Emotion beeinflusst Gedächtnis: 3D-Grafik eines Hirns (Bild: imago/Alexander Limbach)
Bild: imago/Alexander Limbach

Interview | Gefühle & Gehirn - Wie beeinflussen Emotionen das Gedächtnis?

Manche Dinge erinnern wir das ganze Leben. Anderes vergessen wir. Welche Rolle Gefühle und die Psyche beim Erinnern haben, können Sie hier nachlesen.

Die bestandene Führerscheinprüfung oder der 60. Geburtstag - es gibt Ereignisse im Leben, an die sich Menschen gut erinnern können. Manche bleiben ein Leben lang im Kopf - selbst bei Demenz.
 
Und dann gibt es Sachen, die regelrecht aus dem Gedächtnis verschwunden sind, die wir vergessen. Prof. Dr. Lars Schwabe, Professor für Kognitionspsychologie an der Universität Hamburg, weiß, warum an diesem Prozess Emotionen einen großen Anteil haben. Wir haben nachgefragt.

Wie wirken sich Emotionen aufs Erinnern aus?

Da gibt es ganz unterschiedliche Effekte. Einerseits wissen wir, dass emotionale Inhalte oder Erlebnisse generell deutlich länger erinnert werden, also eine längere Stabilität oder Erinnerungsfähigkeit haben.
Damit ist verbunden, dass sie zum Teil auch als lebendiger wahrgenommen werden. Das ist aber wirklich nur der subjektive Eindruck.
 
Wenn man sich die objektive Qualität der Erinnerungen anschaut, dann sieht man, dass sie mitunter auch ein Stück weit unschärfer sind. Das ist zunächst erst mal bezogen auch die Gedächtnisbildung für emotionale Erinnerungen.
 
Zudem weiß man, dass der Abruf von Erinnerungen, sozusagen die Erinnerungsleistung, durch Emotionalität beeinflusst wird. Da ist es so, dass sehr starke emotionale Erregung, zum Beispiel Stress, sich eher nachteilig auf den Gedächtnisabruf auswirkt. Das führt dazu, dass wir uns zum Beispiel an stressige Situationen weniger erinnern, das kennt man vielleicht aus Prüfungssituationen.

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Was passiert eigentlich im Gehirn, wenn wir starke Gefühle haben?

Das passiert eine ganze Menge: Es werden verschiedenste Hormone und Neurotransmitter, also verschiedenste Botenstoffe, ausgeschüttet. Ganz besonders wichtig sind hier Katecholamine, zum Beispiel Noradrenalin oder auch Dopamin.
 
Diese aktivieren verschiedene Hirnregionen. Wir wissen, dass die Amygdala eine ganz zentrale Region für die Emotionsverarbeitung spielt, aber auch für den Einfluss von Emotionen auf Gedächtnisprozesse. Die Amygdala ist sowohl wichtig für positive als auf negative Erfahrungen.
 
Es kommen aber natürlich auch noch weitere Regionen hinzu, wie zum Beispiel die Insula, die unter anderem die Erregungszustände auf der Peripherie repräsentiert, aber auch generell an der Emotionsverarbeitung beteiligt ist.
Zudem spielen Regionen der Basalganglien, wie zum Beispiel das ventrale Striatum eine wichtige Rolle, was vor allen Dingen auf Belohnungssignale stark reagieret.
 
Also das heißt, dass es bestimmte Regionen gibt, die die Emotionen ganz maßgeblich mitverarbeiten und dass die dann gedächtnisrelevante Hirnregionen, wie zum Beispiel den Hippocampus - der eine ganz zentrale Region ist für unser episodisches, alltägliches Erinnern ist - modulieren können. Man sagt, dass diese die Gedächtniseinspeicherung mitregulieren oder auch unterregulieren können.

Positiv vs. negativ: Mit welchen Emotionen setzt sich eine Erinnerung eher durch?

