Dritte Runde im Tarifstreit - Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst gescheitert - Schlichtung soll folgen

Mo 17.03.25 | 22:14 Uhr
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Oliver Bandosz (l-r), Tarifexperte bei Verdi, Christine Behle, Stellvertretende Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Werneke (r), Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, und Volker Geyer, Verhandlungsführer für den deutschen Beamtenbund (dbb), kommen zur Fortsetzung der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst im Kongresshotel Am Templiner See. Verhandelt werden die Entgelte für die Tarifbeschäftigten des Bundes und der kommunalen Arbeitgeber, deren Arbeitsverhältnisse durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) geregelt sind. (Quelle: dpa/Gateau)
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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 18.03.2025 | Tim Jaeger | Bild: dpa/Gateau

Gewerkschaften und Arbeitgeber konnten sich bei den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst am Montag nicht einigen. Nun soll ein Schlichter vermitteln. Zuvor hatten die Arbeitgeber ein neues Angebot vorgelegt.

Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen sind vorerst gescheitert. In dem Tarifstreit werden nun unabhängige Schlichter nach einer Lösung suchen. Das kündigte die Verhandlungsführerin des Bundes, Innenministerin Nancy Faeser (SPD), am Montag in Potsdam an.

Die Schlichter müssten bis nächste Woche zusammentreten und bis Anfang April einen Schlichtungsvorschlag vorlegen. Sollte auch der auf Ablehnung treffen, wäre der Weg für bundesweite Streiks zum Auftakt der Osterferien frei.

Warnstreiks darf es während der Schlichtung nicht geben. Vor Beginn der Schlichtung kann es noch vereinzelt Warnstreiks geben - so wie am Dienstag in Kiel, wo sich 1.500 Beschäftigte zu einem Streikfrühstück trafen. Aktionen mit großen Auswirkungen in Kitas, Kliniken oder bei Verkehrsbetrieben sind aber nach Angaben der Gewerkschaft Verdi vorerst nicht mehr geplant.

Verfahren nach festen Regeln

Die Schlichtung ist ein Vermittlungsverfahren nach festen Regeln, das Gewerkschaften und Arbeitgeber für solche Fälle vereinbart haben. Während der Schlichtung gilt die sogenannte Friedenspflicht - also der Verzicht auf Warnstreiks. Die Arbeitgeber benannten als Schlichter den früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), die Arbeitnehmerseite den früheren Bremer Finanzstaatsrat Hans-Henning Lühr (SPD).

Beraten wird in einer Schlichtungskommission, in der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in gleicher Zahl vertreten sind. Die Kommission muss binnen einer Woche nach ihrem ersten Zusammentreten eine Empfehlung beschließen. Kann sie sich nicht einigen, gibt der stimmberechtigte Schlichter den Ausschlag, in diesem Fall Koch.

Dann geht die Empfehlung zurück in eine weitere Verhandlungsrunde, die nach Faesers Worten für Anfang April zu erwarten ist. Entweder die Runde nimmt das Ergebnis an oder verhandelt nach. Sollte das Ergebnis für eine Seite unannehmbar sein, kann die Urabstimmung eingeleitet werden - mit der Option auf unbefristete Streiks.

Tarifpartner bedauern Scheitern

Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände Karin Welge (SPD) sagte, die Arbeitgeber hätten sich in den Verhandlungen bewegt. Die Gewerkschaftsforderungen seien für sie in der geforderten Dimension aber nicht leistbar. "Ich erwarte jetzt aber auch von den Gewerkschaften Kompromissbereitschaft, damit wir am Ende einen guten Abschluss im Sinne der Beschäftigten haben werden", sagte Innenministerin Nancy Faeser.

Frank Werneke, Chef der Gewerkschaft Verdi, bedauerte das Scheitern und sagte, er habe dafür "in keinster Weise Verständnis". Werneke sprach von konstruktiven Verhandlungen mit zahlreichen Annäherungen. Die Unterschiede, die noch auf dem Tisch gelegen hätten, seien nicht groß gewesen. Die Arbeitnehmerseite sei vorbereitet gewesen, die ganze Nacht zu verhandeln und habe auch eine vierte Verhandlungsrunde angeboten.

Arbeitgeber haben 5,5 Prozent mehr Geld geboten

Während der Verhandlungsgespräche hatten die Arbeitgeber von Bund und Kommunen eine Entgelterhöhung von 5,5 Prozent angeboten. Dies erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Verhandlungskreisen. Die ursprüngliche Forderung der Gewerkschaften lautete auf acht Prozent Entgelterhöhung.

