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Zwischen 1949 und 1990 kamen Hunderttausende Menschen aus Ländern wie Angola, Vietnam, Mosambik, Ghana, Syrien oder Tansania in die DDR. Sie hatten Arbeitsverträge oder studierten. Sie kamen zumeist aus den "sozialistischen Bruderländern", Länder, die der DDR ideologisch nahestanden oder mit denen die DDR Bündnisse eingegangen war. Das Haus der Kulturen der Welt widmet dieser wenig erzählten Migrationsgeschichte nun einen eigenen Schwerpunkt mit Ausstellungen und Performances und fragt auch, was aus dem Erbe dieser Migranten geworden ist und wie es bis heute nachwirkt.
Dito Tembe, Künstler
"Diese Bilder zeigen, wie das Leben war bevor wir Mosambik verlassen haben, die Zeit in Deutschland und danach, als wir nach Mosambik zurückgekommen sind."
Dito Tembe verarbeitet in seiner Kunst die Erfahrungen als Vertragsarbeiter. 1985 geht es für ihn von Mosambik in die DDR, um dort in der Lederindustrie zu arbeiten.
Dito Tembe, Künstler
"Ich war sehr glücklich damals, weil ich dachte, dass sich meine Sorgen damit zum Teil auflösen. In der Zeit damals gab es viele Probleme in Mosambik, besonders für junge Leute. Das war die Zeit der Revolutionen. Und ich erinnere mich, eigentlich gab es damals nur zwei Möglichkeiten: Nach Südafrika, ins Nachbarland zu gehen oder nach Deutschland."
Nicht nur für ihn ist der Job in der DDR mit großen Hoffnungen verbunden. Hunderttausende kommen, allein aus Mosambik mehr als 17.000. Für die DDR ein guter Deal: Sie unterstützt die Wirtschaft der Partnerländer, bildet Facharbeiter aus und bekommt im Gegenzug dringend gebrauchte Arbeitskräfte. Doch nicht alles läuft so wie versprochen. Ein Teil des Lohns – von Dito Tembe und den anderen Mosambikanern - wird einbehalten. Bis zu 60 Prozent. Bis heute gehen sie in Mosambik deswegen jede Woche auf die Straße und fordern Gerechtigkeit. Was sie damals nicht wissen: Mosambik hat Schulden bei der DDR. Um sie abzubezahlen, wird ein Teil ihrer Löhne einbehalten.
Dito Tembe, Künstler
"Als sie nach Mosambik zurückgekommen sind, war das frustrierend. Wir haben nicht das bekommen, was uns versprochen wurde: Dass wenn wir nach Mosambik zurückkehren, dass wir dann unser Geld bekommen, das wir uns in der DDR erarbeitet hatten. Das war ein Schock."
Er fordert, die Bundesregierung müsse endlich ihrer Verantwortung nachkommen und Entschädigungen zahlen.
Diese und andere Perspektiven auf das Leben der Vertragsarbeiter in der DDR zeigt die Ausstellung, "Echos der Bruderländer" im Berliner Haus der Kulturen der Welt, die gerade noch aufgebaut wird. Entstanden ist sie aus einem dreijährigen Forschungsprojekt. Sie arbeitet auf, was schief lief: Die Isolation in den beengten Wohnheimen, Rassismus, fehlende Integration. In der DDR und danach.
Auch von Minh Duc Pham wird eine Arbeit zu sehen sein. Seine Eltern kommen Anfang der 80er als Vertragsarbeiter aus Vietnam nach Sachsen. Nach dem Studium an der Universität der Künste arbeitet er heute als Künstler in Berlin.
Minh Duc Pham, Künstler
"Ich rolle gerade Ton aus, um da später meine Blüten zu machen, Orchideenblüten, die so auch in der Ausstellung zu sehen sein werden. In meiner Installation wird man ein Gespräch hören zwischen mir und meinem fiktiven älteren Bruder. Deswegen fiktiv, weil es ihn nicht hat geben dürfen. Es war eben den Vietnamesen nicht erlaubt – und auch anderen Vertragsarbeitenden war es nicht erlaubt Schwangerschaften auszutragen. Man hat ihnen die Wahl gegeben, entweder würden sie in ihr Ursprungsland zurückgehen oder sie müssten eben diesen Schwangerschaftsabbruch durchgehen."
Seine Eltern entscheiden sich für die Abtreibung. Lange wurde darüber in der Familie geschwiegen.
Minh Duc Pham, Künstler
"Die Thematik deswegen auch wichtig für mich, weil ich erfahren hatte, dass mein Name eben für jemand anderen bestimmt war, eben für dieses Kind, was nicht hier sein darf und kann. Und da stellen sich mir viele Fragen, von wegen auch: Wer bin ich? Bin ich dieses andere Kind?"
Seine Kunst ist für ihn auch eine Möglichkeit, dieses Trauma endlich aufzuarbeiten.
Minh Duc Pham, Künstler
"Ich find es wichtig, dass dieses Thema in der Ausstellung vertreten ist, weil es signalisiert, dass es genauso Teil der deutschen Geschichte ist und dass da eben viele Dinge auch noch nicht aufgearbeitet sind, wie sie sein sollten."
"Echos der Bruderländer" will Aufmerksamkeit schaffen für einen kaum beachteten Teil der Einwanderungsgeschichte in Deutschland. Nicht nur für diejenigen, die selbst aus den Bruderländern in die DDR kamen, sondern auch für die nachfolgende Generation, ist dieses Kapitel noch längst nicht abgeschlossen.
Autorin: Katharina Röben