Berlin im Sonnenaufgang am Morgen des 03. April 2025. Bild: Rainer Keuenhof
Rainer Keuenhof
Gamechanger für die Energiewende oder Fehlinvestition?

Gamechanger für die Energiewende oder Fehlinvestition?

Gamechanger für die Energiewende oder Fehlinvestition? Gamechanger für die Energiewende oder Fehlinvestition?9 Min
  • ardplayer-core@6.3.11#[Y]3550812
  • build (release) 2023-01-25T15:53:43.028Z
  • plugin-hls@bundled
  • plugin-html-audio@bundled
  • plugin-html-video@bundled
  • plugin-dash-video@bundled
  • addon-bottomsheet-dom@bundled
  • mediasession@bundled
  • pip@bundled
  • dynamic-buttons@bundled
  • [addon-360@1.1.7#[Y]885ddaa]
  • [addon-breaking-news@1.3.1#[Y]b5f2fb0]
  • [addon-modal-controls@1.1.6#[Y]f452ee1]
  • addon-sleep-timer@1.1.7#[Y]481b113
  • [addon-variant-selector@0.1.3#[Y]6be2336]
  • addon-playlist@1.1.5#[Y]191ea3c
  • [addon-sprungmarken@2.2.14#[Y]945575e]
  • [addon-empfehlungen@2.2.8#[Y]33b74de]
  • addon-subtitle@2.2.10#[Y]89353a2
  • [addon-airplay@2.2.5#[Y]923ebc6]
  • [addon-chromecast@2.2.7#[Y]27dd781]
  • [addon-download@2.2.1#[Y]2d10ab1]
  • addon-info@2.2.3#[Y]5cea471
  • [addon-preview-vtt@2.2.4#[Y]cf7ce92]
  • [addon-sharing@2.2.8#[Y]dbd6afb]
  • [addon-agf@2.2.5#[Y]3a93308]
  • [addon-agf-delegate@0.1.4#[Y]8148473]
  • [addon-test-rq@2.2.2#[Y]8bb4915]
  • [addon-ati-delegate@0.1.3#[Y]b9c70b3]
  • [addon-atipixel-smarttag@2.2.4#[Y]7d07e22]
  • addon-sand@1.6.7#[Y]6fa0535
Bild: Rainer Keuenhof

"Mission Kernfusion" - Gamechanger für die Energiewende oder Fehlinvestition?

"Der erste Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen" – verspricht die wohl künftige Merz-Regierung. Im Koalitionspapier könnte einem Reaktor eine bedeutende Rolle zugeschrieben werden, das zumindest lässt das Sondierungspapier erahnen. So kann die Fusionsforschung wohl auf eine massive Förderung der künftigen Bundesregierung hoffen.
 
Beitrag von Daniel Donath, Silvio Duwe und Chris Humbs

Mit der Kernfusion, so scheint es, glaubt so mancher in der Union endlich ein Energieprojekt der Zukunft gefunden zu haben, das weit genug weg ist von der Solar- und Windenergie des grünen Gegners. Doch auch wenn Kernfusion schon länger als Hoffnungsträger für die Energiewende gilt, bleibt die Frage: Ist es tatsächlich geeignet, bald eine kommerzielle Nutzung für uns alle zu ermöglichen? Der Bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume von der CSU zumindest verspricht eine baldige Marktreife in 10-20 Jahren. Das halten selbst optimistische Fusionsforscher für pures Wunschdenken. Frühestens in 40 bis 50 Jahren könnte die Kernfusion Einfluss auf die Energiebilanz haben, so Experten. Klar ist: Zur Erreichung der Klimaziele wird die Kernfusion erstmal nicht beitragen.

Anmoderation: Das Licht der Sonne braucht gut acht Minuten zur Erde. Deutlich länger - schon seit Jahrzehnten - versucht die Wissenschaft das nachzustellen, was auf der Sonnne ständig passiert. Die Kernfusion. Sollte das gelingen, würde ein Traum wahr werden. Eines Tages könnten Unmengen an Strom produziert werden - und das ganz klimafreundlich. Doch wie fast immer gibt es auch hier einen Haken: Ob und wann es dazu kommt, steht in den Sternen.
Die Union aber suggeriert etwas anderes zur großen Verwunderung von Physikern und setzt seit einiger Zeit voll auf das Thema Kernfusion.

