Wichtiges Wirkstoffwissen - Medikamente richtig lagern
Medikamente sind unterschiedlich temperaturempfindlich. Einige müssen auch im Sommer ausdrücklich "kühl" gelagert werden, andere halten mehr Grad aus, kommen aber schlechter mit UV-Strahlung aus. Im schlimmsten Fall kann das intakt aussehende Medikament wirkungslos werden oder die Wirkung verändern. Wie man Medikamente davor zu Hause und auf Reisen am besten schützt, verraten wir hier.
Millionen von Menschen in Deutschland sind regelmäßig auf Medikamente angewiesen - darauf, dass sie wirken. Laut Arzneiverordnungsreport 2020 verbraucht im Schnitt jeder gesetzlich Versicherte in Deutschland über 600 Tagesdosen pro Jahr. Gerade bei älteren Menschen können da pro Tag schon einige Arzneimittel zusammen kommen.
Doch gerade im Sommer sind die wichtigen Wirkstoffe in Gefahr: Denn hohe Temperaturen, aber auch intensive UV-Strahlung können Pillen, Salben, Zäpfen & Co. zusetzen und sie schlimmstenfalls wirkungslos machen oder die Wirkung verändern.
Wenn es Medikamenten zu warm wird
Die Basics sind einfach, sagt Dr. Ursula Sellerberg, Apothekerin und Sprecherin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V.: "Grundsätzlich ist es so: Arzneimittel sollten bis 25 Grad gelagert werden. Das heißt: Wenn es heißer wird über längere Zeit, dann kann das Arzneimitteln gefährlich werden." Die meisten Medikamente kommen mit solchen normalen Raumtemperaturen klar - dazu zählen vor allem Tabletten und Dragees. Sie brauchen es trocken und schattig - da bietet sich das eigene Zuhause an. Klassischerweise sind das Schlafzimmer oder ein Medikamentenschränkchen im Flur gute Lagerplätze für Medikamente, da hier in der Regel auch keine große Luftfeuchtigkeit zu fürchten ist.
Viele Patienten sind aber darauf angewiesen ihre Medikamente bei sich zu tragen - auch wenn die Außentemperatur in Berlin und Brandenburg mal wieder weit über die 25 Grad hinausschießt. Je nachdem, wie lange Medikamente dann durch einen warmen Tag geschleppt werden, kann das schon zu ernsten Problemen führen. Konkret: Bei Hitze können Arzneimittel ihre Wirkung ganz verlieren oder verändern. Dadurch kann es dann auch zu stärkeren Nebenwirkungen oder veränderten Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kommen, wenn man die beschädigten Produkte trotzdem einnimmt.
Wer hält was aus?
Grundsätzlich sind zwar alle Arzneimittel in ihrer Widerstandskraft gegen z.B. hohe Temperaturen beschränkt - aber nicht alle gleichermaßen. Welche Lagerrungsregeln für ein bestimmtes Medikament gelten, verraten zuerst einmal die Angaben auf der Umverpackung - also dem Karton - und auch dem Beipackzettel. Ein Grund dafür diese nicht wegzuwerfen, auch wenn man "sein" Medikament schon lange und gut kennt.
Hart im nehmen: Tabletten & Kapseln
Als am wenigsten empfindlich gelten Tabletten, Dragees und Kapseln. Für kurze Zeit überstehen sie auch mal extreme Hitze, sagt Dr. Ursula Sellerberg: "Wenn man jetzt das Arzneimittel nimmt und in der Handtasche nach Hause trägt und draußen sind es 38 Grad, dann ist das ja nur für einen kurzen Zeitraum und dann wird das normalerweise von Kapseln und Tabletten gut vertragen - da passiert also nichts. Was anderes ist es, wenn man sie länger, z.B. über eine Woche - draußen liegen lässt und es wird richtig heiß. Das kann auch auf der Fensterbank sein oder im Auto, im Handschuhfach - dann kann es zu Veränderungen kommen. Das Problem ist: Das kann man von außen nicht sehen. Das kann übrigens auch der Apotheker von außen nicht sehen."
Etwa 30 Minuten hält eine Tablette oder Kapsel einer Umgebungstemperatur von 50 Grad stand, wie sie zum Beispiel im Handschuhfach eines Wagens entstehen kann. Danach kann die Wirkstoffkonzentration abnehmen.
