Interview l Risiko für Mutter & Kind - Bluthochdruck: Gefahr in der Schwangerschaft
Wenn Frauen in der Schwangerschaft zu hohen Blutdruck haben, ist das für Mediziner ein Alarmsignal. Denn Bluthochdruck bringt nicht nur Herz und Kreislauf von Mutter und Kind in Gefahr, sondern auch andere Organe. Über Risiken und Behandlungsmöglichkeiten haben wir mit Prof. Dr. Ralf Dechend, Oberarzt der Kardiologie des Helios-Klinikums Berlin-Buch gesprochen.
Herr Prof. Dechend, warum kommt es zu Bluthochdruck in der Schwangerschaft?
Es gibt zwei Gründe für Bluthochdruck in der Schwangerschaft. Zum einen haben wir den Bluthochdruck, der überhaupt erst in der Schwangerschaft entsteht. Diese schwangerschaftsinduzierte Hypertonie hat bis vor einigen Jahren den größeren Anteil ausgemacht.
Die Ursache für diese Form von Schwangeschafts-Bluthochdruck ist noch nicht im Detail verstanden. Er hat aber etwas mit einer verzögerten bzw. nicht gut ausgebildtenen Plazentabildung und einer nicht optimalen Ernährungssituation des Fötus zu tun, insofern ist es unter Umständen sogar eine Form einens "Bedarfsbluthochdruck für den Fötus".
Zum anderen haben wir die Gruppe von Schwangeren - die zur Zeit immer häufiger vorkommt -, die mit einer bestehenden Hypertonie schwanger werden. Durch das immer höhere Alter der Schwangeren und eine Zunahme von Übergewicht in der Bevölkerung, wird diese Form des Schwangerschaftsbluthochdrucks, besser gesagt ein vorbestehender Bltuhochdruck mit der die Patientin dann schwanger wird, immer größer.
Insgesamt ist Bluthochdruck in der Schwangerschaft ein häufiges Problem und betrifft ca. 10% aller Schwangerschaften, wobei aktuell ca. 50% erst in der Schwangerschaft entstehen.
Wie hoch darf denn der Blutdruck einer Schwangeren im Durchschnitt sein?
Den idealen Blutdruck bei Schwangerschaftshypertonie zu finden ist kompliziert. Die Problematik ist, dass wir hier einen Konflikt zwischen "beiden Patienten" (Mutter und Kind) haben. Jede Blutdrucksenkung führt zu einer gewissen Wachstumsverzögerung. Daher ist es keine gute Option, den Blutdruck der Schwangeren einfach auf 120-130/80-90 mmHg zu senken, wie man es außerhalb der Schwangerschaft empfehlen würde, sondern man will und muss auf die Wachstumsbelange des Kindes Rücksicht nehmen.
Ich möchte aber noch einmal betonen, dass es auch für das Kind sicher ist, mit Blutdruckmedikamenten, die in der Schwangerschaft zugelassen sind, zu behandeln. Aber es bedeutet auch, dass man gezwungen ist einen Kompromiss zu wählen, der sowohl den Bedürfnissen des Kindes als auch der Sicherheit der Mutter gerecht wird.
Dieser Kompromiss ist eine Blutdruckeinstellung in einem Korridor von 130-150/80-100 mmHg, d.h. man beginnt eine medikamentöse Therapie nicht bereits bei Werten >140/>90 mmHg, sondern erst, wenn die Bltudruckwerte schon >150-160/>100 mm Hg sind.
Die Zielwerte des Korridors haben sich auch im Laufe der letzen Jahre verändert und sind vorsichtig ein wenig nach unten korrigiert worden. Vor ein paar Jahren lag der Korridor noch 140 - 160 /80-105 mmHg.
Welches besondere Risiko besteht denn bei Bluthochdruck in der Schwangerschaft?
Patientinnen mit Bluthochdruck in der Schwangerschaft haben ein deutlich erhöhtes Risiko eine Präeklampsie zu entwickeln, welches eine der gefürchtetsten Erkankungen in der Schwangerschaft sind.
Je nachdem, wir hoch und wie lange der Blutdruck bestand, ist das Präeklampsierisiko um den Faktor 4 bis 20 erhöht. Wir haben durch viele Studien aber gelernt, dass eine strenge Blutdruckeistellung auf niedrige Werte leider nicht dazu führt, dass wir eine Präeklampsie verhinden können. Deshalb bleiben Schwangere mit Bltuhochdruck - unabhängig von der Einstellung des Bltudrucks - Risiko-Schwangere und müssen engmaschig betreut werden.
Was macht eine Präeklampsie so gefährlich für Schwangere?
Präeklampsie wurde früher auch Schwangerschaftsvergiftung, Toxämie oder Gestose genannt. Präeklampsie besteht auch aus Bluthochdruck ist aber mehr und ist auch gefährlicher.
Präeklampsie ist eine Systemerkrankung, die die mütterlichen Gefäße - und damit die mütterlichen Organe - extrem schädigt. Genau verstanden haben wir die Erkrankung, trotz ihrer Häufigkeit (ca. drei Prozent aller Schwangerschaften) und intensiver Forschung nicht.
Wir wissen, dass von der Plazenta Substanzen gebildet werden, die in das mütterliche Blut gelangen und den Bluthochdruck und die Schädigung der mütterlichen Organe, insbesondere Niere, aber auch Leber, Gehirn und Knochenmark verursachen.
