Neue Therapieansätze - Hepatitisinfektionen: Wie weit ist der Weg zur Heilung noch?
Die Infektionszahlen für Hepatitis-Viren steigen laut Robert-Koch-Institut (RKI) seit 2017 in Deutschland wieder an. Unbehandelt können Infektionen von starken Leberschäden bis hin zu tödlichem Leberversagen führen. Mut machen Studien mit neuen Wirkstoffen, die auch solchen Hepatitis-Viren den Kampf ansagen, für die es bisher keine vorbeugende Impfung oder Aussicht auf Heilung gab. Eine Übersicht zu Impf- und Heilmöglichkeiten von Heptatitis A bis E.
Lange stand das Hepatitis-C-Virus (HCV) im Mittelpunkt der Forschung - mit Erfolg: Inzwischen gibt es antivirale Medikamente, mit denen über 95% der Patientinnen und Patienten geheilt werden können, d.h. im Blut sind keine Viren mehr nachweisbar. Diese sogenannten Direct Acting Antiviral Agents (DAAs) sind seit 2014 verfügbar und greifen direkt in den Vermehrungszyklus des Virus ein. Die rbb Praxis berichtete.
In einer Studie der Uni Frankfurt, veröffentlicht im Deutschen Ärzteblatt, wird die neue Therapie mit DAAs als zuverlässiger und verträglicher beschrieben als die zuvor übliche interferonbasierte Therapie - zudem dauere die Behandlung mit DAAs kürzer.
Grundsätzlich gilt: Wird eine Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus nicht behandelt, kann sie chronisch werden und zu bleibenden Leberschäden, zu Leberzirrhose und Leberkrebs führen. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge sind etwa 250.000 Menschen in Deutschland mit Hepatitis C infiziert und bis zu 400.000 mit Hepatitis B.
Expert*innen fordern bessere Früherkennungsprogramme
Viele Betroffene merken von der Infektion lange nichts. Das ist gefährlich, weil die Leber immer stärker geschädigt wird und Infizierte zudem andere anstecken können. Es brauche dringend strukturierte Früherkennungsprogramme, fordern Experten der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS).
Fest steht: Eine Hepatitis C-Infektion sollte in jedem Fall therapiert werden. DAAs, also antivirale Medikamente, sind derzeit Mittel der Wahl - aber auch sie haben Nachteile.
Wenn Hepatitis C geht, aber Typ B zurückkommt
DAAs gegen HCV können dazu führen, dass eine zuvor inaktive Hepatitis B-Virusinfektion wieder aktiv wird. Warum ist das so? Eine Infektion mit dem Hepatitis C-Virus unterdrückt – bei gleichzeitiger Infektion – das Hepatitis B-Virus.
Daher vermuten Forscherinnen und Forscher, dass die schnelle Reduzierung des HCV, ausgelöst durch die Behandlung mit DAAs, sowie die fehlende Wirksamkeit der antiviralen Stoffe gegen das HBV zu einer Reaktivierung der Infektion führen.
Wann wird eine HBV-Reaktivierung gefährlich?
So selten dies passiert: Diese Reaktivierung dder Typ B-Virus-Infektion kann lebensbedrohliche Leberprobleme bis hin zu Leberversagen mit sich bringen. Ein besonders hohes Risiko zur HBV-Reaktivierung haben Patient*innen, die gleichzeitig in einer Therapie mit DAAs sind und eine Chemotherapie durchlaufen.
Mit dem Wirkstoff Entecavir könne die Reaktivierung in den meisten Fällen aber verhindert werden, so Prof. Dr. Jörg Petersen, ärztlicher Leiter des Leberzentrums Hamburg am ifi-Institut gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.
HBV-Screening vor der HCV-Therapie
Aus diesem Grund empfiehlt die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) grundsätzlich bei allen Patient*innen (vor einer Behandlung mit DAAs) zu prüfen, ob dieses Risiko für eine Hepatitis-B-Reaktivierung besteht.