Markus Söder (CSU), Ministerpräsident Bayern

"Wir setzen einen wuchtigen Impuls, damit aus Bayern heraus die Kernfusion in Deutschland zu neuem Schwung geht."

Friedrich Merz (CDU), Parteivorsitzender

"Eine wirklich hochinteressante Technologie, vielleicht sogar zur Lösung unseres Energieproblems."

Dorothee Bär

"Es gibt jetzt ja auch beispielsweise Kernfusion und ähnliches und wir dürfen uns neuen Technologien auf keinen Fall verschließen."

Kernfusion als Stromquelle. Und das schon bald. So zumindest suggerieren das seit einiger Zeit führende Unionspolitiker. Und auch im Sondierungspapier von Union und SPD bekommt das Thema außergewöhnlich viel Platz. Dort heißt es:

Der erste Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen.

So könnte der Fusionsforschung schon bald eine massive Förderung zufließen. Doch was ist dran am Traum vom ersten deutschen Fusionsreaktor? Und wann könnte der ans Netz gehen?

Derzeit wird in Deutschland an mehreren Standorten zur Kernfusion geforscht – etwa hier in Darmstadt. Professor Roth von der Technischen Universität erklärt uns, welches Potenzial in der Technologie steckt.

Prof. Markus Roth Laser- und Plasmaphysiker, Mitbegründer Focused Energy

"und aus so einem kleinen Kügelchen, was wir hier sehen, kommt ungefähr so viel Energie raus wie in einer vollgeladenen Elektroauto-Batterie, Sie so 400 Kilometer fahren können. Und das ist das Versprechen der Fusion: dass man mit einem Kilogramm Brennstoff am Tag ein Gigawatt-Kraftwerk komplett betreiben kann."

Die Kernfusion – für viele ist sie so etwas wie der heilige Gral der Energiepolitik. Im Gegensatz zur Kernspaltung werden hier Atomkerne verschmolzen, was gigantische Energiemengen freisetzen kann – genau wie auf der Sonne. Irgendwann soll die Kernfusion die Menschheit mit unerschöpflicher Energie versorgen – doch bislang ist die Technologie praktisch noch nicht realisierbar.

Für Friedrich Merz aber offenbar eine ernsthafte Alternative zu Wind und Sonne.

Friedrich Merz (CDU), Parteivorsitzender

"Das sind doch auch Perspektiven für die Energieversorgung unseres Landes – nicht einseitig auf Wind und Sonne, sondern zu sagen: alle Erzeugungsquellen, die es möglich macht, zu haben. Ich glaube sogar, dass wenn wir es richtig machen, eines Tages die Windkrafträder wieder abbauen können – weil sie hässlich sind und weil sie nicht in die Landschaft passen."

Harald Lesch sitzt in der Expertenkommission Kernfusion der Bayerischen Staatsregierung. Wir lesen dem Plasmaphysiker und Wissenschaftsjournalisten die Aussage von Merz vor.

Kontraste

"Ich glaube sogar, wenn wir es richtig machen, können wir eines Tages die Windräder wieder abbauen, weil sie hässlich sind und weil sie nicht in die Landschaft passen."

Harald Lesch Plasmaphysiker und Wissenschaftsjournalist

"Okay, kein Kommentar."

Besonders Bayern will die Fusionsforschung vorantreiben. Glaubt man dem bayerischen Wissenschaftsminister Markus Blume, so steht man bei der Kernfusion schon bald vor dem Durchbruch:

Markus Blume (CSU), Wissenschaftsminister

"Also in den nächsten 10 - 15 Jahren setzen wir auf diese Technologie."

Im Interview mit Kontraste heißt es dann:

Markus Blume (CSU), Wissenschaftsminister

"In einem Zeitraum von 15, von 20 Jahren ist das möglicherweise ein Energieträger, die den unstillbaren Energiehunger der Welt hilft zu lindern."

Eine gewagte These: Eigentlich könnte die Union das besser wissen. Erst kürzlich hat das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim deutschen Bundestag in einer Studie gezeigt wie viele Fragen beim Thema Fusionskraftwerk noch offen sind. Physiker Reinhard Grünwald hat die Studie verfasst und sagt, es brauche noch mindestens 20 Jahre, bis überhaupt nur ein Demonstrationsreaktor steht.

