Interview l Dr. Yael Adler - Über den Mund die Haut verschönern
"Im Alter produziert der Körper weniger Hormone, die Talgdrüsenaktiviät geht zurück und die Hautdurchfeuchtung lässt nach. Ausreichend Trinken hilft. Anti-Aging Cremes dagegen bringen so gut wie gar nichts. Das Einzige, was man im Labor nachgewiesen hat ist, dass die Vitamine A, C und E und kurzkettige Eiweiße, Polypeptide, einen gewissen Anti-Aging-Effekt haben", sagt Hautärztin Dr. Yael Adler.
"Die Haut verändert sich im Alter. Collagen und Hyaloronsäure gehen verloren, die Sonne hinterlässt Spuren in Form von Flecken, erweiterten Äderchen und es entstehen Knitterfältchen. Aber: Auch im Alter kann der Mensch schön sein. Falten erzählen von der Geschichte des Menschen. Sie sind nicht hässlich, sie gehören zu dieser Lebensphase", findet die Berliner Hautärztin und Ernährungsmedizinerin, Dr. Yael Adler.
Trotzdem gibt es ein paar Tricks, um die Haut auch in den 50ern, 60ern und 70ern und darüber hinaus gesund zu halten - und eine gesunde Haut ist in jedem Alter schön.
Tipp 1: Nicht zu viel Pflege!
"Ich beobachte, dass wir alle Opfer des industriellen Lebens sind, das bedeutet, dass wir zu viel pflegen mit viel zu vielen Produkten, die die Industrie anpreist, die die Haut aber überstrapazieren. Viele machen den Fehler, das Gesicht zu aggressiv mit Waschsubstanzen, Peelings oder alkoholischer Lösung zu malträtieren. Das schadet der Haut.
Besser ist es, nur mit Wasser und Handtuch zu reinigen, selbst bei Make-Up reicht das. Sollten Puderpartikel bleiben, schadet das der Haut nicht - wir pflegen ja auch einen Babypopo mit Puder. Es ist definitiv schlimmer durch eine "porentiefe Reinigung" die hauteigenen Schutzmechanismen zu schwächen oder zu zerstören. Wenn die Hautbarriere intakt ist, bleiben unerwünschte Substanzen eher draußen.
Diese Schutzbarriere hält möglichst alles ab, was von außen kommt. Das ist auch ein Grund, warum Pflegeprodukte gegen die alternde Haut wenig ausrichten können.
Tipp 2: Die Haut vor Austrocknung schützen!
Im Alter produziert der Körper weniger Hormone, die Talgdrüsenaktiviät geht zurück und die Hautdurchfeuchtung lässt nach. Ausreichend Trinken hilft, also 1,5 - 2 Liter am Tag. Wenn genug Flüssigkeit im Körper ist, dann sind die Zellen voller Wasser und die Oberhaut sieht etwas weniger knittrig aus.
Pflegecremes können an trockenen Stellen helfen, die Schutzbarriere zu stärken und somit mehr Feuchtigkeit einzuschließen. Hyaluronsäure, Glycerin oder Harnstoff - natürliche Feuchthaltefaktoren - helfen, die Hornschicht der Oberhaut für einige Stunden mit Feuchtigkeit etwas aufzuplustern. Allerdings ist die Haut nach ein paar Stunden wieder 'heruntergeknittert', da diese Stoffe von außen aufgetragen leider nicht in die tiefer gelegene Lederhaut vordringen können. Da müsste aber eigentlich Anti-Aging betrieben werden, denn hier fehlt es zunehmend an natürlicher Hyaluronsäure und auch an Collagen und elastischen Fasern.
Wichtig: Nur trockene Stellen eincremen, nicht alles zumatschen, denn sonst drohen Reizungen und Pickel.
Anti-Aging Cremes dagegen bringen so gut wie gar nichts. Das Einzige, was man im Labor nachgewiesen hat ist, dass die Vitamine A, C und E und kurzkettige Eiweiße, Polypeptide, einen gewissen Anti-Aging-Effekt haben. Aber das ist sehr oberflächlich.
"Anti-Falten Cremes können Falten nicht beseitigen"
Überhaupt hilft Cremen nur bedingt. Vor allem das Gesicht hat viele Talgdrüsen, die genug Fett absondern, man sollte nur dann eincremen, wenn die Haut trocken ist und spannt.
Anders bei Armen, Beinen und Füßen. Dort sind nur wenige und kleinere Talgdrüsen, sie sind eher für Austrocknung anfällig. Deshalb sollte man die Haut dort vor zu viel Austrocknung schonen. Am besten nur kurz mit warmem, nicht heißem, Wasser duschen. Statt klassischer Seifen besser seifenfreie, farblose Duschgels nutzen. Sie unterstützen den Haut-PH-Wert, der bei ca. 5 liegt und enthalten Kokos- oder Zuckertenside, die wenig entfetten. Auf Duftstoffe sollte man verzichten und ohnehin nur die schwitzigen Körperfalten reinigen. Die großen Flächen bitte nur mit Wasser. Auf stundenlange Schaumbäder verzichten, sie trocken zusätzlich aus.
Tipp 3: Schluss mit Hautschädigendem!
