Kommentar zum Ausrüster-Wechsel beim DFB - Reizwäsche

Fr 22.03.24 | 18:24 Uhr
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Mario Götze jubelt über sein Siegtor im WM-Finale 2014 (imago images/Marc Atkins)
Video: Fritz | 22.03.2024 | Nachrichten | Bild: imago images/Marc Atkins

Von 2027 an wird die deutsche Fußball-Nationalmannschaft nicht mehr in Adidas-Trikots auflaufen. Eine Entscheidung, die enorme Kritik auslöste. Und die komplett richtig ist. Ein Kommentar von Ilja Behnisch

Wer hätte es gedacht, aber offenbar ist alles, was es braucht, damit sich Politiker der Ampelkoalition mal so richtig einig sind — ein Fußballtrikot. Natürlich nicht irgendeines, sondern das ruhmreichste Stück Stoff der Bundesrepublik, das Jersey der deutschen Fußball-Nationalmannschaft.

Das, so gab es der Deutsche Fußball Bund am Donnerstag bekannt, wird ab 2027 nicht mehr von der deutschen Firma Adidas bereit gestellt, sondern vom amerikanischen Unternehmen Nike. "Skandal", rief es alsbald aus allen Ecken. Und plötzlich sind sich nicht nur SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach ("Fehlentscheidung, wo Kommerz eine Tradition und ein Stück Heimat vernichtet.") und Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck ("Da hätte ich mir ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht.") einig. Nein, selbst Christdemokraten üben den Schulterschluss mit dem politischen Gegner.

So sagte etwa Hessens CDU-Ministerpräsident Boris Rhein: "Der Weltmeister trägt Adidas und nicht irgendeine amerikanische Fantasiemarke." Womit er natürlich Recht hat. Der amtierende Weltmeister Argentinien wird tatsächlich von der Firma mit den drei Streifen ausgestattet. Warum Nike, der mit Abstand größte Sportartikel-Hersteller der Welt, eine "Fantasiemarke" sein soll, könnte der ehemalige hessische Sport-Minister Rhein ja bei Gelegenheit noch nachliefern.

Womöglich findet er dazu Inspiration beim bayrischen Minister-Präsidenten Markus Söder. Söder, ein Franke wie Adidas, schrieb auf "X": "Die Nationalelf spielt in drei Streifen - das war so klar, wie dass der Ball rund ist und ein Spiel 90 Minuten dauert. Die Erfolgsgeschichte begann 1954 mit dem unvergessenen WM-Sieg, der unserem Land wieder Selbstbewusstsein gegeben hat."

Der DFB ist auf das Geld angewiesen

Ja, mei, möchte man dem Preisträger des "Sparlöwen" 2013 entgegnen, fast richtig. Adidas-Gründer Adi Dassler war zwar als eine Art Zeugwart beim "Wunder von Bern" dabei. Die Trikots jedoch wurden hergestellt von G. & A. Leuze aus Pfullingen bei Reutlingen. Ein Familienunternehmen, welches später in den Besitz von Erima überging. Womit sich der Kreis schließt, wenn Robert Habeck sagt: "Ich kann mir das deutsche Trikot ohne die drei Streifen kaum vorstellen." Was erstaunlich ist, denn während der WM 1978, dem ersten Turnier, das der 1969 geborene Habeck bewusst wahrgenommen haben dürfte, trugen die DFB-Kicker: Erima.

Nun kann man die Trauer darüber, dass die Fußball-Nationalmannschaft, das Aushängeschild des deutschen Sports schlechthin, fortan nicht mehr von einer deutschen Firma ausgestattet wird, womöglich noch nachfühlen. Auch wenn man dann fragen dürfte, warum sie für Nutella (Italien) wirbt und nicht etwa für Nudossi. Oder warum sie Pasta (!) isst und nicht etwa Kartoffeln. Ebenso wie man fragen könnte, wo der Aufschrei war, als die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft mit "Bauer" (Kanada) oder die deutsche Basketball-Nationalmannschaft (amtierender Weltmeister!!!) mit "Peak" (China) anbändelte. Allerdings gibt es gute Gründe, weshalb der DFB sich nun gegen Adidas entschieden hat. Der gewichtigste: Das liebe Geld.

Die kolportierten 100 Millionen Euro, die Nike zukünftig jährlich an den DFB zahlen wird, liegen nicht nur irgendwie ein bisschen über den rund 50 Millionen Euro, die Adidas bisher gezahlt hat. Zusätzlich soll Adidas nicht mehr bereit gewesen sein, überhaupt 50 Millionen Euro pro Jahr zu zahlen. Und auch Volkswagen will künftig statt bisher 40 Millionen pro Jahr nur noch 18 Millionen pro Jahr überweisen, wie das ZDF erfahren haben will. Weshalb sich der DFB in einer Stellungnahme auch dazu veranlasst sah, für Karl Lauterbach und Co. zu erklären, was mit dem Geld denn so geschieht.