In Sachen Feuchtigkeit - zum Beispiel bei einem Tag in der Badetasche am See - sind Tabletten eigentlich in ihren Blisterverpackungen gut geschützt. Das gilt aber nicht zwingend für Medikamentendosen und Dosierungshilfen, da diese nicht sicher luftdicht sind.
Und egal wie die wichtigen Pillen eingepackt werden: Sie sollten selbst im Blister (meist durchsichtig) nicht lange UV-Strahlung ausgesetzt sein, denn auch die kann Wirkstoffe zersetzen. Also am besten in der Tasche lassen, bis wirklich die Einnahme ansteht.
Keine Fans der Extreme: Salben, Cremes & Co.
Deutlich empfindlicher auf Temperaturen über 25 Grad reagieren Medikamente weicher und flüssiger Konsistenz wie Zäpfchen, Cremes, Salben oder Säfte. Ebenso davon betroffen sind solche Mittel, die weiche oder flüssige Anteile haben, wie z.B. Wirkstoffpflaster. Mit einer Verflüssigung des enthaltenen Gels beispielsweise kann sich die Dosierung ungünstig verändern - oft wird dann zu viel zu schnell von der Haut aufgenommen. Deshalb sind diese Pflaster nicht nur auf der Haut in Sonne oder Sauna keine gute Idee, sondern auch nicht in der Tasche, wenn man in Hitze unterwegs ist.
Zäpfchen können bei zu viel Wärme schmelzen, Cremes oder Salben sich "entmischen" - dabei trennen sich festere und flüssige Anteile und machen die Creme oder Salbe wirkungslos. Klarer Fall: Arzneiprodukte in so einem Zustand gehören in den Müll. Für einen Transportweg, der auch Mal durch die Wärme führt oder eine kurze Passage in der Sonne kann es helfen, wenn z.B. die Salbe oder Creme vorher im Kühlschrank gelagert war, denn die dickflüssigen Substanzen können dann die relativ kühle Temperatur durchaus eine Weile halten. Wichtig: Cremes, Salben oder auch Gels und Zäpfchen nicht in die Tiefkühltruhe packen! Denn auch zu viel Kälte kann Wirkstoffe zerstören.
Wichtige Sensibelchen: Sprays
Gerade Allergiker kennen das Problem: Wenn das Wetter am schönsten ist und das Frühjahr längst überstanden, kommt das dicke Ende mitunter im Spätsommer oder sogar Herbst. Zum Beispiel weil das die schönste Zeit des Jahres für die besonders allergene Ambrosiapflanze ist. Bereits zehn Ambrosia-Pollen pro Kubikmeter Luft können eine Allergie oder Asthma auslösen. Und genau dann braucht es schnell wirksame Sprays, um die gefährliche und beängstigende Luftnot abzuwenden. Das heißt aber auch: Gerade gasförmige Medikamente, wie Sprays, müssen ständig an Mann oder Frau sein - und werden auch mal durch die Hitze geschleppt.
Hier können Hitzeschäden dann anders aussehen, sagt Dr. Sellerberg: "Die sogenannten Dosieraerosole sind wie kleine Sprühflaschen, da ist Gas drin. Und wenn man Gas erwärmt, dann wird das Ganze ungenau. Im schlimmsten Fall könnte so eine Spraydose sogar explodieren. Da ist mir jetzt kein Fall einer Hitzeexplosion bekannt, aber man sollte besonders Sprays kühl lagern, damit vor allem die Dosiergenauigkeit stimmt."
Hier ist aktive Kühlung gefragt
Bei "Außeneinsätzen", z.B. am Strand kann für Sprays eine Kühlbox helfen. Während langer Auto- oder Zugfahrten profitiert das Spray - genau wie sein Nutzer - von einer Klimaanlage. Viele Autos haben auch eine spezielle Kühlfunktion im Handschuhfach - solange man das Spray später nicht darin vergisst, wenn sich das Auto wieder aufheizt, ist auch das eine gute Idee.
Wichtig: Hoch sensible Medikamente, wie Biologika und Arzneien auf Eiweißbasis (wie sie z.B. gegen Rheuma eingesetzt werden) oder auch Insulin sind auf Kühlung angewiesen - ihnen schadet also nicht nur ein warmer Sommer, sondern schon 20 Grad Raumtemperatur, denn in der Regel brauchen sie optimalerweise eine Umgebung mit ca. acht Grad. Auch hier können Kühlboxen auf Reisen extrem helfen - aber bitte nicht zu dicht an den Kühlakku packen, sonst droht den Wirkstoffen nämlich ebenfalls der Kältetod.