Wer seiner Haut im Alter etwas Gutes tun will, lässt erst mal alle Altersbeschleuniger weg: Rauchen, zu viel Alkohol, zu viel Sonne, Zucker, Weißmehl, Fastfood und Kuhmilch in großen Mengen. In der Kuhmilch ist der Insulin-like growth factor 1 (IGF1) enthalten, der sowohl Akne fördert als auch übermäßige Talgproduktion und Mitesser.
Nach aktuellem Stand der Wissenschaft gilt Milch als Beschleuniger des Alterungsprozesses. Für Calcium findet man bessere Lieferanten, wie etwa Mineralwasser. Zur Eiweißversorgung sind pflanzliche Quellen prima, aber auch Ei, Fisch und manchmal Fleisch. Milchfreunden empfehle ich eher die Variation als fermentiertes Produkt, wie Buttermilch, Kefir, original griechischer Joghurt oder Käse.
Zum jetzigen Zeitpunkt erscheinen 200 ml Milch pro Tag für Erwachsene akzeptabel.
Tipp 4: Gezielte Zufuhr gesunder Nährstoffe
Hier geht es um Ballaststoffe, probiotisch wirkende Nahrungsmittel sowie mikronährstoffreiche Nahrung mit vielen Vitaminen, Mineralien, Spurenelementen, Omega 3-Fettsäuren und sekundären Pflanzenstoffen.
Die Haut wird von innen aufgebaut. Die Blutgefäße transportieren all die relevanten Stoffe zur Haut. Unsere Oberhaut braucht vier Wochen, um sich zu erneuern, dazu braucht sie genug Nährstoffe.
Gute Ernährung ist deshalb besonders wichtig für die Haut. Die Darmbakterien versorgen Haut und Schleimhäute mit Vitaminen, Immunsystem-Botenstoffen und Bakterien, wie eine Art Reservepool. Je vielfältiger und gesünder die Darmflora ist, umso besser lassen sich Erkrankungen wie Neurodermitis, Psoriasis, Allergien, Rosazea und Akne behandeln.
Wir haben ja alle eigentlich noch einen Steinzeitdarm, aber wir ernähren uns nicht mehr so wie die Evolution es gedacht hatte. Unser Darm würde sich mehr Pflanzen wünschen, die reichhaltig an Mikronährstoffen sind. Wir essen leider viel zu wenige Ballaststoffe, insbesondere lösliche Ballaststoffe. Sie sind die Nahrung für gesundheitsfördernde Bakterien im Darm.
Wir haben Weißbrot und Kekse und Kuchen, aber nicht mehr daas, was wir bräuchten, um eine starke Darmflora zu haben. Deshalb empfehle ich Flohsamenschalen, Akazienfasern, Topinambur, Pastinaken, Apfelschalen, Chicoree, Rote Beete oder Artischocken. Auch einmal erkaltete Kartoffeln, mit ihren präbiotisch wirkenden, löslichen Ballaststoffen und fermentiertes Gemüse, wie eingelegte Gurken, Kimchi oder unpasteurisiertes Sauerkraut. Ebenso empfehle ich Fermentationsgetränke, wie "Effektive Mikroorganismen", original griechischen Joghurt, Kefir oder Buttermilch. Auch der Salat aus dem Garten ist voller lebendiger probiotisch wirkender Bakterien. Man kann auch Bakterien direkt zuführen mit Probiotika aus der Apotheke.
Gut für die Haut sind außerdem Antioxidantien. Besonders viele enthält zum Beispiel: Tomatenmark, da ist ganz viel Lykopin drin, ein sekundärer Pflanzenstoff mit antioxidativer Wirkung. Im Karottensaft ist viel Beta-Carotin, das schützt die Haut vor zu viel Sonneneinstrahlung. Täglich ein Glas mit einem Tropfen Öl ist ein guter Anti-Aging-Tipp.
Tipp 5: Knochenbrühe
Collagen ist ein natürlicher Stoff in der Haut, der uns jugendlicher aussehen lässt. Er wird im Alter abgebaut. Collagen-Cremes bringen nicht viel, denn von außen aufgetragen geht der Stoff gar nicht bis in die Tiefe der Haut.
Ich empfehle stattdessen Nicht-Vegetariern: Knochenbrühe. Rinderknochen 12 Stunden köcheln lassen, da löst sich das Collagen heraus. Die Knochenbrühe enthält Collagen und Hyaloronsäure, die dann vom Körper aufgenommen werden. Wir sehen bei unseren Patienten, dass die Haut davon profitiert. Täglich eine Tasse Knochenbrühe, nach etwa drei Monaten sieht man Effekte.
Collagen gibt es auch als Fertigprodukt aus der Apotheke oder als Pulver aus dem Internet. Da sollte man sich aber vorher genau über die Produkte informieren.
Tipp 6: Der Haut tut gut, was Ihnen gut tut!
Alles, was dem ganzen Körper gut tut, tut auch der Haut gut. Also: Bewegung, Schlaf, Stressabbau, Liebe, gute soziale Kontakte.
Die Haut ist ein Spiegel der Seele. Tun Sie sich Gutes, dann sehen Sie auch gut aus", sagt Yael Adler.
Das Interview führte Angelika Wörthmüller