Reinhard Grünwald, Physiker, Büro Technikfolgen-Abschätzung Deutscher Bundestag

"Und dann müsste man ein erstes Kraftwerk bauen, was wirklich Strom erzeugt. Da würde ich mal von einem ähnlich großen Zeitraum ausgehen – auch noch mal etwa 20 Jahre. Also bevor Kernfusion wirklich einen Eindruck auf die Energiebilanz macht, da sind 40, 50 Jahre sicherlich nicht zu kurz gegriffen."

Kontraste

"Bayerns Wissenschaftsminister spricht von 10 bis 15 Jahren."

Reinhard Grünwald, Physiker, Büro Technikfolgen-Abschätzung Deutscher Bundestag

"Das soll er mal machen. Da sage ich nichts zu."

Die Bedenken der Experten wischt der bayerische Wissenschaftsminister beiseite und setzt auf das Prinzip: Einfach mal machen.

Markus Blume (CSU), Wissenschaftsminister

"Die Zeiten, wo man gesagt hat, es dauert noch 50 Jahre, die sind eigentlich vorbei (...) Ich kann nur dafür werben, dass wir bei einer solchen Schlüsselmission nicht typisch deutsch und das heißt typisch verzagt herangehen. Welche Risiken könnten da bestehen? Was ist da alles denkbar, was vielleicht nicht eintreten könnte? Mit der Mentalität werden wir bei all diesen neuen Entwicklungen nicht mehr dabei sein. Fakt ist: Es bricht jetzt gerade das Zeitalter der Wissenschaft an, Wir erleben eine Explosion von technischem Fortschritt."

Harald Lesch Plasmaphysiker und Wissenschaftsjournalist

"Es mag ja sein, dass es Hoffnung, Visionen und auch Träume gibt, aber die Wirklichkeit entscheidet darüber, was physikalisch möglich ist und nicht Parteiprogramme. Es gibt Erfolge, das ist überhaupt nicht zu diskutieren, und die sind auch gut. Und da ist auch einiges passiert. Aber insgesamt, muss man sagen, ist die Forschung noch sehr weit von etwas entfernt, wo man sagen könnte, das ist eine Technik, die können wir demnächst standardmäßig zumindest in den industrialisierten Ländern einstellen und nutzen."

In den USA, China und Europa wird seit Jahrzehnten an der Fusionstechnologie geforscht. In den 90er-Jahren begann die Planung für den so genannten ITER-Reaktor. Mit rund 20 Milliarden Euro ist ITER heute eins der teuersten Wissenschaftsprojekte der Welt – der erste Testlauf ist frühestens für 2035 geplant.

Reinhard Grünwald, Physiker, Büro Technikfolgen-Abschätzung Deutscher Bundestag

"Es ist ein Forschungsreaktor, und das ist kein Kraftwerk. Der soll nicht Strom erzeugen oder sowas, sondern er soll einfach demonstrieren, dass man wärmeerzeugendes Plasma kontrollieren kann."

Jüngst machte den Forschern ein Experiment in den USA Hoffnung. Im Jahr 2022 gelang es erstmals, bei einem Fusionsversuch innerhalb eines Brennstoffkügelchens mehr Energie freizusetzen, als zuvor mit einem Laserstrahl hineingesteckt wurde. Ein wissenschaftlicher Meilenstein – aber noch lange keine stabile Stromquelle.

Trotz technischen Fortschritts bleiben viele Fragen offen.

Reinhard Grünwald, Physiker, Büro Technikfolgen-Abschätzung Deutscher Bundestag

"Aus welchen Materialien baue ich eigentlich mein Kraftwerk? Ich habe sehr, sehr harte Bedingungen, die diese Materialien erfüllen müssen. Sehr große Wärmeflüsse – die Oberfläche der Sonne muss man sich da vorstellen, dann die sehr intensive Neutronenbestrahlung und thermische Wechselbelastungen, wo es im Moment eigentlich noch keine Idee gibt, welche Materialien überhaupt sich eignen könnten für einen Kraftwerksbetrieb von mehreren Jahren oder Jahrzehnten, die ja so ein Kraftwerk aushalten soll."

Woher kommt dann die Fusionsbegeisterung der Union? Die ZEIT-Journalistin Mariam Lau begleitet die Partei seit Jahren – und war mit Friedrich Merz in einer Fusionsforschungsanlage. Sie erinnert sich gut an seine Begeisterung. Für Lau ist das kein Zufall – sondern Teil einer politischen Strategie.