Patient*innen, die sowohl mit Hepatitis C als auch mit Hepatitis B infiziert sind, werden bei der Therapie mit DAAs dann besonders intensiv überwacht; gegebenenfalls wird auch das Hepatitis B-Virus behandelt.
Ziel: HVC bis 2030 eliminieren
Neben diesen Nachteilen ist die Behandlung mit DAAs auch sehr teuer und schützt nicht vor einer Re-Infektion. Besser wäre eine prophylaktische Hepatitis C-Impfung, mit der die weltweite Verbreitung des Virus gestoppt und das Virus ausgerottet werden könnte. HVC zu eliminieren ist das erklärte Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis zum Jahr 2030.
Doch möglich ist das wahrscheinlich nur mit einer Impfung - die es allerdings noch nicht gibt. Die Impfstoffentwicklung ist bei HCV besonders schwierig. Zum einen, weil das HCV ein richtiger Verwandlungskünstler ist: Ständig entstehen Veränderungen im viralen Genom. Zum anderen ist das HCV sehr vielfältig aufgestellt: Es gibt sieben Virusgenotypen die wieder jeweils einige Untergruppen haben.
Neue Hoffnung für Hepatitis C-Impfstoff
Bisher sind alle Impfstoffentwicklungen gegen das Hepatitis C-Virus (HCV) gescheitert. Neue Hoffnung machen nun im Juni 2020 veröffentlichte Ergebnisse eines Teams um die Forscherin Dr. Ilaria Esposito von den Universitäten Oxford und Kopenhagen.
Ihr neuer Ansatz: T-Lymphozyten, kurz T-Zellen, bilden eine Gruppe von weißen Blutzellen, die wichtiger Teil der Immunabwehr sind. Man weiß, dass eine HCV-spezifische T-Zell-Antwort für die Kontrolle von Infektionen entscheidend ist. Daher soll der Impfstoff im Körper die Bildung spezifischer T-Zellen ankurbeln.
Es gab bereits Tests an Mäusen und eine erste Studie an 17 gesunden Freiwilligen. Der Impfstoff war dem Team zufolge gut verträglich und auch die T-Zell-Antwort gegen HCV war deutlich stärker, als bei der Kontrollgruppe.
Ein Überblick: Impfen gegen Hepatitis
Wie sieht es bei anderen Hepatitis-Viren aus? Unterschieden wird derzeit zwischen fünf Typen: Hepatitis A, B, C, D und E. Impfungen gibt es heute bereits gegen Hepatitis A und B – letztere schützt gleichzeitig auch vor Hepatitis D, da diese nur mit einer Hepatitis B gemeinsam vorkommen kann. Impfungen gegen Hepatitis E gibt es nur in Asien.
Prophylaktisches Impfen bei Hepatitis E (HEV)?
In China ist ein Impfstoff gegen die Hepatitis E (Hecolin) seit 2012 zugelassen und verfügbar, in Europa jedoch nicht. Eine Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI) geht davon aus, dass etwa 17 Prozent der erwachsenen deutschen Bevölkerung eine HEV-Infektion durchgemacht hat. Damit ist das HEV nicht so selten, wie lange angenommen.
Eine akute Hepatitis E muss beim Menschen mit gesundem Immunsystem in der Regel nicht oder nur symptomatisch behandelt werden. Bei chronischer HEV-Infektion sollte die Beseitigung des Virus mit Hilfe von Medikamenten angestrebt werden, um einem heftigen Verlauf vorzubeugen, der im schlimmsten Fall zu Leberversagen führen kann.
Ein hohes Risiko zur Entwicklung einer chronischen HEV haben Menschen, deren Immunsystem aus anderen Gründen stark geschwächt oder unterdrückt ist (HIV-Patienten oder Organtransplantierte), Menschen mit Lebervorschädigungen und Schwangere, bei denen eine Genotyp-1-Infektion besteht.
Prophylaktisches Impfen gegen Hepatitis A (HAV)
HAV heilt gewöhnlich ohne Folgen von selbst aus und wird nicht chronisch. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung daher nur besonders gefährdeten Menschen - dann übernimmt die Krankenkasse die Kosten.
