Frau mit schmerzverzerrtem Gesicht fasst sich ans Ohr (Bild: imago/YAY images)
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Quälende Töne - was hilft gegen den Stress im Ohr? - Tinnitus: Wenn das Leben zum Dauerrauschen wird

Bei etwa drei Millionen Menschen brummt, klingelt, zischt oder piept es ab und an oder ständig im Ohr. Tinnitus ist ein typisches Stressphänomen. Wie er genau entsteht, ist bisher aber unklar. Viele Kliniken können dem Großteil der Betroffenen heute mit multimodalen Behandlungsansätzen helfen. Wichtig ist, dass die Betroffenen bereit sind, ihre Ohrgeräusche anzunehmen, anstatt sie nur abschalten zu wollen.

Mal rauscht es wie ein Radio ohne Empfang, mal kreischt es wie eine Kreissäge: Fast jeder vierte Deutsche kennt Ohrgeräusche, die für ihn real, für die Mitmenschen aber unhörbar sind. Experten sprechen von Tinnitus.
 
Tinnitus entstammt dem lateinischen Wort tinnere - klingeln. Wer davon befallen ist, hört "Signale aus dem Nichts", also Ohrgeräusche, die nicht durch äußere Schallquellen bedingt sind.
 
Das Phänomen ist bereits vor dreieinhalb Jahrtausenden beschrieben worden. Der griechische Philosoph Platon berichtete über "kosmische Musik", die ihn ständig begleitete. Auch Bedrich Smetana, Jean-Jacques Rousseau und Ludwig van Beethoven machte der Tinnitus zu schaffen.

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Wen trifft Tinnitus am häufigsten?

Tinnitus tritt etwa ab dem 40. Lebensjahr auf, die meisten Betroffenen sind zwischen 65 bis 74 Jahren. Im Alter nimmt neben der Schwerhörigkeit auch der Tinnitus zu.
 
Die Gehörstörung ist aber keineswegs ein Seniorenproblem: Zehn Prozent der 40 bis 54-Jährigen und mehr als fünf Prozent der jungen Erwachsenen unter 30 leben mit einem Dauergeräusch im Ohr.

Was löst Tinnitus aus?

Wissenschaftliche Studien zeigen: Zunehmende Lärmbelästigung und der wachsende Stress in unserer Gesellschaft haben das Risiko für Tinnitus erhöht. Bei vielen Patientinnen und Patienten tritt Tinnitus nur dann auf, wenn sie stark belastet sind. Wenn sie also sprichwörtlich "viel um die Ohren haben". Meist vergeht das Gesummse schon nach ein paar Minuten, spätestens nach ein paar Wochen wieder.
 
In anderen Fällen bleiben die Geräusche zwar bestehen, stören aber nicht weiter: Die Betroffenen empfinden sie lediglich unter Anspannung, psychischem Stress oder Stille als unangenehm.

Wenn Tinnitus zur Qual wird

Für 0,5 Prozent der Betroffenen jedoch bedeutet das Dauerrauschen jedoch puren Terror. Sie sind vom Stress im Kopf derart zermürbt, dass er ihr gesamtes Leben durchdringt.
 
Sie können nicht mehr schlafen, sich nicht mehr entspannen und haben Mühe, sich in Gesprächen und beim Arbeiten zu konzentrieren. Ängste quälen sie und die Scheu vor sozialen Kontakten. Viele Betroffene werden depressiv.

Ursachen für dauerhaften Tinnitus

Hält ein neu aufgetretener Tinnitus länger als drei Monate an, so spricht man von chronischem Tinnitus.
 
Die häufigste Ursache ist eine Schädigung des Innenohres. Typisches Beispiel ist das Lärm- bzw. Knalltrauma. Dabei sind die inneren und äußeren Haarzellen in der Hörschnecke im Innenohr geschädigt.
 