Endlich ein transparentes Verfahren

"Der DFB hat ein Alleinstellungsmerkmal: Er ist ein Sport-Fachverband, der seine Mitgliedsverbände und die Basis im Amateurbereich finanziert und nicht von ihnen finanziert wird. Er steckt das Geld in den Fußball. Damit Fußball ein Volkssport bleibt", hieß es in einer Stellungnahme auf "X".

Für den mit über sieben Millionen Mitgliedern größten Sportverband der Welt sind die Mehr-Einnahmen durch den neuen Vertrag in finanziell schwierigen Zeiten ein willkommener Segen. Anhänger des deutschen Fußballs dürften sich über den Wechsel zu Nike also freuen, zumal, wie Philipp Köster, Gründer und Chefredakteur des Fußballmagazins 11Freunde auf "X" schrieb, "nach langen, langen Jahren endlich ein transparentes Bieterverfahren abgehalten wurde und keine Deals in abendlichen Herrenrunden eingetütet wurden."

Sportlich hingegen könnte der historische Schritt durchaus nach hinten losgehen. Man frage nach bei Hertha BSC. Seit 1999 wird die "Alte Dame" nun schon von Nike ausgestattet. So gut wie unter Adidas (1977/78, 1992-94, 1996-99) und Puma (1979-1991) war der Hauptstadtklub aus Charlottenburg seither nie wieder. Andererseits: immer gut, wenn es einen Schuldigen gibt. Darauf können sich bestimmt auch die Politiker der Ampel-Koalition einigen.

Sendung: Fritz, 22.03.2024, 18:15 Uhr

39 Kommentare

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  1. 39.

    Adidas hat den Test halt nicht bestanden. Der DFB hat angefragt, und Adidas hat halt gesagt: OK, machen wir halt Pink. Also, wenn mein Schneider mir in so einem Moment nicht sagen würde, sorry, aber das steht Ihnen nun wirklich gar nicht, dann würde ich den Schneider wechseln. Und das hat der DFB nun gemacht. Dass sowas im Big Business nur mit gewissen Fristen geht, müssen die Fans nun aushalten. Aber lieber so, als ein Schneider ohne Rückgrat. Ich erinnere nur an: Des Kaisers neue Kleider.

  2. 37.

    Meinen Sie das Armbindentragen in Moskau wo es leicht war, sehr leicht und das Nichttragen in sponsorengebenden Katar? Verlogener ging es doch nicht? Ist aber egal gewesen. Es hat keiner wahrgenommen, wurde kaum gespielt.

  3. 36.

    Was heißt politisch einzumischen?
    Sportler sind auch Menschen und dürfen natürlich auch auf mangelhafte Menschenrechte hinweisen, insbesondere wenn sie wie die DFB Auswahl weltweit mediale Aufmerksamkeit haben.
    Stellung zu seinen grundlegenden Werten beziehen nennt man das und ist eben das Gegenteil von dem was ein argentinischer Weltfussballer und Weltmeister gemacht hat.

  4. 35.

    Schwarz/weiß geht auf die Farben Preußens zurück, Grün ist die Hauptfarbe des DFB. Hat also alles durchaus seinen historischen Hintergrund.
    Es muss ja nicht immer die Farbe der Nationalflagge sein. So wie auch in den Niederlanden, wo Oranje (Orange) die Farbe des Königshauses ist.

  5. 34.

    Großartige Überschrift!!

  6. 33.

    .. wenn es das Runde wieder öfters ins Eckige bringt, bitte. Kein Wunder, daß das Zeug so teuer ist wenn man der DFB Gurkentruppe so viel Geld hinter her wirft. So haben die Funktionäre auch wieder mehr zum verschwenden und Steuern hinterziehen.

  7. 32.

    Wo man weiß findet, wollen Sie tatsächlich wissen? Vielleicht sehen Sie sich mal das DFB-Wappen an…

  8. 31.

    Wie so vieles Andere auch - leider.
    Btw... Juteschuhe, Lederbälle mit Schweinsblasen drin, Sportdress aus Schurwolle ... weiss nicht.

  9. 30.

    Und schon wieder „segeln Sie unter falscher Flagge“. Ob das die Redaktion noch lange mitmacht? Denn das „Ich finde...“ interessiert Niemanden. Höchstens Gründe können eine Diskussion dazu bereichern. Aber das ist nicht Ihr Ziel?

    P.S. Die Unart Nicknamen zu kapern ist Unsinn. Die Wortwahl ist es...Und das Deutsch auch.

  10. 29.

    ... was man sich selbst eingebrockt hat. Mit dem Auftritt am 25.03.2021 in Duisburg, hatte die Marketingabteilung des DFB beschlossen, sich politisch einzumischen. Seither stolpern sie dabei von einem Fettnapf in den nächsten und stiegern dabei unablässig den sportlichen Niedergang. Ich denke, den Fans ist es einigermaßen schnuppe, ob die Truppe demnächst für 200 Mio. € im Ballettröckchen antritt, solange auf dem Platz Leistung, Einsatz und Leidenschaft gezeigt wird.