Dazu gehören z.B. Personen mit Lebererkrankungen, Reisende in Regionen (hier geht’s zu den Impfempfehlungen des Auswärtigen Amtes, sortiert nach Ländern), in denen HAV stark verbreitet ist oder medizinisches Personal, Menschen die in Kitas, Kinder- und Altenheimen arbeiten sowie Kanalisations- und Klärwerksarbeiter mit direktem Kontakt zu Abwasser.
Prophylaktisches Impfen gegen Hepatitis B und D (HBV und HDV)
Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen HBV seit 1995 allen Säuglingen und Kleinkindern. Zwar ist das Erkrankungsrisiko für Säuglinge relativ gering, aber im Fall einer Erkrankung kommt es im Säuglings- und Kindesalter bei bis zu 90% zu einem chronischen Verlauf. Bei Erwachsenen sind es etwa 10%. Eine Impfung ist auch im Erwachsenenalter möglich.
Eine Impfung gegen HBV schützt auch vor HDV, denn das Hepatitis D-Virus benötigt für die Infektion die Hülle des Hepatitis B-Virus. Hepatitis D tritt daher immer zusammen mit Hepatitis B auf und führt laut RKI in 70 bis 90 % der Fälle zu schweren, chronischen Verläufen.
Neue Medikamente bei chronischer Hepatitis B und D
Ohne Impfung kommt es bei fünf bis zehn Prozent aller HBV-Infektionen zu einer chronischen Hepatitis B, die sich unbehandelt bis hin zu tödlichen Leberzirrhosen und Leberkrebs steigert. Hepatitis B-Viren sind die einzigen aus der Hepatitis-Familie, die zu den sogenannten DNA-Viren zählen, zu denen beispielsweise auch HIV gehört.
DNA-Viren integrieren ihre eigene DNA in das Wirtserbgut, wo diese ein Leben lang bleibt. "Aus diesem Grund kann bisher keine echte Heilung der B-Hepatitis erzielt werden", so Prof. Dr. Eckart Schott, Chefarzt der Gastroenterologie, Hepatologie und Diabetologie des Helios Klinikum Emil von Behring in Berlin, beim Pharmacon-Kongress 2020.
"Funktionelle Heilung" bei HBV & HDV
In Zukunft könne eine funktionelle Heilung möglich sein, so Prof. Schott weiter. Eine Behandlung mit dem Wirkstoff Bulevirtid könnte Studien zufolge eine erfolgsversprechende neue Therapieoption sein.
Bulevirtid wirkt, indem es den Eintritt von HBV und HDV in die Leberzelle blockiert. Der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Zulassungsbehörde (CHMP) hat sich Ende Mai 2020 für die Zulassung des Präparats Hepcludex (Bulevirtid) zur Behandlung chronischer HDV ausgesprochen.
Auch das Medikament Myrcludex-B (Bulevirtid) steht kurz vor der Zulassung, die noch 2020 erfolgen könnte. Entwickelt wurde Myrcludex-B von Forschenden des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF).
Heilen durch Impfen - trotz Hepatitis B-Infektion?
Ein anderer neuer Ansatz, um chronische HBV zu heilen kommt von Forschenden des Helmholtz Zentrums München, der Technischen Universität München (TUM) und des DZIF. Im Mausmodell fand die Gruppe um Prof. Ulrike Protzer heraus, dass Proteine des Hepatitis B-Virus bestimmte Immunzellen des Körpers, sogenannte CD8-T-Zellen, hemmen. Dadurch kann sich der infizierte Körper nicht wirksam selber wehren.
Da setzt die neue Therapie an: Laut DZIF wird erst "die Bildung der Virusproteine unterdrückt, um anschließend die Immunzellen durch eine Impfung zu aktivieren." Bei Mäusen hat das in einer Studie bereits funktioniert. Ab 2021 soll der neu entwickelte Impfstoff mit dem Namen TherVacB in einer zweijährigen klinischen Studie erprobt werden.
Es gibt also gute Gründe zur Hoffnung, dass künftig für alle Hepatitis-Viren-Infektionen Ansätze zur Heilung gefunden werden können.