Mariam Lau, Journalistin, DIE ZEIT

"Die Union möchte Klimaschutz, aber sie möchte es eben ganz anders machen als die Grünen. Die Hauptmessage der Union ist: Unseretwegen braucht ihr auf nichts zu verzichten. Ihr könnt weiter euren Verbrenner fahren, ihr könnt weiter eure Wurst essen, ihr könnt weiter heizen, wie ihr es gewohnt seid. Und so weiter. Mit uns kriegt ihr diesen Ärger nicht. Wir lösen das mit der berühmten Technologieoffenheit, und da kommt eben der Fusionsreaktor ins Spiel."

Heinrich Strößenreuther kennt die CDU von innen. Er war Mitbegründer der Klimaunion – heute ist er bei den Grünen. Die Fusions-Euphorie der Union ist für ihn vor allem eins: Ideologie.

Heinrich Strößenreuther, Umweltaktivist

"Den CDU-Mitgliedern und Funktionären kann man viel erklären und am Schluss macht es so Peng und dann sind sie wieder in der CDU-Werkseinstellung, als ob irgendwie 20, 30 Jahre kein Wissenszuwachs da war, dass sich die Welt nicht verändert hat. Und vor allem der Abstand zu erneuerbaren jeglicher Art ist einer, der eigentlich heute der Zeit nicht mehr angemessen ist."

Sollte die künftige Regierung die Förderung der Fusionsforschung hochfahren, könnten bald Millionen in Startups wie das von Professor Roth in Hessen fließen. Anders als in Bayern, wo mit Magnetfeldern geforscht wird, setzt sein Unternehmen auf Laser. Die hessische Landesregierung möchte die Kernfusion in diesem Jahr mit bis zu 20 Millionen Euro fördern. Für Klimaschutz aber gibt sie 127 Millionen Euro weniger aus – als es die Vorgängerregierung ursprünglich geplant hatte, monieren die Grünen im hessischen Landtag.

Martina Feldmayer, Bündnis 90 / Die Grünen, Sprecherin für Klimaschutz

"Wir sagen auch nicht, dass die Kernfusion, die Forschung an der Kernfusion, falsch ist – das ist völlig in Ordnung, dass es passiert. Was aber falsch ist, ist wenn Kernfusion auf der einen Seite ausgespielt wird gegen den Ausbau der Erneuerbaren Energien – so wie das hier in Hessen aktuell passiert. Und das wird massiv zu Problemen führen, wir werden die Klimaziele dann in Hessen nicht erreichen können."

Ob das auch auf Bundesebene droht, ist noch unklar. Es wird wohl entscheidend davon abhängen, welchen Stellenwert die Kernfusion im Koalitionsvertrag bekommen wird. Und: Aus welchen Töpfen der mögliche Geldsegen für die Fusionsforschung kommen soll.

weitere Themen der Sendung

Friedrich Merz, CDU Bundesvorsitzender und CDU/CSU Fraktionsvorsitzender im Bundestag, sitzt im Cockpit eines Eurofighters der Bundeswehr. Bild: Michael Kappeler/dpa
Michael Kappeler/dpa

Deutschland rüstet auf - Kaufen wir die richtigen Waffen?

Die Rüstungsindustrie war in Deutschland lange Zeit ähnlich verpönt wie etwa die Pornoindustrie. Und auch die Politik wusste: Mit Investitionen in das Militär lassen sich keine Wahlen gewinnen. Die Folge: Eine marode Bundeswehr und eine heimische Rüstungsindustrie, die sich die Kunden im Ausland gesucht hat.

Beitrag von Pune Djalilevand, Markus Pohl und Maria Wölfle

US-Präsident Donald Trump mit einem unterzeichneten Dekret. Bild: Ben Curtis/AP
Ben Curtis/AP

Donald Trump gegen die Demokratie: Wer gewinnt?

Menschen zusammengepfercht hinter Gittern, eine Studentin in Handschellen auf offener Straße, entlassene Staatsanwälte: Was sich seit dem Amtsantritt von Donald Trump in den USA abspielt, ist weit schlimmer als viele befürchtet hatten. Stück für Stück legt Trump seine radikale Hand an die älteste Demokratie der Welt. Und spielt nun offen mit dem Gedanken einer dritten Amtszeit – das wäre ein Verstoß gegen die Verfassung.

Beitrag von Anne Grandjean und Daniel Schmidthäussler