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In seinem neuen Buch "Ciao Amore, Ciao" portraitiert Eric Pfeil das Land, das er so liebt, in 100 italienischen Schlagern. Dabei lässt er nichts aus - von der Bar-Kultur bis zum politischen Rechtsruck, denn es gibt in Italien kein Thema gibt, das nicht auch in einem Song verhandelt wird.
Italien. Die Sonne scheint, das Essen schmeckt und auch so fühlen sich die Deutschen magisch angezogen. Doch wie ticken die Italiener? Um das Land zu verstehen, muss man nur den unwiderstehlichen Ohrwürmern des italienischen Schlagers lauschen.
Eric Pfeil, Musikjournalist
"Ich wollte dieses Land immer kapieren, weil man findet das ja erst mal sehr unschuldig schön, da stehen tolle Sachen in der Landschaft rum, das Wetter ist immer gut, so ein leichter Fantasialand-Vibe. Aber es sind ja auch sehr viele Abgründe überall. Und eines Tages ist mir klar geworden: Die Musik erzählt das alles."
Und deshalb analysiert der Musikjournalist Eric Pfeil die Untiefen Italiens anhand der Musik, von A wie Adriano Celentano bis Z wie Zucherro. Auch seine Liebe begann mit den Familienurlauben an die Adria.
Eric Pfeil, Musikjournalist
"Frühe 80er war eine großartige Zeit, um nach Italien zu fahren und wir sind dann immer kreidebleich ins Auto gestiegen, über den Brenner gefahren und oben wurde noch mal kurz vor der Grenze schlecht gegessen. Und dann pflegte mein Vater immer auf Höhe des Brenners oben die jeweils aktuelle Italo-Top-Twenty-Kassette einzulegen und deswegen ist das für mich so untrennbar verknüpft miteinander das Ganze."
100 Songs hat Eric Pfeil für sein Buch ausgewählt. Darin entdeckt er tiefe Wahrheiten zum Alltag, Wesen und der Seele der Italienerinnen und Italiener.
Eric Pfeil, Musikjournalist
"Die Musik erzählt, warum man zehn Mal am Tag in eine Bar rennen muss, warum das Essen so wichtig ist, warum das quasi religiös betrieben wird, die Musik erzählt, was mit der Politik los ist, wie man auf eine rechte Regierung auf einmal antwortet."
Wie zum Beispiel beim legendären Musikwettbewerb in San Remo, das seit 1951 alljährlich für Spektakel im Fernsehen sorgt. Was vorgeblich seicht daher kommt, ist auch unter der neuen postfaschistischen Regierung alles andere als unpolitisch.
Eric Pfeil, Musikjournalist
"Das ist eigentlich ein Lied der norditalienischen Erntehelfer, die da über ihre Arbeitsbedingungen geklagt haben. Und es ist in Italien aber wirklich bis zum heutigen Tag auch ein Lied, das gesungen wird, wenn man gegen Faschisten aller Arten protestieren will. Und das kann man im Moment ja weiß Gott wieder sehr gut."
Die antifaschistische Hymne "Bella Ciao" ist über alle Landesgrenzen hinaus bekannt. Zur Zeit wird das schöne und schöngeistige Italien regiert von der Fratelli D’Italia und der Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Für Eric Pfeil eine Spätfolge der Herrschaft Silvio Berlusconis.
Eric Pfeil, Musikjournalist
"Berlusconi hat das Land wirklich heruntergewirtschaftet, das sind jetzt die Auswirkungen davon. Politikverdrossenheit und Berlusconi, muss man immer dazu wissen, war ganz am Anfang seiner Karriere natürlich Sänger. Der hat auf Kreuzfahrtschiffen gesungen, einfach auch ein Mann, der dem schönen Gesang zugetan war."
Für Eric Pfeil ist Berlusconi ein Paganini des Populismus: Auch ihm hat er ein Lied in seinem Buch gewidmet: L’Appuntomento von Berlusconis Lieblingssängerin Ornella Vanoni.
Auch als Berlusconi stirbt, liegen Staatsschauspiel und Showgeschäft dicht beinander.
Eric Pfeil, Musikjournalist
"Adriano Celentano hat es sehr plakativ gesagt: Na ja, vielleicht hat er einfach im Guten wie im Schlechten uns Italiener in unserer Gesamtheit im Ausland dargestellt."
"Ciao Amore, Ciao" heißt Eric Pfeils zweites Italienbuch, benannt nach einem Song von Luigi Tenco. Die Geschichte dazu ist tragisch.
Eric Pfeil, Musikjournalist
"Luigi Tenco singt beim Festival Die San Remo 1967 kommt nicht in die Endausscheidung dieses Wettbewerbs und entleibt sich dann im Hotelzimmer, erschießt sich tatsächlich, und das hängt so ein bisschen wie ein großes Trauma über der italienischen Musik, erzählt aber natürlich auch, wie ernst man dort Musik und und Showgeschäft einfach nimmt."
Bei seiner Reise durch die italienische Popmusik ist Eric Pfeil auch auf einen Song über Berlin gestoßen. Milva ist eine der mächtigsten Stimmen Italiens. Sie besingt Anfang der Achtziger Jahre den Alexanderplatz in der geteilten Stadt.
Eric Pfeil, Musikjournalist
"Berliner nehmen da einigermaßen enttäuscht zur Kenntnis: da wird mal über Berlin gesungen. Es ist aber direkt wieder bitterkalt und wir sind in der Nähe der Mauer. Und es ist jetzt auch ein Deutschlandbild, in dem es wieder klirrt. Und man möchte eigentlich doch wieder lieber in Italien sein."
Eric Pfeil, Musikjournalist
"Man muss sich wirklich klar machen: Die Italienerinnen und Italiener sind eigentlich verantwortlich für die beste und die schlechteste Popmusik aller Zeiten. Beides."
Autor: Max Burk