Person mit ausgestreckten Armen steht bei Ebbe am Strand vor Sonnenuntergang (Bild: unsplash/Mohamed Nohassi)
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Interview l Selbstwirksam gegen Stress - Meditation: Befreiung aus dem Gedankenkarussell

Stress versetzt Körper & Geist in Leistungsmodus - und macht auf Dauer krank. Meditation soll helfen: Denkenrasen oder Grübeln mal abstellen, ganz im Hier und Jetzt sein. Das klingt gut. Aber wird man davon wirklich entspannter? Und wie schafft man es in Ruhe zu kommen und an… ja, an was eigentlich zu denken? rbb Praxis-Reporterin Carola Welt hat den Psychotherapeuten, Yoga- und Meditationslehrer Steffen Brandt befragt.

Herr Brandt, macht Meditieren generell entspannter?
 
Ja, das wissen wir heute. Die alten Meditationstraditionen aus dem Yoga oder dem Buddhismus haben in ihren Schriften immer behauptet, dass man durch Meditieren ruhiger und ausbalancierter wird - innerlich und körperlich.
Das wurde in den letzten Jahren nun endlich durch Studien bewiesen. Regelmäßiges Meditieren bringt tatsächlich eine messbare Stressreduktion.

Was passiert im Körper, wenn ich meditiere?
 
Durch Meditation wird das Nervensystem erreicht und der Parasympathikus aktiviert. Das ist der Teil des Nervensystems, der für den Aspekt der Entspannung steht. Der Blutdruck kann sinken, die Herzfrequenz, der Atem wird ruhiger und es kann sich ein Wohlgefühl einstellen.
 
Ängstlichkeit und grüblerische Gedanken können reduziert werden, wenn ich länger Meditation praktiziere. Die Stimmung kann sich aufhellen und mit Meditation können wir dem Ausbrennen – dem "Burnout" - vorbeugen.
 
Man erfährt das, was man in der Psychologie "Selbstwirksamkeit" nennt: Dass ich etwas tue und dadurch ein Ergebnis zustande kommt. Dass ich Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen kann.
 
 

Und jetzt ganz konkret: Was tue ich während ich meditiere?
 
Jede Meditation startet als Konzentrationsübung. Es geht darum, seine Aufmerksamkeit über längere Zeit auszurichten. Und dann ist wichtig, dass man das regelmäßig übt.
Man kann nämlich seine Aufmerksamkeit mit einem Muskel vergleichen: Wenn er nicht benutzt oder wenn er nicht trainiert wird, wird er schwächer. Meditation ist dazu da, diesen "Muskel Aufmerksamkeit" zu stärken.

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Auf was richte ich nun meine Aufmerksamkeit? Heißt Meditieren, an "Nichts" zu denken?
 
Ich denke nicht an "nichts", wie viele meinen [lacht].
Es geht darum, einen guten Fokus zu finden, der auch zu einem passt, ein Meditationsobjekt oder -thema.
 
Wenn meine Klienten oder Klientinnen meditieren lernen möchten, dann mache ich oft einen Vorschlag. Meistens ist es der Atem. Und man kann sich dann auf einen Bereich konzentrieren, wo man den Atem gut spüren kann, z.B. auf den Brustraum oder den Bauchraum. Oder man kann sich auf Worte oder auf Fragen ausrichten.
 
Es gibt auch Meditationen, wo bestimmte Körperbereiche im Fokus stehen. Man sollte etwas finden, was zur Person passt. Ich erkläre die Übungen im Vorfeld. Und dann geht es tatsächlich schon in die Praxis.

Warum soll ich überhaupt die Gedanken auf etwas richten?
 
Im Alltag ist unser Geist oft sehr diffus und dynamisch. "Monkey-Mind" wird er deshalb in den Meditationstraditionen manchmal genannt. Gemeint ist damit, dass die Gedanken quasi von Ast zu Ast springen. Deshalb gilt es, den Geist anzubinden und auszurichten. Wir helfen ihm damit, weniger wirr und aufgeregt zu sein.
 
Mit dem Einstieg in die Ausrichtung entsteht die Möglichkeit, aus dem Kopfkino auszusteigen. Man lernt, dass man aus negativen Gedankenschlaufen, unangenehmen Gefühlen oder Körperempfindungen "rausgehen" kann; aus meiner diffusen Aufmerksamkeit oder meinen automatisierten Handlungen.
 