  11. 27.

    Die ganzen T-Shirts werden in Asien produziert - bei beiden Firmen. Und die Abreitsbedinungen dort werden genauso kritisiert wie die Baumwollproduktion. Es braucht also niemand eine Entlassungswelle deutscher Näherinnen und Baumwollpflückerinnen fürchten.

    Genauso scheinheilig wäre es, sich um die jeweiligen Aktionbesitzer Sorgen zu machen. Der Besitz der adidas-Aktien wird wohl genauso auf der Welt verstreut sein, wie der der nike-Aktien.

  12. 26.

    .....oder eben auch nicht. Mich interessiert der Sport und nicht mit welchem Trikot die Spieler auflaufen. Würde es in einer anderen Sportart überhaupt auffallen, wenn ein Wechsel der Trikotfirma stattfindet? Es ist doch vollkommen logisch, dass es hier um das Geld geht. Das ist überall im Profisport so. Wer das nicht möchte, müsste den Profisport abschaffen. Die Nebensächlichleiten bekommen beim Fußball allerdings meiner Meinung nach viel zuviel Aufmerksamkeit. Dass sich jetzt sogar Politiker dazu äußern ist völlig übertrieben und unnötig. Einfach mal wieder eine Stufe runterkommen. Vielleicht würde das dem ganzen Fußballwirbel nicht schaden.

  13. 25.

    Als Wirtschaftsminister kritisiert er indirekt, dass wirtschaftlich Beste Angebot anzunehmen.
    Genau mein Humor:)

  14. 24.

    Alles wird politisch ausgelegt. Deswegen wenden sich so viel Fans vom DFB ab.,,In diesen Zeiten"

  15. 23.

    Da bietet jemand doppelt so viel und das bei den Leistungen dieser Rumpeltruppe! Na, da möchte ich mal die hier vertretenen Kommentatoren/innen sehen, wenn ihnen für ihren Plunder jemand das Doppelte bietet…! Sabberflecken auf der Oberbekleidung allerorten!
    Naja, und die Dasslers waren ja auch noch NSDAP-Mutglieder. Also, alles richtig gemacht mit Nike in diesen Zeiten!

  16. 22.

    man könnte sich ja auch mal als politiker zu so langweiligen sachen wie produktionsbedingungen, kinderarbeit, umweltschäden der textilindustrie, fast fashion, mietzahlungen während corona und so kram äußern. vielleicht hat man im bundestag auch noch nicht vernommen, daß adidas zwar seinen hauptsitz noch in Dtl. hat, inzwischen aber eine AG mit internationalen produktionsstandorten ist. das mit dem transparenten bieterverfahren liest sich bei tagesschau auch irgendwie anders. ich mag ja eigentlich das design von adidas, nur just die deutschen profispielertrikots sehen von jahr zu jahr alberner aus. also für voll nehmen kann ich deren träger darin nicht. keine ahnung, wie es bei der unterwäsche aussieht... hat adidas dessous auch für herren? wie gewagt!

  17. 21.

    Alle die, die jetzt meckern, scheinen Adidas mit Trigema zu verwechseln und hätten besser mal vorher geschaut, WEM Adidas gehört: Heuschrecken wie Black Rock! Nix Patriotismus! Wenn ihr DEUTSCHE Shirts wollt, läuft mit Trigema auf!

    Es gibt nix mehr, was Deutschland noch selber macht, außer verkaufen oder Pleite gehen. So auch Adidas vor über 20 Jahren.

    Das ist soooo lächerlich! Und ich verwette mein letztes Sporthemd, wäre das Shirt grün, weiß oder blau gewesen, hätte NIEMAND was gesagt!

    Den meisten geht's um das ROSA, traut sich nur keiner beim Namen zu nennen. Typisch Kerle eben.

  18. 20.

    Ein bekannter bayerischer, großgewachsener Politiker (und Robert) hat in seiner, wie üblich, gekonnt rhethorischen Art den DFB für den Wechsel des Ausrüsters kritisiert.
    Da besagter Politiker (und Robert) wahrscheinlich jetzt nicht mit dem Thema Aktien so in der Tiefe drin ist, erlaube ich mir mal, ihn (und Robert) ein wenig zu "unterstützen." :-)
    Die Aktionärsstruktur von Adidas zum Stand Januar 2023 (Quelle: Geschäftsbericht von Adidas).
    Da sehe ich jetzt aber nicht viel "Deutsch" in der Eigentümerstruktur. Nur 9% der Eigentümer von Adidas kommen aus Deutschland.
    Man mag fast sagen, Adidas gehört eher den Amerikanern und Briten.
    62% des Umsatzes generiert Adidas außerhalb Europas. Also wird auch der Steuerverlust nicht sonderlich groß sein.

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