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Olga Rayeva ist eine der bekannten Komponistinnen der Neuen Musik. Geboren wurde sie 1971 in Moskau, dort hat sie auch studiert. Seit vielen Jahren lebt sie allerdings in Berlin. Ihr neues Werk "Am Meer" für Orchester und Akkordeon ist ihre Erinnerung an die ukrainische Stadt Mariupol, die es, wie sie sagt "nicht mehr gibt". Die Uraufführung findet beim diesjährigen Ultraschall Festival in Berlin statt, mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung des russischen Dirigenten Vladimir Jurowski. Das Akkordeon spielt Roman Yusipey aus Kiev. Ein Konzertabend, der von Politik und Zeitgeschichte geprägt ist.
Noch sitzt sie hier fast alleine. Olga Rayeva ist Komponistin – und heute ist sozusagen Geburtstag. Ihre Komposition "Am Meer" erlebt ihre Uraufführung, beim Festival "Ultraschall" für neue Musik.
Olga Rayeva, Komponistin
"Das ist ein Schafott für eine Komponistin. Ich werde jetzt - Guillotine."
Hören Sie die Uraufführung von "Am Meer" für Knopfakkordeon und Orchester von Olga Rayeva. Mit dem Rundfunksinfonieorchester Berlin. Solist ist Roman Yusipey, die Leitung hat Vladimir Jurowski.
Roman Yusipey, Akkordeonist
"Diese Seefahrt wird nicht lustig – aber ganz attraktiv."
Roman Yusipey, Akkordeonist
"Meer ist unbegrenzt. Schön. Chaotisch."
Zwei Tage zuvor finden noch Proben statt. Eine Uraufführung ist für alle Beteiligten eine Suche. Feinarbeit am Donnerblech.
"Schlegel…"
- "Ich find’s gar nicht so n Riesenunterschied…"
Vladimir Jurowski, Dirigent
"Wir müssen von ihr erstmal genau erfahren, was sie will, wie sie sich den Klang vorstellt."
Keine Angst vor Neuer Musik! Wind und Wellen kann jeder zuhause imitieren.
Christoph Grahl, Schlagzeuger
"Das ist handelsübliches Backpapier, zugeschnitten, das kann man sich dann formgerecht rausholen und sofort benutzen."
Olga Rayeva ist in Moskau geboren und lebt schon lange in Berlin. Sie hat sich in mehreren Kompositionen mit dem Meer beschäftigt. Erste Kindheitserinnerungen gehen zurück ins ukrainische Mariupol – in die Stadt am Asowschen Meer.
Olga Rayeva, Komponistin
"Auf diesem Foto bin ich zwei Jahre und drei Monate alt. Ich bin in Mariupol bei Oma und Opa, wir waren im Park. Alles war gut, ruhig und friedlich."
"Ich habe sehr gute Erinnerungen an Mariupol. Es war eine ruhige, provinzielle, nette Stadt. Dort war es immer sehr friedlich. Meine Großeltern mütterlicherseits lebten dort, ich fühlte mich dort wie im Paradies."
"Das Meer lebt einfach in mir. Diese Geräusche, diese Düfte des Meeres, das Gefühl, im Wasser zu sein und immer wieder ans Meer zurückzukommen."
Diese Komposition ist von frühen Erinnerungen inspiriert. Doch das Mariupol aus Olga Rayevas Kindheit ist heute zerstört. Die Stadt hat im Krieg traurige Berühmtheit erlangt und vom Meer gingen Bilder mit russischen Soldaten um die Welt.
Olga Rayeva, Komponistin
"Was mich persönlich angeht, was kann ich tun? Ich kann nur den Frieden um mich herum bewahren, mit meinen Freunden und den Musikern. Wir müssen ja irgendwie weiterleben, weiterarbeiten und versuchen, tolerant miteinander umzugehen und einander zu verstehen."
Hier in Berlin arbeiten sie zusammen - Vladimir Jurowski und Olga Rayeva stammen gebürtig aus Moskau, Roman Yusipey aus der Ukraine, aus Cherson.
Roman Yusipey, Akkordeonist
"Das, was in der Ukraine passiert, bringt Schmerzen. Und um von diesen Schmerzen nicht zu sterben, das hilft nur Musik."
Vladimir Jurowski, Dirigent
"Wir müssen einfach aufpassen, dass unsere reiche kulturelle Geschichte nicht in Schutt und Asche liegt, wenn das Ganze vorbei ist. Und dafür müssen wir jetzt etwas tun!"
Das Akkordeon ist – ein Luftinstrument. Damit arbeitet Olga Rayeva in ihrem Werk.
Die Geburt von "Am Meer" ist geglückt.
Olga Rayeva, Komponistin
"Ich bin sehr froh, dass Vladimir Jurowski gesagt hat, dass er das Stück nochmal spielen will. Nochmal mit RSB und auch mit einem Orchester in London. Also, ihm hat das Stück gefallen."
Autor: Steffen Prell