Wenn man es ganz allgemein anschaut, würde man sagen: Bei negativen Erfahrungen sind die Effekte noch etwas stärker. Die Einschränkung ist aber, dass das maßgeblich von der Intensität oder dem Erregungsniveau abhängig ist.
 
Also, wenn man jetzt ein sehr starkes, positiv konnotiertes Ereignis hat, wie zum Beispiel die Hochzeit oder den Geburtstag und das vergleicht mit eher alltäglichen Ärgernissen, dann ist sehr wahrscheinlich, dass diese positiven Ereignisse tatsächlich besser erinnert werden.
 
Wenn man jetzt ganz allgemein schaut, dann würde man sagen, dass eher die negativen Ereignisse erinnert werden. Aber noch mal: Das hängt nicht mit der [Wertigkeit] zusammen, sondern wahrscheinlich mit dem Erregungsniveau.

Werden emotional verknüpfte Erinnerungen länger im Langzeitgedächtnis gespeichert?

Also eine grundsätzliche Frage dazu ist, ob Erinnerungen überhaupt verschwinden. Es wird sehr häufig von dem Vergessen ausgegangen, jedoch wird in der Literatur relativ kontrovers diskutiert, inwieweit es wirklich ein echtes Vergessen gibt.
 
Wenn wir diese Frage ein bisschen ausklammern und uns die Erinnerbarkeit von Erfahrungen, die lange zurückliegen, anschauen, dann ist es so, dass emotional erregende Inhalte typischerweise länger auch bewusst erinnert werden, als nicht emotionale Inhalte.

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Gefühle "erzeugen", um sich etwas zu merken - geht das?

Ist es möglich, Emotionen künstlich zu erzeugen, um sich Dinge besser merken zu können - also sozusagen eine künstliche Verknüpfung zu schaffen?
 
Ja, man kann auf jeden Fall emotionale Zustände herbeiführen, zum Beispiel mit Musik oder durch bestimmte Filmausschnitte. Oder man versucht, sich bewusst in vergangene Momente hineinzudenken.
 
Auch kleine Dinge, wie bestimmte Wörter können zu einer zusätzlichen Emotionalität beitragen. Dabei ist es aber auch wichtig, dass die Dinge, die wir lernen, und die Emotionalität direkt miteinander verbunden sind.
Zum Beispiel wissen wir, dass stressige Erfahrungen an sich besser erinnert werden, aber wenn wir was lernen, und dabei gestresst werden und der Stress mit dem Lernen überhaupt nichts zu tun hat, hat dies einen negativen Effekt.

Wie wirkt Stimmung auf Erinnerungsvermögen?

Ist es auch möglich, dass einem in einer positiven Stimmung eher schöne Sachen einfallen und in einer negativen Stimmung eher schlechte?
 
Das Zusammenspiel [der Stimmung], in der wir eine bestimmte Sache wahrnehmen und die Abrufsituation spielen eine Rolle.
 
Da gibt es ein Phänomen, das nennt sich moodcongruent memory.
Das bedeutet, wenn wir während der Lernerfahrung und während der Abrufsituation in der selben emotionalen Verfassung sind, kann sich das günstig auf die Erinnerungsleistung auswirken.
Unserer innerer Zustand und unsere Emotionalität ist ein Hinweisreiz.
 
Es gibt noch ein weiteres Phänomen, das nennt sich mooddependend memory.
Da ist es so, dass wir in einem bestimmten emotionalem Zustand typischerweise vermehrt Sachen erinnern, die zu diesem emotionalen Zustand passen.
Wenn wir besonders traurig gestimmt sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass wir negative emotionale Inhalte erinnern werden [Anm. d. Red.: Viele Betroffene bezeichnen das als Gedankenspirale oder Gedankenkarussell].
 
Das ist ein Phänomen, was auch im Kontext von Depressionen interessant sein könnte.

Herr Prof. Dr. Schwabe, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Laura Will.

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