Darüber hinaus habe die Arbeitgeberseite ein höheres 13. Monatsgehalt sowie höhere Zulagen für Schichtdienste in Aussicht gestellt, hieß es aus Verhandlungskreisen. Außerdem werde neben etlichen weiteren Punkten ein Wahlmodell für Beschäftigte diskutiert, mit dem sie Teile der Jahressonderzahlung in freie Tage umwandeln könnten. Die Rede war von einem "Zeit-statt-Geld-Modell".

Neue Vorschläge auch von Gewerkschaftsseite

Die dritte Verhandlungsrunde lief seit Freitag. Der Fortschritt war zäh, es sah aber laut Arbeitgeberseite nach einer Annäherung aus. "Der Spalt ist deutlich geringer geworden", sagte die Verhandlungsführerin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, Karin Welge, am Montag in Potsdam.

Verhandelt wird über das Einkommen und die Arbeitszeit von mehr als 2,5 Millionen Beschäftigten von der Kita bis zur Müllabfuhr. Die Gewerkschaften Verdi und dbb Beamtenbund forderten ursprünglich eine Tariferhöhung um acht Prozent, mindestens aber 350 Euro mehr im Monat, sowie mindestens drei zusätzliche freie Tage pro Jahr. Im Laufe des Sonntags machten sie neue Vorschläge.

Der brandenburgische Städte- und Gemeindebund plädiert für einen maßvollen Tarifabschluss. Verbandspräsident Hermann sagte im rbb24 Inforadio am Montag, er setze auf einen Kompromiss. Die Einnahmen der Kommunen stagnierten momentan.

Knackpunkt: Mehr freie Tage

Den Arbeitgebern von Bund und Kommunen - Verhandlungsführer sind das Bundesinnenministerium und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber VKA - sind die ursprünglichen Gewerkschaftsforderungen Forderungen zu teuer. Allein die Kernforderungen der Gewerkschaften beziffern sie für die Kommunen auf 15 Milliarden Euro im Jahr.

Die Arbeitgeber stoßen sich auch an der Forderung nach mehr freien Tagen. Sie argumentieren, dann müssten sie womöglich Dienste einschränken - zum Beispiel Kita-Öffnungszeiten.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 18.03.2025, 19:30 Uhr

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293 Kommentare

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  1. 293.

    Es ist beim AG-Angebot nicht mal klar, ob sich das auf ein Jahr Laufzeit bezieht oder auf 28 Monate. Davon abgesehen: die Gewerkschaften machen am Anfang immer ein großes Theater. Bei der letzten Verhandlung zum aktuellen Tarif hatte der Arbeitgeber einen sehr vernünftigen Vorschlag gemacht, der hochmütig abgelehnt wurde. Zum Schluss kam weniger raus. Zum Thema drei Tage extra Urlaub ist doch klar, die kann ich mir auch durch Krankheit holen. Abgesehen von den höheren Sozialabgaben, und der Inflation, wäre eine tatsächliche Lohnsteigerung allerdings nötig, damit das, was die Politik seit 20 Jahren verbockt hat auch mal wieder „ausgeglichen“ werden kann. Man sollte halt nicht nur blau machen, sondern auch mal blau wählen, damit sich insgesamt was ändert.

  2. 292.

    ver.di vertritt mit seiner untragbaren Vorstellung von 8 % mehr Gehalt im öffentlichen Dienst geradezu utopische Forderungen, die allen Steuerzahlern zum Nachteil gereichen und die Inflationsspirale in die Höhe treiben wird. Es wäre gut, wenn sich Gehaltserhöhungen - wie in der mittelständischen Wirtschaft - am Erfolg und der Serviceleistung einer Unternehmung und damit am Arbeitswillen der dort Beschäftigten misst. Würden Serviceleistung, Krankenstand, Arbeitstage im Fokus der Betrachtung stehen, müsste diese Tarifrunde maximal mit einer „Null“ vor dem Komma beginnen und enden! Und wie real - angesichts des Mangels an Arbeitskräften - ist denn bitte eine Verminderung der jährlichen Arbeitszeit um drei Arbeitstage?! Auch Gewerkschafter leben doch nicht in einem kindlich verklärten Bullerbü, sondern in der Realität!

