Nachwuchspolitiker -
Er ist Fan von Markus Söder, sie macht Wahlkampf für Olaf Scholz. Er ist bei der Jungen Union, sie bei den Jusos. Georg von Kotzebue und Tijen Durmus könnten unterschiedlicher nicht sein, doch sie eint: Beide sind erst 18 und schon Mitglied in einer Partei. Und beide hat die Corona-Pandemie politisiert.
Beitrag von Pune Djalilevand und Daniel Schmidthäussler
Anmoderation: Jetzt geht es im wahrsten Sinne um Kontraste: Sie kommt aus Dortmund -Innenstadt West, er aus München-Bogenhausen. Sie ist die ERSTE aus der Familie die studiert – er Sproß einer Akademiker Familie, sie wirbt in diesem Wahlkampf für die SPD – ist aber unzufrieden mit Scholz. Er für die CSU - ist ein Fan von Markus Söder. Beide sind 18 Jahre alt. Ohne den Einsatz von jungen Menschen wie Tijen Dormus und Georg von Kotzebue würden Parteien, unsere Demokratie und am Ende unser Land nicht funktionieren. Doch was treibt sie an?
Georg von Kotzebue
"Ich glaube, Friedrich Merz ist der Typ Vater, der dich nach der Dorfparty im Sauerland nachts um 3:00 Uhr abholt, dich nach Hause bringt, weil er nämlich verdammt verantwortungsbewusst ist. Am nächsten Morgen um sieben ruft er dich dann aber an und sagt Du sollst aufstehen und was machen. Und ich glaube, genau das brauchen wir. Wir brauchen Verantwortungsbewusstsein, Autorität und Disziplin im Kanzleramt."
Georg von Kotzebue macht Wahlkampf für die Union.
Georg von Kotzebue
"Ich weiß nicht. Ich bin nicht zufrieden."
Es soll sitzen, denn über Social Media erreicht er Zehntausende.
Instagram/@georgvonkoetzebue
Ich verspeise gleich genüsslich ein Kräuterbonbon.
Die Genderscheiße ist an bayrischen Schulen endlich beendet worden.
Ich habe gerade ein wahrhaftes Amuse-Gueule gegessen. Ein Döner!
Olaf Scholz ist komplett delulu.
Georg von Kotzebue
"Man muss Social Media nutzen, so dass man auch Reichweite bekommt. Es nützt nichts, wenn Sie das hoch intellektuell auf Instagram hochladen und niemand sieht es sich an, sondern man muss eben auch den Leuten aufs Maul schauen. Wie Martin Luther schon gesagt hat."
Eine weitere Leidenschaft: das Singen.
Das Mädchen sprach von Liebe, die Mutter gar von Eh'
Bei der Musiklehrerin macht der 18-Jährige Eindruck.
Jutta Huber-Bazelt
"Ein Traum-Schüler eigentlich, mit dem man diskutieren kann. Kein Langweiler also. Super."
Und er scheint genau zu wissen, was man als Politiker braucht.
Georg von Kotzebue
"Also man muss kompetent sein, man muss durchsetzungsfähig sein, man muss auch bereit sein, sich bei manchen Leuten unbeliebt zu machen. Ansonsten muss man natürlich versuchen, möglichst beliebt zu sein."
Georg von Kotzebue ist Politik-Student im ersten Semester an der LMU in München. Zur Politik kam er während der Corona-Zeit. Er will mitgestalten – und hat dafür Vorbilder:
Georg von Kotzebue
"Ich würde sagen Ludwig Erhard oder auch Konrad Adenauer. Auch Franz Josef Strauß natürlich. Margaret Thatcher finde ich interessant. Ich finde, da gibt es ganz viele tolle Leute."
Er nimmt uns mit auf die Weihnachtsfeier der Jungen Union im bürgerlichen München-Bogenhausen. Man trifft sich beim Italiener.
Georg von Kotzebue
"Wie Philipp Amthor ja sagt: Sachthemen und Schabernack ist das Motto der Jungen Union vor allem."
Von Kotzebue sitzt im Bundesvorstand der Schülerunion und ist Schatzmeister in seinem Kreisverband.
