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Drei Freunde, Hans Hoffmann, Alexander Pollok und Mathias Knoppe, haben sich in den achtziger Jahren über ihr Interesse an Fotografie gefunden. Begeistert bildeten sie ihre Welt damals ab. Die Bilder stellen sie nun als Kollektiv "Ost Cola" alle paar Jahre in liebevoll gestalteten Fotobänden zusammen. Veröffentlicht werden die Bücher im Rahmen mittlerweile legendärer Partys. Ein anderer, spannender Blick auf die 80er in der DDR.
"Held der Arbeit": Dass es in der DDR so einen Orden gab, zeigt, welche Rolle es damals im Leben gespielt hat, "werktätig" zu sein. Nach Dienstschluss ging man gemeinsam zum Betriebssport, gefeiert wurde mit der Brigade. Daran erinnert jetzt ein neues Fotobuch der Künstlergruppe Ost-Cola aus Brandenburg an der Havel - mit ungewöhnlichen Einblicken in den Arbeitsalltag der 70er und 80er Jahre.
Das größte Stahlwerk der DDR; Eine Halle steht noch in Brandenburg an der Havel und ist Industriemuseum. Früher war der Betrieb 12mal so groß.
Alexander Pollok und Hans Hoffmann haben für ein Buchprojekt Fotos gesammelt von damals, als hier jährlich zwei Millionen Tonnen Stahl produziert wurden.
Hans Hoffmann, Herausgeber Fotobuch "Ost Cola"
"10.000 Arbeiter haben hier gearbeitet. Und es war auch der nach außen sichtbarste Betrieb: 11 Schornsteine. Das hat alles sehr geprägt."
Alexander Pollok, Unternehmer
"Das ganze Leben in der Stadt hat sich eigentlich nach dem Stahlwerk auch gerichtet: Dit waren die Schichten, wo die ganzen Straßenbahnen gefahren sind, ooch um die Leute wieder nach Hause zu bringen. Die Kneipen: Wenn die alle von der Schicht nach Hause gekommen sind, sind die in die Kneipe."
Alexander Pollok ist heute Unternehmer, Hans Hoffmann Arzt. Drei Jahre Arbeit stecken in ihrem Fotobuch - und intensive Recherchen zum Stahlwerk mit seinen Siemens-Martin-Öfen.
Hans:
"Die werden abjekippt, dass die Schlacke abfließt und unten wurde uffjemacht, dass der Stahl rausfließt. Dit floss dann hier so und es gab 10.000 solche Leute: Schmelzer, Maurer…"
Alex:
"Dit sind bestimmt ooch ziemlich interessante Zeitzeugen jewesen, mit denen Du da jesprochen hast. Diese älteren Herren - die sind nochmal richtig offjegangen, wa?"
Hans:
"Jaaa!"
In der DDR war Arbeit eben mehr als das halbe Leben. Das zeigt dieses Buch über die wichtigsten Betriebe in Brandenburg an der Havel. Das Gemeinschaftsprojekt ist schon der dritte Band einer Reihe erfolgreicher Foto-Bücher über die 80er Jahre.
Hans Hoffmann, Herausgeber Fotobuch "Ost Cola"
"Dit wat einen so sehr jeprägt hat: das man eben arbeiten jegangen is. Dit is ditte, was heute wirklich anders is: dass die Menschen viele andere Sachen machen können. Aber dass zu Ost-Zeiten die Leute sehr mit ihrer Arbeit verbunden waren und dass dit so Identifikation war "Mein Vadder war schon Schmelzer am Ofen 10 und ick bin dann Maurer am Ofen 11 jewesen." Dit reicht aus, um zu sagen: Ick jehör dazu, dit war mein Leben."
In den 80ern brachte die Straßenbahn Hans Hoffmann zu seiner damaligen Arbeit: als Krankenpfleger in die Nervenklinik. Wie die Krankenhausstationen dort damals aussahen, hat er Mitte der 80er selbst mit der Kamera festgehalten.
Wiedersehen mit einer alten Kollegin: Krankenschwester Astrid Schwarz sieht heute zum ersten Mal das Fotobuch.
