Essstörung - Magersucht | Ursachen, Symptome & Behandlung
Magersucht (Anorexia nervosa) gehört zu den Essstörungen. Wir klären auf über Ursachen, Symptome und Behandlungsansätze von Magersucht.
Die Magersucht, unter anderem auch unter den Begriffen "Anorexie" oder "Anorexia nervosa" bekannt, gehört zu den bekanntesten Essstörungen überhaupt. Aus Untersuchungen des RKI geht hervor, dass Mädchen und Frauen häufiger von der Essstörung betroffen sind als Jungs und Männer.
Diese Erkrankung kann in der Regel nur mit professioneller Hilfe behandelt werden. Ziel ist es dann, dass Essverhalten wieder in gesunde Bahnen zu lenken und unter anderem auch die Psyche der Betroffenen nachhaltig zu festigen.
Leider werden sowohl die Erkrankung als auch die Folgen der Magersucht, gerade von jüngeren Patienten, oft unterschätzt.
Besonders gefährlich ist es in diesem Zusammenhang vor allem, dass aus einem: "Ich möchte gern ein paar Kilogramm mit Hilfe einer Diät abnehmen!" schnell ein "Ich möchte nicht mehr als 500 Kalorien am Tag zu mir nehmen!" werden kann. Die Grenzen im Zusammenhang mit einer Magersucht sind hierbei oft fließend, so dass sich die Betroffenen schnell in einer Art Spirale befinden, aus der es schwer wird, auszubrechen.
Hintergrund: Das Mittel "Abnehmen" wird selbst zum eigentlichen Ziel: Dass der Körper dabei leidet, Magersucht zu Folgeerkrankungen führt usw., erkennen Betroffene oft nicht, weil auch das eigene Selbstbild nicht mehr realistischen Maßstäben entspricht - es ist verzerrt.
Oft braucht es eine Therapie, um das eigene Selbstbild wieder realistisch erkennen zu können. Denn: Obwohl der BMI längst zu niedrig geworden ist, empfinden sich die Betroffenen oft immer noch als "viel zu dick" und planen die nächste Diät. Essstörungen, die sich in Form einer Anorexie zeigen, können unterschiedlich ausgeprägt sein.
Hilfe können Betroffene beispielsweise im Rahmen einer Psychotherapie finden. Auch für Angehörige kann das eine erste oder auch gemeinsame Anlaufstelle sein.
Woran erkennt man eine Magersucht?
Grundsätzlich gilt natürlich: Nicht jeder, der sich vorgenommen hat, sein Essverhalten zu hinterfragen und ein paar Kilogramm abzunehmen, leidet unter einer Magersucht oder unter psychischen Störungen.
Aber: Es gibt einige Details und Hinweise, die unter anderem auch Eltern und andere Angehörige aufhorchen lassen sollten. Hierzu gehören die folgenden Punkte:
1. Die Betroffenen nehmen mehr und mehr an Gewicht ab, sehen aber nicht ein, dass sie mittlerweile viel zu dünn geworden sind und unter Untergewicht leiden. Wer einen BMI von 17,5 aufweist, gilt als untergewichtig.
2. Eine etwaige Gewichtszunahme wird als Rückschlag empfunden. Die Gefühlswelt wird abhängig von der Anzeige der Waage.
3. Kinder, Jugendliche, aber auch Erwachsene, die magersüchtig sind, haben Angst davor, die Kontrolle über ihren Körper zu verlieren und wahllos zuzunehmen – obwohl genau das bei ihrem Kaloriendefizit eigentlich faktisch nicht möglich ist.
4. Sport, Diät und Hungern bestimmen den Alltag. Wann, wie und was gegessen wird, planen Menschen mit Anorexie meist strukturell, ebenso Bewegung bzw. Sport. Auf plötzliche oder spontane Änderungen reagieren sie tendenziell negativ.
5. Kreislaufzusammenbrüche sind nicht selten, da die Energie, die es eigentlich für die entsprechenden Workouts bräuchte, schlicht nicht vorhanden ist.
6. Das Selbstbild von Menschen, die an dieser Krankheit leiden, ist sehr negativ. Bei einem "Ich fühle mich so dick!" handelt es sich nicht um eine Art von "Fishing for compliments". Im Gegenteil: Die Betroffenen empfinden sich selbst tatsächlich als unattraktiv und sind der Meinung, trotz anhaltendem Untergewicht zu dick zu sein.
7. Ein weiteres Anzeichen kann die soziale Isolierung der betroffenen Person sein. Vor allem meiden an Magersucht Erkrankte Mahlzeiten in der Gemeinschaft - einen Überblick was und wie viel sie essen, sollen bestenfalls nur sie selbst haben.