Daran kann man erkennen, dass Meditation mehr ist als bloß ein Entspannungsverfahren. Man lernt durch Meditation auch, im Alltag ausgerichteter zu sein. Also mitzubekommen, was in unserem Kopfkino alles gespielt wird. Sodass wir verstehen, was uns den Alltag schwer macht, was uns in den Stress führt.

Wie lernt man zu meditieren?
 
Meditation ist durchaus simpel, man kann darüber lesen und das relativ gut verstehen. Aber wenn man sich hinsetzt, um das zu praktizieren, merkt man oft schnell, dass es nicht so einfach ist, wie es klingt: Plötzlich sind da Hunderte von Gedanken, die das Ausrichten erschweren. Deshalb geht es auch um die Frage: Wie kann ich dabeibleiben? Wie kann ich mit Enttäuschung oder Frust, der da vielleicht entsteht, umgehen? Und da ist es gut, eine Gruppe zu haben.
 
Mittlerweile gibt es auch ausgereifte Apps, die dieses Problem kennen. Und die versuchen, uns darin zu unterstützen, am Ball zu bleiben. Und trotzdem ist eine persönliche Begleitung oft sehr hilfreich.
Auch wenn es darum geht, mit dem inneren Schweinehund umzugehen oder wenn persönliche Fallstricke auftreten und beginnen, uns beim Meditieren im Weg zu stehen. Auf jeden Fall sollten Menschen mit psychischen Problemen besser in Begleitung meditieren lernen.

Empfehlen Sie allen Ihren Klienten und Klientinnen zu meditieren, um entspannter zu werden?
 
Es braucht schon eine Offenheit dafür. Und es ist für viele gut, zu meditieren. Aber wenn wir uns hinsetzen und still werden wollen, merken wir meist erst mal, wie laut es in uns ist. Das macht es nicht immer leicht.
 
Eine Yogapraxis hat da den Vorteil, dass die Meditationsübung nicht am Anfang steht, sondern dass sie Schritt für Schritt vorbereitet wird. Man macht erst mal Körperübungen, später Atemübungen und dann erst meditiert man.
Manche mögen es aber lieber, sich gleich hinzusetzen. Oder üben Gehmeditation. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, still zu werden. Da ist Meditation sicherlich nur ein Weg. Auch die klassischen Entspannungsverfahren machen ruhig, wie z.B. Progressive Muskelrelaxation oder Autogenes Training.

Wie sieht eine gute Meditationspraxis aus? Brauche ich Räucherstäbchen? Muss ich eine spezielle Sitzhaltung einnehmen?
 
Das gehört zu den vielen Mythen rund um Meditation. Man braucht keine Räucherstäbchen, keine Musik. Man muss nicht gelenkig sein und sich auf ein Sitzkissen zwängen, sondern kann möglichst aufrecht auf einem Stuhl sitzen oder auch liegen, vorausgesetzt man schläft nicht ein.

Und wie ist es mit dem Zeitaufwand?
 
Wenn man tatsächlich alleine beginnen wollte, was ich so nicht empfehlen würde, würde man die ersten Tage mit fünf Minuten beginnen. Dann sollte man relativ bald auf 15 Minuten Sitzen kommen.
 
4 - 5 Mal die Woche wäre gut zu meditieren. Am besten morgens - innerhalb der Morgenroutine - oder abends.

Was hat es mit der "Erleuchtung" durch Meditation auf sich?
 
Noch so ein Klischee … [lacht].
Ich kann sagen, dass Meditation weit mehr ist als ein Entspannungsverfahren. Dass man weit subtilere Prozesse in sich wahrnehmen und durch die konzentrierte Ausrichtung des Geistes auch in eine Versenkung kommen kann. Und dass dann tatsächlich tiefere Erkenntnisse über uns und über das gewählte Meditationsthema möglich sind.

Vielleicht noch etwas konkreter: Was können Meditierende erwarten?
 
Menschen, die meditieren, erzählen mir ihre Erfahrungen häufig so: Nach einiger Zeit empfinden sie oft, dass sie schneller ruhig werden, während sie meditieren. Dass sie innerlich berührende Körpererfahrungen machen. Dass sie das Gefühl haben, ausbalancierter und kraftvoller zu werden.
 
Kurz: Dass sie merken, es tut ihnen gut. Und dass manchmal ganz erstaunliche, vertiefte Gefühle auftauchen. Und schließlich, dass sie danach zufriedener sind, mehr Freude empfinden oder auch der Welt freundlicher begegnen.

Herr Brandt, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Carola Welt

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