Mögliche weitere Ursachen eines chronischen Tinnitus sind:
 
· Schädigungen im Innenohrbereich (z.B. Schwerhörigkeit im Alter, Hörsturz, Morbus Menière)
 
· Verengungen der großen Halsgefäße
 
· Abnutzung der Halswirbelsäule
 
· Kiefergelenksstörungen
 
· Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck.

Akute Hilfen

Bisher gibt es noch keine allgemein wirksame Behandlungsmethode - und keine Heilung. Die störenden Ohrgeräusche schränken die Lebensqualität aber oft nachhaltig ein.
 
· Im akuten Stadium werden durchblutungsfördernde Wirkstoffe verschrieben. Sie sollen der frischen Sinneszellschädigung im Innenohr entgegenwirken. Je schneller dies passiert, desto kleiner wird das Risiko, dass sich das Phantomgeräusch über die Lernprozesse im Gehirn festsetzten, vermuten die Befürworter.
 
· Auch die Sauerstoff-Überdruck-Behandlung folgt einem ähnlichen Prinzip: Durch mehrere Sitzungen in einer Druckkammer erhöht sich die Sauerstoff-Konzentration im Blut und damit auch im geschädigten Innenohr.

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Hilfe für chronisch Betroffene

Viele chronisch betroffenen Patienten werden mit der sogenannten Tinnitus-Bewältigungs-Therapie behandelt. Dabei wird das Ohrklingeln als Wahrnehmungsproblem verstanden.
Bei der Tinnitus-Bewältigungs-Therapie arbeiten HNO-Ärzte, Psychosomatikerinnen, Psychologen, Physiotherapeutinnen und Hörgerät-Akustiker zusammen. Sie betreuen jeden Patienten nach einem individuellen Therapieplan, bereiten ihn auf die Zeit nach der Intensivtherapie vor und behandeln ihn bei Bedarf darüber hinaus weiter.
 
Die Tinnitus-Bewältigungs-Therapie umfasst mehrere Elemente:
 
· Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist Hauptbestandteil. In Gruppen- und Einzelgesprächen tauschen sich Menschen mit Tinnitus über die quälenden Dauertöne und ihre damit verbundenen Sorgen und Ängste aus.
 
· In der Tinnitus-spezifischen Beratung, das sogenannte Counseling, trainieren Patienten und Patientinnen ihre Denk- und Verhaltensweisen in Bezug auf den Tinnitus zu verändern. Sie eignen sich Wissen an über die möglichen Zusammenhänge des Tinnitus mit anderen Störungen wie Hörminderung, seelischen Belastungen, Lärm, Hörsturz. So verstehen sie ihren eigenen Tinnitus besser.
 
· Innovative Hörgeräte helfen bei bereits grenzwertiger Schwerhörigkeit und verbessern die Tinnitus-Toleranz, indem sie zum Beispiel störende Geräusche im Inneren verringern oder angenehme Umgebungsgeräusche verstärken.
 
· Die Patienten lernen, Stille zu vermeiden und sich auf andere Geräusche zu konzentrieren. Sie lernen sozusagen ihren Tinnitus zu überhören.
 
· Ihr Ziel ist nicht den Tinnitus zu beseitigen, sondern sich an ihn zu gewöhnen und ihn zu akzeptieren.
 
· Mit Entspannungsübungen, Ablenkungsstrategien und der Förderung des eigenen Wohlbefindens bauen die Betroffenen zudem Stress ab.

Vorsicht vor Versprechungen

Menschen, die chronisch geplagt sind, versuchen Pharmahersteller zudem mit bloßen Heilungsversprechen zu ködern: Von Gingko-Präparaten über Laser und Magnetfeldtherapie bis hin zur Ohrkerze gibt es reihenweise mehr oder weniger ominöse Angebote auf dem Markt.
 
Expertinnen und Experten zufolge sind die meisten jedoch nicht wirksam sondern Geldschneiderei.

Beitrag von Beate Wagner

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