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Film von Nadya Luer und Cem Dalaman
Cengiz steht am Fenster und hört die Glocken der Kirche läuten, an der er wohnt. Sie stören ihn nicht, obwohl er ein zutiefst gläubiger Moslem ist. Auch den türkischen Präsidenten Erdogan findet er gut, wie seine Familie, seine Tante, sein Onkel. Beim Türkei-Referendum haben sie das erste Mal für ihn gestimmt - aus Protest. Im türkischen Fernsehen sahen sie wie holländische Beamte ihre Hunde auf die türkische Familienministerin hetzten. Das hat sie getroffen, zutiefst. Auch Mustafa K., ein Weddinger Unternehmer bestätigt das. Das Gefühl der Demütigung vieler begann eigentlich schon in der ersten Generation der Gastarbeiter - als sie auf „Herz und Nieren“ untersucht wurden, ob sie als Arbeiter in Deutschland überhaupt geeignet sind.
Die zweite und dritte Generation deutscher Türken in Berlin ist seither unterschiedliche Wege gegangen. Sehr viele sind heute integriert, wie die junge Soziologiestudentin Aylin, die in ihrer Freizeit boxt oder die Radiologin Ahi in der Charité, der die Tränen kommen als sie von den ersten Erfahrungen ihrer Eltern als Gastarbeiter erzählt. Trotzdem ist sie entsetzt über die aktuelle Entwicklung in der Türkei. Ihr Engagement für die Demokratie zeigte sie als Mit-Initiatorin der Bewegung „Pulse of Europe“. Andere haben ihr Nichtankommen hier mit der Flucht in die islamische Religion kompensiert. Dieser empfundene Riss durch die türkische Community ist auch beim Türkeireferendum sichtbar geworden.
Der Film zeigt, dass die Wege, die die Protagonisten gehen, oft über einen schmalen Grat führen: Zwischen dem Behaltenwollen des Türkischen und Annehmenmüssen des Deutschen, zwischen der eigenen islamischen Religion, die Zuflucht bietet und der christlich westlichen Kultur, die doch fremd bleibt, zwischen dem Bewahren familiärer Verbundenheit und der Ablehnung moderner Ungebundenheit und Individualität. So unterschiedlich die Wege, eins eint: die tiefe Verbundenheit mit der türkischen Heimat und Kultur und die gleichzeitige Unsicherheit in Deutschland neue Wurzeln zu schlagen.