Prignitz - Putlitzer Zeitungen mit 33.000 Scans aufwendig digitalisiert

So 24.03.24 | 14:01 Uhr | Von Britta Streiter
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Einige Originale der "Putlitzer Nachrichten" sind noch erhalten. (Quelle: rbb/Britta Streiter)
Audio: Antenne Brandenburg | 25.03.2024 | O-Ton: Olaf Waaterstraat | Bild: rbb/Britta Streiter

In der kleinen Prignitz-Stadt Putlitz wurde von 1925 bis 1941 eine eigene Zeitung gedruckt. Ein engagierter Einwohner ließ nun mehr als 4.000 Ausgaben der "Putlitzer Nachrichten" digitalisieren. Von Britta Streiter

"Es ist eine kleine Sensation", sagt Olaf Waterstradt und ringt mit den Tränen. Der Autor hat zahlreiche Putlitzer in die Amtsverwaltung eingeladen, um ihnen vorzuführen, wofür er zweieinhalb Jahre gekämpft hat.

Olaf Waterstradt lebt seit mehr als 40 Jahren in Putlitz und hat bereits drei Bücher über die Stadt geschrieben. Bei der Recherche im Internet stieß er auf die Berliner Staatsbibliothek, die sämtliche Originale der "Putlitzer Nachrichten" im Bestand hat. Sofort nahm er Kontakt auf und bat darum, die Zeitungen digitalisieren zu lassen. "Ich kriegte die erste Absage, die zweite Absage, die dritte Absage", erinnert sich Waterstradt. Locker ließ er aber nicht. "Und letztes Jahr im Sommer kriegte ich Bescheid, sie würden das machen", erzählt der Heimatforscher.

Der Putlitzer Autor Olaf Waterstradt, der sich für die Digitalisierung der Zeitungen starkgemacht hat. (Quelle: rbb/Britta Streiter)
Der Putzlitzer Autor Olaf Waterstradt | Bild: rbb/Britta Streiter

Volle Finanzierung für das Projekt durch Landeszentrale für politische Bildung

Der Großauftrag musste aber auch finanziert werden. Nachdem Waterstradt bei großen Firmen vergeblich um Spenden gebeten hatte, stieß er schließlich auf die Brandenburger Landeszentrale für politische Bildung. "Bereits beim ersten Kontakt mit der Landeszentrale wurde mir gesagt, das sei so ein tolles Projekt, das müssen wir unbedingt unterstützen", sagt Waterstradt.

Letztendlich gab es für die 13.000 Euro teure Digitalisierung eine hundertprozentige Förderung. Ende Februar erhielt Waterstradt die langersehnte Festplatte mit den digitalen Zeitungen und fast 60 Hefter mit Kopien der "Putlitzer Nachrichten".

33.000 Scans der Putlitzer Zeitungen mit zehn Mitarbeitern in sieben Wochen

Auch bei der Berliner Staatsbibliothek hat Olaf Waterstradt mit seiner Hartnäckigkeit Eindruck hinterlassen. Für Ümit Sayan vom Digitalisierungszentrum der Bibliothek war das kein alltäglicher Auftrag. "Wir haben sieben Wochen dafür gebraucht mit zehn Kollegen. Das waren knapp 33.000 Scans, die wir sehr gerne gemacht haben", sagt Ümit Sayan dem rbb, "und es war auch interessant, weil es um die Ereignisse vor dem Krieg und während des Krieges ging".

Der letzte noch lebende Zeitungsausträger erinnert sich

Es gab in den "Putlitzer Nachrichten" durchaus spannende Berichte. So hat 1930 Hertha BSC in der kleinen Prignitzstadt gespielt, 1936 führte der olympische Fackellauf durch Putlitz und 1925 büxten aus einem Zirkus in der Stadt mehrere Affen aus. "Da hat ganz Putlitz Affen gejagt. Und bei einem Maurer sind die ins Haus rein und haben sämtliche Eier gefressen und alles, was nicht niet- und nagelfest war, auseinandermontiert", berichtet Waterstradt.

Glücklicherweise konnten alle Affen wieder eingefangen werden. Geburten, Hochzeiten und Sterbefälle waren genauso in den Zeitungen zu finden wie Berichte aus den Städten Perleberg, Pritzwalk, Wittenberge, Kyritz und Wittstock.

