Herthas 5:1-Sieg in Braunschweig - Im Torrausch aus der Krise?
Mit einem großen Knall hat Hertha BSC die Talfahrt in der 2. Bundesliga beendet. In Braunschweig überzeugten die Berliner endlich mal wieder von vorne bis hinten. Und doch sind die Abstiegssorgen weiter präsent. Von Lukas Witte
Manchmal kann es im Fußball ganz schnell gehen. Letztes Wochenende noch hängende Köpfe, Wut, versteinerte Mienen und Pfiffe im Olympiastadion – Hertha BSC am Abgrund, die schlechteste Mannschaft des Jahres 2025 und die 3. Liga plötzlich ein realistisches Szenario.
Und nun, nur eine Woche später: Torrausch, grenzenloser Jubel und Optimismus. Das Leiden der letzten Wochen und Monate ist für den Moment vergessen.
Pure Erleichterung
Es waren Emotionen, die viele Hertha-Fans wohl schon längst vergessen hatten. Gewonnen hatte die Mannschaft zuletzt vor sieben Spieltagen. Dass Hertha einen Gegner mit fünf Treffern vom Platz fegt, gelang zuletzt vor einem Jahr.
"Wir sind den Fans im ein oder anderen Spiel in der Rückrunde vieles schuldig geblieben", sagte Doppeltorschütze Fabian Reese nach dem Abpfiff. "Wir arbeiten hart daran, auch mal was zurückzugeben. Das war der erste Schritt heute." Und auch bei seinem Trainer Stefan Leitl fiel nach dem ersten Sieg im neuen Amt wohl einiges an Druck ab: "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht erleichtert wäre."
Oft war in den vergangenen Wochen darüber spekuliert worden, ob der Kader - der eigentlich zusammengestellt worden war, um oben mitzuspielen - den Abstiegskampf annehmen und standhalten könne. Ein berechtigter Zweifel, schließlich wirkte Hertha noch am letzten Wochenende völlig verunsichert, vergab gegen Schalke eine Großchance nach der anderen.
Plötzlich gnadenlos effizient
Dass jetzt ausgerechnet in einem wegweisenden Spiel gegen einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf fünf Tore und eine unheimlich effiziente Chancenverwertung die Antwort auf die Zweifel sind, macht Mut. Das Horrorszenario - Abstieg in die 3. Liga - könnte bei solchen Leistungen schon bald vom Tisch sein.
Bei 2,3 lag der Expected-Goals-Wert für Hertha nach dem Spiel. Tatsächlich landete der Ball aber bei fast jeder Chance im Netz und die Berliner trafen am Ende sogar fünf Mal. Von Beginn an hatten die Gäste aus der Hauptstadt die völlige Spielkontrolle und kombinierten sich immer wieder in den Sechzehner. Gegen einen zugegebenermaßen erschreckend defensivschwachen Gegner.
Von den zahlreichen ziellosen Flanken der letzten Wochen, die wenn überhaupt nur zufällig einen Abnehmer fanden, war im Angriffsspiel plötzlich kaum mehr etwas zu sehen. Stattdessen präsentierte sich das Team von Stefan Leitl überraschend zielstrebig.
Offensiv-Leader Reese und ein Gemeinschaftsprodukt
Wie gewohnt überzeugte einer besonders: Fabian Reese schnürte nicht nur einen Doppelpack, bei dem vor allem der Lupfer mit Effet zum 4:0 technisch herausstach. Für die Braunschweiger war er auch sonst eine kaum zu bändigende Offensivgefahr. Zum Erfolg trug auch bei, dass nicht nur auf Reese Verlass war.
Trainer Leitl stellte ihm mit Derry Scherhant einen ebenso spielfreudigen Angreifer an die Seite, statt ihm wie einen echten Neuner zur Seite zu geben wie zuletzt Luca Schuler. Und das ging voll auf. Gegen die sprintschwache und unkonzentrierte Braunschweiger Defensive setzte sich Scherhant immer wieder im Dribbling durch und suchte den Weg in den Strafraum. Am Ende steuerte er zwei Vorlagen und ein Tor zum Sieg bei.
"Es war ein sehr wichtiges Spiel für uns. Die Mannschaft hat sich unter der Woche zusammengeschweißt. […] Jeder wusste, wie er hier reingehen will und was er für eine Leistung bringen will", erklärte der Angreifer nach dem Abpfiff.
Es lief nicht nur offensiv gut. Endlich zeigte Hertha von vorn bis hinten eine reife Leistung. Die Laufarbeit und Rückwärtsbewegung des gesamten Teams stimmten. Die Dreierkette aus Marton Dardai, Toni Leistner und Linus Gechter verteidigte souverän jegliche Angriffsbegehren der Gastgeber weg. Auch bei Marten Winkler dürfte die Erleichterung groß gewesen sein: Er kam als Joker ins Spiel und traf erstmals seit dem 19. Spieltag wieder.
Neue Luft, aber noch nicht am Ziel
Hertha kann also Abstiegskampf, dass haben sie in Braunschweig eindrucksvoll bewiesen. Doch war der 5:1-Achtungserfolg tatsächlich die Erlösung aus der sportlichen Krise? "Heute wurde nicht der Auf- oder Abstieg entschieden", beantwortet Fabian Reese diese Frage. "Aber heute wurde ein wichtiges Spiel gewonnen. Und das war unsere Pflichtaufgabe."
Auf jeden Fall haben sich die Berliner in der Tabelle etwas Luft verschafft und zudem mit Braunschweig einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf demoralisiert. Sechs Punkte beträgt nun der Vorsprung auf die Niedersachsen, die sich auf dem Relegationsplatz befinden.
Stefan Leitl und sein Team sollten nun alles daransetzen, diese starke Leistung über die Länderspielpause zu konservieren und sie auch in zwei Wochen gegen Karlsruhe auf den Platz zu bringen.
Erstens weil die Fans nach monatelangem Warten endlich wieder einen Heimsieg verdient hätten. Zweitens weil mit Braunschweig und Münster die beiden direkten Verfolger aufeinandertreffen. Ein Sieg gäbe der Hertha die Möglichkeit, sich weiter abzusetzen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 16.03.2025, 16:15 Uhr