Wir Ostdeutsche - Die Daten
Umfassende Datenrecherche zur Spezifik der Lebensverhältnisse in Ostdeutschland im Rahmen des Projekts "Wir Ostdeutsche – 30 Jahre im vereinten Land" von rbb und MDR: Die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen haben sich 30 Jahre nach der Wiedervereinigung verstetigt, die ostdeutsche Bevölkerung hat wenig Vertrauen in die Politik und wird auch in Zukunft immer ärmer und älter.
Das Datenrecherche "Wir Ostdeutsche" stellt die Spezifik der ostdeutschen Lebensverhältnisse in 14 thematischen Kapiteln heraus und präsentiert ein umfassendes Bild der Entwicklung des Ostens im Laufe der vergangenen 30 Jahre. Im Rahmen der breit angelegten Recherche wurden die maßgeblichen soziologischen Datensätze ausgewertet. Die Ergebnisse sind ab dem 14. September unter DasErste.de abrufbar. Das Dossier ist Teil des crossmedialen Projekts "Wir Ostdeutsche – 30 Jahre im vereinten Land" von rbb und MDR, in dessen Zentrum die gleichnamige 90-minütige TV-Doku steht (Mittwoch, 28. September, 20.15 Uhr im Ersten), flankiert von den Erfahrungsberichten meinungsstarker ostdeutscher Persönlichkeiten.
Die Bevölkerung der neuen Bundesländer unterscheidet sich in Punkto Demografie, Familienstrukturen, Arbeitsmarkt, Bildungslandschaft, Gesundheitswesen, Wirtschaftsleistungen und Einkommen teils eklatant. Die Menschen in Ostdeutschland haben ein anderes Konsum- und Freizeitverhalten, und unterscheiden sich in Einstellungen und Verhaltensweisen zu Politik und Gesellschaft von den Menschen in Westdeutschland.
Aus dem Dossier geht hervor, dass die Ostdeutschen mittlerweile fast zur Hälfte aus Rentnern bestehen. Der Anteil der über 65-Jährigen lag 1990 noch bei 23 Prozent, weniger als in Westdeutschland. Mittlerweile ist er auf 45 Prozent gewachsen, im Westen "nur" auf 35 Prozent. Ostdeutsche Frauen bekommen dennoch weiterhin früher Kinder und bleiben seltener kinderlos.
Es wird ersichtlich, dass die Lücke zwischen dem, was Ostdeutsche und Westdeutsche für den Konsum ausgeben, immer größer wird. Sie ist zwischen 1998 und 2018 von monatlich 433 Euro auf 473 Euro angewachsen. Ostdeutsche haben zudem kaum Vermögen. Zuletzt sind sie sogar wieder kleiner geworden, während sie im Westen weiter wachsen. Ostdeutsche sind auch eher Mieter als Wohnungsbesitzer. Sie sind nur zu einem Drittel Wohnungseigentümer, Westdeutsche zur Hälfte. Der Abstand zwischen Ost und West bleibt seit 20 Jahren etwa gleich. Dadurch wird in Ostdeutschland kaum etwas vererbt, was die Ungleichheit verfestigt. In den ostdeutschen Bundesländern wurden 2019 gerade mal 200 Millionen Euro Erbschaftssteuern eingenommen, in den westdeutschen 6,5 Milliarden.
Auch in Zukunft werden die Ostdeutschen wirtschaftlich weiter hinterherhinken. Der Abstand zum Westen wird größer werden. Das Wirtschaftswachstum in den neuen Ländern wird bis 2060 um weniger als 1 Prozent pro Jahr wachsen, in den alten Bundesländern werden es über 1 Prozent pro Jahr sein. Bis auf wenige Leuchttürme gehören die ostdeutschen Regionen zu denen mit den schlechtesten Zukunftsaussichten Deutschlands.
Ostdeutsche sind öfter krankgeschrieben. In den neuen Ländern gab es 2018 24 Arbeitsunfähigkeit-stage pro Kopf, während es 18 im Westen waren - in den zehn Jahren zuvor ist die Zahl um 10 Tage gestiegen, stärker als im Westen mit 6 Tagen. Wenn die Ostdeutschen zum Arzt gehen, treffen sie häufiger eine Ärztin, mehr als die Hälfte sind nämlich weiblich, im Westen ist es genau umgekehrt und mehr als die Hälfte sind männliche Ärzte.
Ostdeutsche fühlen sich zudem unsicherer als Westdeutsche, obwohl die Kriminalitätsrate seit den 1990er Jahren immer weiter gesunken ist.
Sie haben weniger Vertrauen in Parteien und Politiker, in die Demokratie und die Bundesregierung. Auch das Engagement in Parteien ist überdurchschnittlich gesunken. 1990 waren in Ostdeutschland noch 4 von 100 Beitrittsberechtigten in einer Partei. Seit 2017 ist es nur noch einer, immerhin mit stabiler Tendenz. Gerade die Grünen und die AfD gewinnen Mitglieder hinzu. In Westdeutschland ist im gleichen Zeitraum der Anteil an den Beitrittsberechtigten von 3,5 auf knapp 2 gesunken.
Ein weiteres Ergebnis ist, dass Ostdeutschland in Zukunft mit einem massiven Lehrermangel konfrontiert sein wird. In den neuen Bundesländern sind heute 60 Prozent von ihnen über 50 Jahre alt. Im Westen dagegen sind die Lehrkräfte unter 40 Jahren in der Regel in der Überzahl - die Altersstruktur ist dort insgesamt ausgeglichen.
Die Datenrecherche "Wir Ostdeutsche" wurde im Rahmen des gleichnamigen Projekts von rbb, MDR und NDR erstellt von Hoferichter & Jacobs Film- und Fernsehproduktion, Leipzig.