Olaf Waterstradt und der 97jährige Herbert Dannehl, der die „Putlitzer Nachrichten“ noch selbst ausgetragen hat. (Quelle: rbb/Britta Streiter)
Olaf Waterstradt (l.) und der 97-jährige Herbert Dannehl, der die "Putlitzer Nachrichten" damals ausgetragen hat. | Bild: rbb/Britta Streiter

Digitalisierung erfolgte gerade noch rechtzeitig vor Zerfall des Papiers

Einer, der noch genau weiß, was in den "Putlitzer Nachrichten" stand, ist der 97-jährige Herbert Dannehl. Als 12-Jähriger hat er nach der Schule Zeitungen ausgetragen, täglich 50 bis 60 Stück, erinnert er sich: "Es war etwas Besonderes, überhaupt diesen Posten als Zeitungsausträger zu bekommen. Das war mein erstes selbstverdientes Taschengeld, im Monat bekam ich 2,50 Mark." In einer Ausgabe der "Putlitzer Nachrichten" wurde sogar ein Bruder von Herbert Dannehl erwähnt. Als Zwerg bei einer Schulaufführung verkleidet, fing sein Bart Feuer, was damals für einige Aufregung und sogar für einen Zeitungsbericht sorgte.

Olaf Waterstradt hatte viel Glück, dass es überhaupt noch möglich war, den wertvollen Zeitungsbestand aus Putlitz zu digitalisieren. Der Leiter der Berliner Digitalisierungsstelle teilte ihm mit, dass das säurehaltige Papier inzwischen so brüchig geworden ist, dass die Zeitungen nun nie wieder angefasst werden. "Gut, dass wir sie im letzten Moment für die Nachwelt erhalten konnten, das ist unwiederbringlich!", zeigt sich der Autor Waterstradt erleichtert.

Olaf Waterstradt präsentiert einige Seiten der Putlitzer Zeitung. (Quelle: rbb/Britta Streiter)
Olaf Waterstradt präsentiert einige Seiten der Putlitzer Zeitung. | Bild: rbb/Britta Streiter

Nun hat Olaf Waterstradt genug Material, um ein viertes Buch über seine Heimatstadt zu schreiben. Aber nicht nur der 64-Jährige profitiert von dem historischen Schatz, den er von Berlin nach Putlitz geholt hat. Zahlreiche Museen haben bereits Interesse an dem Material bekundet. Waterstradt selbst würde sich vor allem junge Leser all der Artikel wünschen. "Die können aus der Geschichte lernen, und sie haben noch genug Lebenszeit, bis sie sich da durchgewühlt haben", sagt der 64-jährige Olaf Waterstradt.

Sendung: Antenne Brandenburg, 25.03.2024, 15:30 Uhr

Beitrag von Britta Streiter

10 Kommentare

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  1. 10.

    Wow, super Aktion und noch schöner, dass es am Ende auch geklappt hat. Hoffentlich ziehen noch mehr Orte/Archive mit und denken daran den Schatz der alten Zeitungen zu digitalisieren, bevor das Zeitliche ihn zerstört. So eine alte Zeitung zu lesen ist viel spannender als Schulgeschichtsbücher.

  2. 8.

    Ich finde das toll, hab auch noch ein paar alte regionale Zeitungen, allerdings älter so kurz vor und nach 1900. Beim Lesen stellte ich fest, dass die Probleme damals nicht viel anders waren als aktuell.

  3. 7.

    Ja, die Staatsbibliothek wird die Zeitung in ihr digitales Angebot aufnehmen, haben sie am Mittwoch erzählt. Das dauert noch bis nächstes Jahr, aber dann kann man die Zeitung kostenlos lesen. Bis dahin bekommt man die über 150 Gigabyte Daten vom Putlitzer Rathaus-Verein gegen Unterschrift und zum Selbstkostenpreis auf einem USB-Stick.

  4. 6.

    Yes, we scan!

  5. 5.

    Was die damals so in den kleinen Orten auf die Beine gestellt haben! Chapeau!

  6. 4.

    Ich gehöre zu denjenigen, die sich auch für die Zeit von 1933 -1945 und darüber hinaus interessieren, und es freut mich auch, das ein Stück Heimat-Geschichte erhalten bleibt, was angesichts einiger Politiker-Aussagen nicht selbstverständlich ist.

  7. 3.

    Klasse! Sollte im Geschichtsunterricht aufgegriffen werden.

  8. 2.

    Tolle Aktion und toller Artikel!

  9. 1.

    Toll. Schön für Historiker. Ist denn das Resultat auch öffentlich zugänglich? Das wird ja dann wieder diejenigen freuen, die sich immer bsonders für die Zeit von 1933-1945 interesssieren.

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