Dortmund-Innenstadt West. Hier macht Tijen Durmus Wahlkampf für ihre Partei – die SPD – auch wenn ihr das nicht immer leichtfällt.
Frau
"Nee, ganz bestimmt nicht."
Tijen Durmus
"Wegen Olaf Scholz? Ich kann das voll verstehen."
Tijen Durmus
"Also ich bin ganz ehrlich, ich als SPD-Mitglied find jetzt auch Olaf Scholz ist nicht der optimale Kanzlerkandidat."
Die 18-Jährige ist stellvertretende Juso-Vorsitzende in Dortmund. Wie viele Jusos ringt sie mit ihrer Partei.
Tijen Durmus
"Die SPD jetzt gerade setzt sich einfach nicht für das ein, was sie verspricht, und hat die sozialen Werte, die sie vertreten wollte, verlassen."
Und trotzdem macht sie Wahlkampf – aktuell mehrmals die Woche.
Veränderung brauche Geduld und Ausdauer – das habe sie in den zwei Jahren bei den Jusos gelernt.
Tijen Durmus
"Worin ich mich vielleicht noch verbessern muss, ist meine Geduld. Die ist nie so hoch. Ich habe auch Schwierigkeiten damit, mit anderen Meinungen umzugehen, weil ich manchmal denke, dass meine Meinung die einzig richtige ist oder halt diejenige meiner Partei. Aber das ist halt offensichtlich nicht der Fall."
"Hi Mama."
Wir begleiten Tijen Durmus nach Hause. Sie habe sich schon immer für Politik interessiert, sagt sie. Auch sie ist in eine Partei eingetreten, nachdem die Corona-Debatte in Politik und Gesellschaft tobte. Die Eltern sind stolz auf ihre Tochter.
Nicole Durmus
"Mut zur Wahrheit. Das ist etwas, was ich am Allermeisten an ihr feiere. Eigentlich ist sie meine kleine Rebellin. Aber eine ganz Große."
Durmus Großeltern kamen in den 70er Jahren als sogenannte Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland. Sie ist die Erste in ihrer Familie mit Abitur. Mittlerweile studiert sie Jura.
Tijen Durmus
"Und da ist da natürlich dieser innere Druck, dass ich diese Chance jetzt nutzen muss. Und nicht nur das, dass ich auch diese bestehenden Ungerechtigkeiten nicht nur auf persönlicher Ebene, sondern auf gesellschaftlicher Ebene überwinden möchte."
Zurück in Bayern. Ein Wahlkampfhöhepunkt: das Dreikönigstreffen der CSU. Die Vorbereitungen laufen. Georg von Kotzebue in seinem Element.
Georg von Kotzebue
"Ja, wie viele seid ihr? Ihr müsst dann wirklich jubeln. Bayernhymne aus voller Kehle mitsingen. Ja. Und dann. Ja, ich, ich sowieso."
Der junge Mann aus der Jungen Union – hier ist er zu Hause.
Auftritt des CSU-Ministerpräsidenten.
Als wäre der 58-Jährige Söder ein Pop-Star.
Georg von Kotzebue
"Markus Söder ist unser bärenstarker bayerischer Löwe. Das hat man mal wieder gemerkt. Ich finde diese Eloquenz natürlich beeindruckend und versuche ihr nachzueifern. Ganz gelingt das einem natürlich noch nicht."
Bayernhymne:
Und erhalte dir die Farben seines Himmels, weiß und blau!
Tijen Durmus macht sich in Dortmund auf zum Haustürwahlkampf.
Lange galt das Ruhrgebiet als rote Hochburg. Heute kämpft die SPD hier um jede Stimme.
Tijen Durmus
"Vielleicht wird die SPD wieder von ihrem leichten Rechtsruck und Abschiebe-Wahn auch wieder zurück zur Mitte rücken und auch mal wieder Politik für die kleinen Leute machen."
Frau
"Also seit ich auf dieser Erde bin, seh ich da nicht, dass armen Menschen. Also, 50 Prozent der Kinder leben in Armut in Dortmund. Hätte man ja mal. Also die SPD – ich seh da keine Zukunft."
Frau
"Tut mir fast schon Leid, dass man sich für die SPD einsetzt."