Klassischerweise messen wir diesen Endorganschaden an der Niere durch den Nachweis einer Eiweißausscheidung im Urin, aber auch durch Blutwerte, die Auskunft über Leber- und Knochenmarksschädigung geben.
Gemeinsam haben Schwangerschafts-Bluthochdruck und Präeklampsie die erhöhten Blutdruckwerte. Unterscheiden tun sie sich dadurch, dass die Präeklampsie zu einer viel gefährlicheren Schädiung der mütterlichen Organe und zu einer Wachstumsverzögerung beim Kind führen kann.
Präeklampsie ist nach wie vor der Hauptfaktor für die mütterliche und kindliche Sterblichkeit und Schwangerschaftskomplikationen, insbesondere Frühgeburtlichkeit.
Wie äußert sich hoher Blutdruck in der Schwangerschaft? Können das die Schwangeren selbst merken?
Nein, eine Schwangere kann sich nicht darauf verlassen, dass sie den Bluthochruck bemerkt oder spürt. Zeichen von Bluthochdruck sind unzuverlässig und unsicher. Das wichtigste ist tatsächlich, dass Blutdruck in der Schwangerschaft regelmässig gemessen wird. Das findet in den Frauenarztpraxen auch sehr gut statt.
Es wäre aber auch hilfreich, wenn Schwangere ihren Blutdruck selbst messen würden. Dann aber nur unter gut gewählten Standardbedingungen.
Das bedeutet: Erstmal fünf Minuten sitzen und zur Ruhe kommen. Man sollte auch nur Blutdruck messen, wenn man sich wohl fühlt. Wenn man misst, am besten mit einer Oberarmmanschette, zwei Mal hintereinander messen und den niedrigsten Wert notieren.
Es gibt zudem nock klinische Hinweise, die eine Präeklampsie anzeigen, das sind Kopfschmerzen, Sehen von Doppelbildern und Schmerzen im rechten Oberbauch. Dies zeigt eine Gehirn- bzw. Leberschädigung an und Schwangere sollten mit diesen Warnzeichen vertraut sein.
Wie sieht die gängige Behandlung bei Bluthochdruck in der Schwangerschaft aus?
Wichtig ist eine engmaschige Betreuung von Schwangeren mit Blutdhochdruck, bzw. hohem Präeklampsierisiko, am besten in einer Risikosprechstunde.
Wichtig ist auch, dass die Frauen angeleitet werden, wie sie ihren Blutdruck messen sollen (ideal ist zwei Mal täglich) und klar definiert wird, bei welcher Blutdruckhöhe welche Maßnahmen zu erfolgen haben. Dazu gehören auch eine engmaschige Untersuchung des Kindes, der Durchblutung der Plazenta mittels Ultraschall und der Eiweißausscheidung im Urin.
Dazu kommt noch ein weiterer interessanter Blutparameter, der gerade den Sprung aus der Forschung in die klinische Routine schafft. Dieser Parameter heisst sFlt-1/PlGF. Die Stärke von sFlt1/PLGF ist der gute, negative Vorhersage-Wert für eine Präeklampsie.
Das heißt: Wenn dieser Wert negativ ist, ist das Risiko in den nächsten vier Wochen eher niedriger.
Ab wann müssen Frauen Blutdruckmedikamente nehmen?
Es ist so, dass die Frauen erst mal Bedenken haben, Medikamente gegen Bluthochdruck in der Schwangerschaft zu nehmen, wegen der oben bereits beschriebenen Wachstumsverzögerung des Kindes.
Die Blutdruckmedikamente, die wir in der Schwangerschaft verschreiben, sind Methyldopa, Nifedipin und Metoprolol. Von allen haben wir aber weltweite Erfahrungen, dass sie sicher für Mutter und Kind sind. Insofern sind sie bei Blutdruckwerten >160/>100 mmHg auf jeden Fall indiziert.
Aber in Einzelfällen beginen wir beriets bei >150/>95 mmHg mit einer medikamentösen Blutdrucktherapie. Daneben sollte man auch nicht-medikamentöse Schritte in Erwägung ziehen. Hierbei handelt sich um die Reduktion von Stress, zum Beispiel ist ein Beschäftigungsverbot der Schwangeren in Erwägung zu ziehen.
Wenn eine Frau in der Schwangerschaft schon einen hohen Blutdruck entwickelt hat, entwickelt sie dann bei einer erneuten Schwangerschaft wieder Bluthochdruck?
Wenn sich der Bluthochdruck erst in der Schwangerschaft entwickelt hat, wird sich der Blutdruck in den Monaten nach der Geburt innerhalb von wenigen Wochen fast immer wieder normalisieren.
In einer Folgeschwangerschaft haben diese Frauen tatsächlich ein erhöhtes Präeklampsierisiko. [Forschung mit] täglich 150 mg Acetylsalicylsäure (ASS) ab der 8. Schwangerschaftswoche hat gezeigt, dass es das Risiko einer Präeklampsie deutlich reduziert.
Daher gibt man allen Frauen, die eine Präeklampsie in der ersten Schwangerschaft hatten prophylaktisch ASS in der nächsten Schwangerschaft.
Ähnlich verfährt man auch bei Schwangeren, die generell ein hohes Präeklampsierieiko haben. Dazu zählen neben dem Bluthochdruck auch Übergewicht, Diabetes und Alter. Auch Frauen, die mit einer künstlichen Befruchtung schwanger geworden sind, [gehören zu dieser Risikogruppe].
Herr Prof. Dechend, danke für das Gespräch!
Das Interview führte Laura Will