Alex:
"Wie viele Leute lagen in so nem Zimmer?"
Astrid Schwarz, Krankenschwester
"11. Die Nachtschwester, die hat dann die ganze Nacht in so nem Saal gesessen und hat die Patienten begleitet und beobachtet."
Hans Hoffmann, damals Krankenpfleger
"Bei uns war dann ooch eben ne enge Beziehung zu den Patienten. Wir haben viele Sachen jemacht - da wurde im Garten ne Kegelbahn gebaut."
Astrid, Schwarz, Krankenschwester
"Dann haben wir Ausflüge gemacht - nach Marzahn, wir sind nach Potsdam gefahren. Wir haben’s den Patienten und letztendlich auch uns schön gemacht."
Trotz maroder Sanitäranlagen und kollektiver Schlafsäle - vor 40 Jahren war trotzdem mehr Zeit für die Patienten.
Hans Hoffmann, damals Krankenpfleger
"Wenn man die Bilder nur so einfach zeigt, ohne dass was dabei steht, dann entsteht der Eindruck, es wäre alles grauenhaft gewesen - ganz schlimm, nur verrottet. Wenn man aber dazu die vielen Texte hat und die Geschichten und das Eingangswort, dann merkt man, dass das unsere Arbeit in der Zeit war und dass die auch wichtig war."
Das neue Fotobuch erscheint in einer Reihe, die hier viele kennen: Ost Cola. Ausstellungen und Partys finden unter diesem Namen statt - schon seit 11 Jahren. Angefangen hat alles mit Mathias Knoppe, der sich aus Hamburg zuschaltet.
Mathias Knoppe, Fotograf
"Ich bin ja 1998 nach Hamburg gezogen und habe dann irgendwann im Jahr 2010 auf dem Dachboden meinen alten Rollschrank gefunden. Und da waren die ganzen Negative drin. Die hab ich dann alle gescannt und damit ging’s eigentlich los. Es waren ja über 20.000 Negative, die ich gefunden habe auf dem Dachboden aus der Zeit zwischen 1985 und 1988."
Mathias Knoppe macht damals in der Stadt Brandenburg eine Lehre zum Fotografen. Sein Blick auf Jugend in der DDR: persönlich und unverstellt.
Ab 2012 postet er die Fotos auf seiner Facebook-Seite "Ost Cola". Schnell hat er dort tausende Fans. Auch Hans Hoffmann und Alexander Pollok steuern Bilder bei.
Alexander Pollok, Unternehmer
"Ich war ne janze Weile bei der Märkischen Volksstimme in Potsdam und hab da viele Fotos gemacht, die dann hier in dieses Projekt reingekommen sind. Und Hans hat ooch als Hobby-Fotograf."
Hans Hoffmann, Hobby-Fotograf
"Bin ich durch die Stadt gezogen und habe die ganzen Häuser und Ruinen fotografiert. Und dadurch sind wir uns nicht mal über den Weg gelaufen, obwohl ich bloß zwei Straßen weiter wohnte. Ich kannte ihn nur vom Sehen: war so ein kleiner Typ mit Brille und langen Haaren."
So sieht Knoppi damals aus: Selbstporträt mit Kamera. Alexander Pollok mit Kippe - Hans Hoffmann hinterm Bierglas. 2013 stellen die Drei ein Fotobuch zusammen, organisieren eine Ausstellung und eine erste "Ost Cola"-Party.
Mathias Knoppe, aufgewachsen in Brandenburg / Havel
"Da waren ja weit mehr als 1.000 Leute, fast 2.000 zur Eröffnung da. Die haben sich also alle wiedergefunden in diesen alten Fotos und dachten: Wo ist unsere Zeit geblieben? Die ist ja weg! Es gab ein Leben vor dem Jetzt."
Seitdem feiern die Jugendlichen von damals jedes Jahr eine "Ost Cola"-Party in Brandenburg an der Havel. Für die nächste kommt Mathias Knoppe zurück in die alte Heimat - und Hans Hoffmann stellt sein neues Fotobuch vor.
Autorin: Anne Kohlick