Tijen Durmus
"Also das würde ich mir jetzt nicht mutmaßen."
Mann
"So, da bin ich."
Tijen Durmus
"Ach, hallo. Wir sind von der SPD."
Auch das nächste Gespräch wird anders verlaufen als erwartet.
Mann
"Ich bin ja auch Genosse. Nächstes Jahr 40 Jahre."
Genossin
Genosse zu Genossinnen. Was soll die SPD nach der Wahl so richtig anpacken?
Mann
"Dass die Messerstecher aus unserem Land verschwinden. Dass die Gäste, die bei uns im Land sind, dass die, die sich nicht benehmen, kriminell werden, dass die einfach weggesperrt werden und wieder nach Hause geschickt werden."
Tijen Durmus
"Es besteht bei solchen Aussagen immer ne Gefahr, dass man alle Leute generalisiert. Aber es ist ja auch gescheiterte Integration oder? Man sollte ja auch die Fluchtursachen bekämpfen und nicht nur die Geflüchteten."
Mann
"Ja, aber die sollten sich benehmen, die bei uns sind. Haben die ersten Türken ja auch gekonnt vor 40 Jahren. Da hatten die ja auch keine Probleme mit."
Tijen Durmus
"Sie als Genosse kommen doch gerne mal zu ner Sitzung vorbei. Ich würde mich freuen."
Ein versöhnlicher Abschied – doch das Gespräch wirkt nach.
Tijen Durmus
"Ich glaube, dieser Genosse hat sich ein bisschen auf dem anderen Spektrum befunden als ich mich jetzt vielleicht befinde. Ja, in gewisser Art. Aber davon lebt die SPD."
Wenige Tage später, Tijen Durmus ist in München. Wir nutzen die Chance und bringen die beiden Nachwuchspolitiker zusammen.
Tijen Durmus
"Und du bist du großer Söder-Fan?"
Georg von Kotzebue
"Ja, schon."
Tijen Durmus
"Wirklich?"
Georg von Kotzebue
"Ja, absolut."
Wie verstehen sich zwei, die unterschiedlicher nicht sein könnten? Sie diskutieren. Eine knappe Stunde. Über Migration, Frauenrechte, Wirtschaft.
Tijen Durmus
"Ich weiß ja nicht, wie oft du zum Beispiel im Ruhrgebiet unterwegs bist, aber die Schulen dort sehen katastrophal aus. Und wenn es dann mal auch nur ein paar reiche Leute geben würde, die vielleicht ein Prozent mehr von ihrem hart erarbeiteten und vererbten Vermögen abgeben würden."
Georg von Kotzebue
"Ohne Investoren und ohne Unternehmer, die unter so einer Steuer – Die wollen wir ja gar nicht abschaffen. Aber ja, aber die gehen einfach."
Kontraste
"Was sagen sie zu einer Große Koalition aus SPD und Union?"
Tijen Durmus
"Also ich muss sagen, ich schließe eine Koalition mit der CDU/CSU aus. Nicht nur wegen diesem Gespräch. Gar nicht deswegen."
Georg von Kotzebue
"Ihr wollt ja Eure Mutterpartei vor Euch hertreiben. Da hoff ich auch, dass es Euch nicht gelingt. Dass es Euch so viel Spaß macht, ist bedauerlich. Es bringt uns nicht voran. Wir müssen zusammenhalten und nach vorne gehen. Und dafür steht die CDU."
Tijen Durmus
"Das hätte glatt aus einem Wahlkampfwerbespot von Friedrich Merz oder so sein können."
Am Ende sind sie dann doch pragmatisch, wie künftige Koalitionäre.
Tijen Durmus
"Wir wollen doch eigentlich das gleiche – auch wenn wir unterschiedliche Lösungswege dahin wollen. Also, hast du Instagram?"
Georg von Kotzebue
"Nee, ja, sehr, sehr, sehr gerne."
Was bleibt? Die Leidenschaft für Politik. Und vielleicht eine neue Debatte, beim nächsten Treffen – nach der Wahl.
Anschließend gehen beide noch was essen: einen – und hier werden sie sich schnell einig – Döner.