Analyse | Trainerwechsel bei Alba Berlin - Eine überfällige Überraschung
Die Trennung von Alba Berlin und Head Coach Gonzalez kam trotz des anhaltenden Misserfolgs zu einem unerwarteten Zeitpunkt. Und doch bleibt es die richtige Entscheidung, Richtung Saisonende auf neue Impulse zu setzen. Von Lukas Witte
Mehr Niederlagen als Siege und ein zwölfter Tabellenplatz in der Bundesliga, abgeschlagener Letzter in der Euroleague und im Pokal war bereits im Viertelfinale Schluss – so lautet die historisch schlechte Bilanz des elffachen deutschen Basketball-Meisters Alba Berlin vor dem Anbruch des letzten Saisondrittels.
Dass bei einer anhaltenden sportlichen Krise früher oder später der Trainer die Koffer packen muss, überrascht wenig. Viele Teams hätten vermutlich sogar viel früher die Reißleine gezogen. Und doch kam die Trennung von Israel Gonzalez zum jetzigen Zeitpunkt unerwartet.
Entlassung schien eigentlich vom Tisch
Zum einen hatte sich Alba gerade wieder ein wenig stabilisiert. Nach drei Siegen in Folge gab es zuletzt zwar eine Niederlage in Ulm, bei der sich die Berliner jedoch teuer verkauften und den aktuellen Spitzenreiter immerhin bis in die Overtime zwangen. Damit kann man in der aktuellen Situation ganz gut leben, zumal es eine der besten Phasen des Teams der gesamten Saison ist.
Zum anderen war Sportdirektor Himar Ojeda auch während deutlich schwierigerer Zeiten nie müde geworden, seinem langjährigen Freund Gonzalez den Rücken zu stärken und keine Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass der der richtige Coach für das Team ist.
Selbst als Anfang des Jahres sein jetziger Nachfolger Pedro Calles verpflichtet wurde – damals noch als Assistenztrainer – und damit alle fest von einem bevorstehenden Trainerwechsel ausgingen, stellte Ojeda noch klar: "Wir glauben an Israel und seine Arbeit als unser Head Coach. (…) Wir wollen auch über den Sommer hinaus mit ihm weiterarbeiten."
Elf Spieltage vor dem Saisonende muss Gonzalez nun aber doch gehen. Vermutlich, weil auch Ojeda sich langsam eingestehen musste, dass dem langjährigen Coach (290 Spiele als Cheftrainer bei Alba, fast genauso viele als Assistenztrainer) wohl nicht mehr die Wende gelingen würde.
Ein (zu) großes Erbe
2017 bereits kam Gonzalez nach Berlin, arbeitete zunächst als Assistenztrainer unter dem großen Alejandro "Aito" Garcia Reneses. Der Coach mit dem klangvollen Namen hat bis heute einen besonderen Platz im Herzen der Alba-Fans, schließlich formte er eine der erfolgreichsten Mannschaften der Klub-Geschichte und holte mit dieser zwei Meisterschaften in Folge und einen Pokalsieg, zudem führte er den Klub im Eurocup 2019 in ein europäisches Finale.
Garcia prägte einen unberechenbaren, unkonventionellen und freien Spielstil auf dem Parkett. Viele Spieler profitierten davon und legten eine beeindruckende Entwicklung hin. Das machte Berlin europaweit für große Talente attraktiv – nicht des Geldes wegen, sondern um unter dem Spanier spielen zu dürfen.
Als 2021 dann Gonzalez in die zugegebenermaßen großen Fußstapfen seines Lehrmeisters trat, schien es erst einmal nahtlos so weiterzugehen. Direkt in der ersten Saison gelang ihm das Double aus Meisterschaft und Pokal. Im Nachhinein muss man sich allerdings fragen, wie sehr er dabei noch von der Vorarbeit Aitos profitierte. Es sollten schließlich die vorerst letzten Titel für Alba bleiben.
Fehlende Konstanz, keine Entwicklung und Verletzungspech
Anders als seinem Vorgänger gelang es Gonzalez nach großen Umbrüchen im Kader nicht, für Konstanz zu sorgen. Immer wieder gab es extreme Leistungseinbrüche - mal von Tag zu Tag, mal auch innerhalb einer einzelnen Partie. Für Letzteres kann durchaus auch das In-Game-Coaching von Gonzalez verantwortlich gemacht werden. Immer wieder stand er für fragwürdige Rotationen, zu späte Timeouts und seltsame taktische Entscheidungen in Schlüsselmomenten in der Kritik.
Zudem verlor Alba zuletzt den Stil, der während der goldenen Ära Aitos zum Erfolg geführt hatte. Statt frei und losgelöst traten die Berliner zuletzt eher verkrampft und erzwungen auf, es fehlte eine klare Spielphilosophie. Auch große individuelle Entwicklungssprünge der Profis blieben aus. Dadurch war es auch für Sportdirektor Ojeda schon länger schwieriger, vielversprechende Basketballer an die Spree zu locken.
Dass es nun in dieser historisch schwachen Saison gipfelte, liegt sicherlich auch am großen Verletzungspech. Monatelang musste Gonzalez immer wieder auf Leistungsträger verzichten, hatte so gut wie nie Zugriff auf das gesamte Spielerpotenzial.
Ein ungewöhnlicher Vorteil
Und doch kann das keine Ausrede für die grundsätzliche Entwicklung sein. Klar ist: Mit dem aktuellen Kader würde Alba wohl unter jedem Trainer am Tabellenende der Euroleague rangieren. Für mehr ist das Portemonnaie einfach nicht groß genug. Aber dass in der Bundesliga erstmals in der Vereinsgeschichte die Playoffs verpasst werden könnten, ist kaum zu erklären. Schließlich verfügen die Berliner immer noch über den offiziell zweithöchsten Etat der Liga.
Nun soll es also Pedro Calles richten. Seit Januar ist er Teil des Trainerstabs und rückt jetzt hoch in die Chefrolle. Die ist für ihn keine unbekannte, vor seiner Zeit bei Alba war der Spanier sechs Jahre lang als Head Coach tätig, hatte zuletzt allerdings beim Ligakonkurrenten Oldenburg ebenfalls einen schwachen Saisonstart zu verantworten.
Dass er daraufhin einen Schritt zurück ging und "nur" als Assistenztrainer nach Berlin kam, war eine durchaus ungewöhnliche Entscheidung beider Seiten. Nun könnte genau die aber zum großen Vorteil werden. Schließlich kennt er Mannschaft und Strukturen bereits, muss sich nicht mehr groß einleben und kann möglicherweise schnell die nötigen Impulse geben.
Playoffs weiter in Reichweite
Die Vorzeichen stehen für Calles zumindest nicht schlecht. Noch ist genug Zeit, um Alba in die Playoffs zu führen. Im engen Mittelfeld der Bundesliga reichen in den verbleibenden elf Spielen vermutlich schon ein paar Siege aus, um den nötigen Sprung in der Tabelle zu schaffen. Zudem hat Alba die großen Brocken bereits hinter sich, im Restprogramm warten viele vermeintlich machbare Gegner. Und anders als sein Vorgänger kann Calles gleich zum Start auf eine einigermaßen fitte und eingespielte Mannschaft aufbauen.
Seine Premiere im neuen Amt gibt er am Donnerstagabend direkt auf der großen Bühne der europäischen Königsklasse. Auch wenn es in der Euroleague für Alba nicht mehr viel zu holen gibt, ist es eine gute Chance, dem heimischem Berliner Publikum gleich eine neue Handschrift zu präsentieren.
Sendung: Der Tag, 12.03.2025, 19:15 Uhr
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