Angehörige und Bekannte, die diese Anzeichen einer Anorexie erkennen, sollten sie nicht ignorieren, sondern aufmerksam bleiben und die Betroffenen auf ihr Essverhalten ansprechen. Sollte sich in diesem Zusammenhang zeigen, dass tatsächlich eine Essstörung vorliegt, ist es ratsam, sich mit Hinblick auf Hilfsangebote zu erkundigen.
Oft wird eine entsprechende Unterstützung nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für deren Angehörige angeboten. Selbstverständlich hilft unter anderem auch der Hausarzt oder die Hausärztin weiter.
Magersucht und ihre Ursachen
"Anorexia nervosa" und das mit ihr verbundene Untergewicht können verschiedene Ursachen haben. Oft spielen auch unterschiedliche Faktoren zusammen und führen so letztendlich zur weiteren Verschlimmerung der Krankheit. Auch die Psyche kann negativ beeinflusst werden.
Zu den häufigsten Faktoren, die diese Art der Essstörung begünstigen können, gehören:
• eine erbliche Veranlagung
• Erleben von emotionaler "Belohnung" für besonderes Essverhalten, Essensdisziplin oder Gewichtsbewusstsein, ein geringes Selbstwertgefühl und wenig Vertrauen in den eigenen Körper
• die Sorge, von anderen aufgrund des eigenen Aussehens nicht gemocht zu werden
• Schönheitsideale, die unter anderem über die Sozialen Netzwerke verbreitet werden (und oft vergleichsweise unrealistisch sind)
• einschneidende Erlebnisse, wie zum Beispiel der Verlust eines Menschen durch Tod oder Trennung
• Mobbing
• verschiedene physische Erkrankungen, die bewirkt haben, dass das Vertrauen in den eigenen Körper geschwunden ist
• Druck von außen, wenn eine Person zum Beispiel in der Öffentlichkeit steht.
Besagte mögliche Auslöser werden vor allem in der Zeit der Pubertät gefährlich. Ältere Kinder und Jugendliche, hier vor allem Mädchen, sind besonders oft von Magersucht betroffen. Im Erwachsenenalter nimmt das Risiko dann wieder ab. Aber: Auch Erwachsene können eine Essstörung in Form einer Anorexie entwickeln.
Umso wichtiger ist es, bei einem etwaigen Verdacht möglichst schnell auf eine professionelle Diagnose und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit einem Arzt oder einer Ärztin setzen zu können.
Welche Typen von Magersucht gibt es?
Mit Hinblick auf Magersucht wird zwischen zwei verschiedenen Typen unterschieden: Dem restriktiven- und dem Purging Typ.
Der restriktive Typ nimmt viel zu wenige Kalorien zu sich, leidet jedoch nicht unter Essanfällen. Viele Betroffene, die diesem Typ zugeordnet werden, treiben extrem viel Sport, um ihren Kalorienverbrauch noch weiter zu erhöhen.
Beim Purging Typ werden lange Hungerphasen von Essanfällen unterbrochen, die oft mit einem gesteigerten Kontrollverlust einhergehen. Danach erzwingen sie ein Übergeben, um möglichst wenig Kalorien aufzunehmen, bzw. Kalorien möglichst schnell wieder "loszuwerden". Der Unterschied zur Bulimie ist das Gewicht der Betroffenen und die Hungerphasen zwischen den Essattacken.
Wie verläuft eine Anorexie?
Auf diese Frage kann keine standardisierte Antwort gegeben werden. Wie die Krankheit weiter verläuft, hängt vor allem vom Verhalten der Betroffenen und deren Willen, sich - zum Beispiel im Rahmen einer Psychotherapie - helfen zu lassen, ab.
Besonders wichtig ist es dementsprechend, dass sich die Patienten darüber klar werden, dass es sich bei Magersucht bzw. bei Anorexie um eine ernsthafte Erkrankung handelt, die nicht nur Untergewicht zur Folge hat, sondern im schlimmsten Fall sogar zum Tod führen kann. Eine möglichst frühe Diagnose kann dementsprechend Leben retten.
Viele Betroffene werden zum ersten Mal skeptisch, wenn sie erkennen, dass die positiven Emotionen, die mit dem anfänglichen Gewichtsverlust verbunden sind, nicht lange anhalten und dass jedes Gramm, das die Waage mehr anzeigt, sie reizbar macht. Zahlreiche Magersüchtige werden im Laufe der Zeit zudem depressiv.
Wie kann sich Magersucht auf die allgemeine Gesundheit auswirken?
Doch auch die physischen Folgen von Untergewicht, ungesunden Diäten, Abführmitteln, eventuellem Erbrechen und Co. sollten nicht unterschätzt werden. Denn: Bei einer Anorexie werden dem Körper über einen langen Zeitraum hinweg zu wenige Nährstoffe zugeführt.
