geschäft zu kommen.

Heute wurde bekannt, dass das Verteidigungsministerium zu Testzwecken zunächst Drohnen zweier Hersteller erwirbt, darunter soll diese Angriffsdrohne von Helsing sein.

Was und vor allem wo für die Truppe eingekauft wird, ist am Ende – natürlich – auch ein Politikum. Das viele Geld weckt Begehrlichkeiten.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann fordert für das Ländle bereits eine "tragende Rolle" in der Rüstungsproduktion.

Schleswig-Holsteins Regierungschef Günther drängt auf Aufträge für die Werften in seinem Land.

Besonders aktiv: die CSU um Ministerpräsident Söder. Die Partei würde wohl gerne den nächsten Verteidigungsminister stellen. Schon im Wahlkampf hat die CSU einen "Masterplan" für die Bundeswehr veröffentlicht.

Dringend benötigte Artillerie oder Fregatten kommen dort nicht vor, anderes umso detaillierter.

Raketen fürs Patriot-System etwa: Sie könnten künftig bei MBDA in Schrobenhausen produziert werden.

Iris-T: hergestellt von Diehl in Röthenbach.

1.000 neue Taurus: ebenfalls Schrobenhausen.

300 Kampf- und 500 Schützenpanzer: Mitproduzent von Leopard und Puma, KNDS in München – und auf die angekündigte "Weltraum-Offensive" dürfte sich Airbus in Manching freuen.

Wir treffen Wolfgang Fackler, den wehrpolitischen Sprecher der CSU im bayerischen Landtag. Nachfrage zum "Masterplan":

Kontraste

"Es ist so ein bisschen wie so ein bayerischer Einkaufszettel. Das, was da draufsteht, wo die CSU davon ausgeht, dass die Bundeswehr das braucht, kann fast alles in Bayern produziert werden."

Wolfgang Fackler (CSU), Wehrpolitischer Sprecher

"Ja, die wehrtechnische Industrie ist in Bayern zu Hause."

Kontraste

"Es geht ja nicht drum, wo die wehrtechnische Industrie zu Hause ist, sondern darum, was Deutschland braucht. Und wir brauchen auch Boote beispielsweise, und die stehen hier nirgends."

Wolfgang Fackler (CSU), Wehrpolitischer Sprecher

"Ja gut, Boote, Fregatten und ähnliche Dinge werden eher in Werften hergestellt, also im Norden."

Kontraste

"Aber wenn es darum geht, was die Bundeswehr zur Verteidigung Deutschlands braucht, dann sollte doch die CSU alles in so einen Masterplan reinschreiben, was notwendig ist, nicht nur das, was in Bayern produziert wird, oder?"

Wolfgang Fackler (CSU), Wehrpolitischer Sprecher

"Nein, natürlich. Also man muss immer den Blick weiten, das ist schon auch klar. Und das ist jetzt nicht ein rein bayerisches Papier oder die bayerische Brille, aber natürlich auch die bayerische Brille, das ist ja klar."

Klar ist vor allem eines: Viel Geld allein wird nicht reichen, um die Bundeswehr verteidigungsbereit zu machen.

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