Klassische Mangelerscheinungen, die hierauf hindeuten, sind unter anderem ein verlangsamter Herzschlag, ein falsches Temperaturempfinden, Müdigkeit und Kreislaufbeschwerden.
Das ohnehin niedrige Selbstwertgefühl kann auch dadurch geschmälert werden, dass die Haare vermehrt ausfallen und die Haut ungesund aussieht.
Leider zeigt sich doch auch hier bei vielen Jugendlichen, dass die Angst zuzunehmen, immer noch größer ist als die Angst davor, krank zu werden.
Weitere klassische körperliche Folgen einer Magersucht, abgesehen vom Gewichtsverlust, sind unter anderem:
• Potenzstörungen bzw. das Ausbleiben der Regel
• Nierenerkrankungen
• Schmerzen im Bereich der Speiseröhre
• Zahnbeschwerden.
Ab einem gewissen Ausmaß der Anorexie steigt das Risiko, an der Erkrankung und dem niedrigen Gewicht zu sterben, extrem an. Letztendlich auch deswegen, weil sich einige Betroffene selbst umbringen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn sich neben der Magersucht unter anderem auch eine Depression oder eine Angststörung entwickelt hat. Oft gehen die entsprechenden Krankheitsbilder ineinander über.
Besonders schwierig gestaltet sich das Ganze, wenn die Betroffenen absolut nicht mehr dazu in der Lage sind, ihre Erkrankung und das vorherrschende Untergewicht richtig einzuschätzen. Sie sehen die Magersucht dann nicht mehr als behandlungsbedürftige Krankheit, sondern vielmehr als eine Möglichkeit, so auszusehen, wie sie wollen.
Die gute Nachricht ist jedoch, dass der Verlauf einer Magersucht mit einer (im Idealfall) frühzeitigen Behandlung positiv beeinflusst werden kann, so dass das Verhältnis zum eigenen Gewicht, dem Körper und letztendlich auch zu einem gesunden Lebensstil wieder realistisch wird.
Wie kann Magersucht behandelt werden?
Wie Essstörungen behandelt werden, ist immer vom individuellen Fall abhängig. Fest steht jedoch, dass es nur die allerwenigsten Betroffenen schaffen, ohne professionelle Behandlung einen Ausweg zu finden. Die Chancen darauf, langfristig geheilt zu werden, stehen vor allem dann gut, wenn der Erkrankung und dem mit ihr verbundenen Untergewicht frühzeitig – zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Psychotherapie – entgegengewirkt wird.
Ein besonderer Fokus liegt unter anderem auch darauf, zu verhindern, dass die Magersucht zu einem späteren Zeitpunkt zurückkommt. Wenn nicht ausreichend therapiert wurde, ist das Risiko im Zusammenhang mit Rückfällen durchaus hoch. Um dem vorzubeugen, ist es hilfreich, mit den Betroffenen über Auslöser und mögliche Gegenmaßnahmen zu sprechen.
Sollten Magersüchtige sich weigern, sich behandeln zu lassen, ist es auch möglich, dass eine sogenannte Zwangsbehandlung zum Einsatz kommt. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der oder die Erkrankte in Lebensgefahr schwebt.
Eine standardisierte Behandlungsmethode gibt es jedoch nicht. Jeder Patient/ jede Patientin ist anders. Dementsprechend werden beim Erstellen des Therapieplans durch einen Therapeuten bzw. durch einen Allgemeinmedizner immer möglichst alle individuellen Details berücksichtigt, um so ein optimales Ergebnis zu erzielen.
Magersucht und die wichtige Rolle der Nachsorge
Patienten, die einmal unter Magersucht und Untergewicht gelitten haben, sollten darüber umfassend aufgeklärt werden, wie wichtig es ist, nicht nur die akute Erkrankung zu behandeln, sondern auch Wert auf eine umfangreiche Nachsorge zu legen. Diese kann beispielsweise im Rahmen einer ambulanten Gesprächstherapie bzw. Psychotherapie realisiert werden.
Die Angst vor einem Rückfall zur Anorexie sollte selbstverständlich nicht das Leben der Betroffenen bestimmen. Gleichzeitig sollten sie sich aber auch darüber bewusst sein, dass ihr Risiko, erneut eine Magersucht zu entwickeln höher ist als bei Menschen ohne Vorbelastung.
Diejenigen, die nach ihrer Behandlung entsprechend sensibilisiert wurden, schaffen es oft im Laufe der Zeit, das Essen mit all seinen Facetten wieder zu genießen, ohne sich schnell nach der nächsten Diät zu sehnen.
Beitrag von Cornelia Wilhelm