  3. 291.

    Ja, meinen Sie die, die nach dem Mauerfall wieder in den Osten zurückgekommen sind. Na, danke!

  4. 289.

    Hören sie doch auf mit diesem albernen "Knochenjob". Jobs bei der BSR sind wie Goldstaub, da kündigt niemand freiwillig. Für einen 8.Klasse-Schulabgänger ist die BSR das Beste, was ihm passieren konnte.

  5. 288.

    Damit man mal weiß, warum überhaupt 8% Steigerung gefordert wurden:
    Nach den statistischen Bundesamt ist das Bruttoinlandsprodukt von 2019 bis 2024 um über 20 Prozent gestiegen.
    Das nur zum aktuellen Tenor, dass es der Wirtschaft schlecht geht.
    Leider ist auch die Inflation (gerade zu Corona) massig gestiegen. Von 2019 bis 2024 um knapp 20 Prozent.
    Daher merkt man vom Wirtschaftswachstum nicht viel: die Wirtschaft wächst, aber das "Mehr" wird von der Inflation fast vollständig aufgefressen.
    Die Gehaltssteigerungen im ÖD in den Jahren 2019 bis 2024 waren aber weit unter dem Durchschnitt der allgemeinen Gehaltssteigerungen. Diese sind in den sechs Jahren zusammen nur um ca. 10% insgesamt gestiegen. Selbst die Rentensteigerungen in diesen Zeitraum waren höher. Die Tarifergebnisse anderer Branchen noch höher.
    Also existiert ein Reallohnverlust aus der Vergangenheit. Und dieser soll halt auf einem Schlag ausgeglichen werden.

  6. 287.

    Tja, mit dem Unterschied ,dass wir jahrzehntelang hart gearbeitet haben.Und immer für Menschen da waren,ohne zu streiken.

  7. 286.

    Hoffentlich wird Ihr Kommentar von vielen gelesen und auch verstanden ( Redakteure die über die Tarifverhandlungen berichten einbezogen).
    5,5 % hört sich "riesig" an, die Wahrheit dürfte unter 2% liegen. Und die sind schon locker durch Erhöhung der Sozialabgaben seit Januar 2025 aufgefressen (z.B. Pflegeversicherung).

  8. 285.

    Ach René.
    Warum schimpfen sie eigentlich immer nur über die Mitarbeiter der BSR.
    Was haben denn die Müllmänner, die einen Knochenjob haben, ihnen angetan.
    Mein Respekt und Wertschätzung haben die Müllmänner und Frauen. Muß man dazusagen, es gibt auch Frauen die diese Job machen.

  9. 283.

    Hallo, "Rote Linie",
    haben Sie eigene Erfahrungen damit gemacht, arbeiten Sie im Vermittlungsbereich oder woher nehmen Sie Ihre Erkenntnisse?
    Aus meiner Sicht scheitern viele Vermittlungsversuche an der mangelnden Qualifizierung, nicht unbedingt am Willen der Antragsteller.

  10. 282.

    Man muss es mal auf den Punkt bringen, diese Tarifverhandlungen zeigen einmal mehr, wie wenig die Dienstherrschaften von Ihren Mitarbeitenden halten. Immer mehr Aufgaben reinkippen, etwaige Lohnerhöhungen dann aber bis zu, Reallohnverlust strecken.
    Dass es im öffentlichen Dienst (vor allem in den Bereichen der Daseinsversorgung) immer mehr zu Personalmangel kommt, liegt halt daran, dass man hier die Mitarbeitenden förmlich hasst.
    So sexy ist es schon längst nicht mehr für den Staat zu arbeiten. Jeder der hier neidvolle Beiträge auf die Segnungen als Mitarbeitender im öffentlichen Dienst postet, darf sich gerne einen Inneblick gönnen, Stellen sind genug offen, nur zu!

  11. 280.

    Dazu passt der Abbruch der dritten Tarifverhandlungsrunde für die Tarifbeschäftigten von Bund und Kommunen, die nun in die Schlichtung geht. Sie hätte für die kommenden drei Jahre effektiven Reallohnverlust gebracht. Was auch immer in der Schlichtung heraus kommt - einen "warmen Regen" darf niemand erwarten. Der Bund hat wie die Kommunen großes Interesse daran, so wenig wie möglich extra aus der Schatulle nehmen zu müssen.

    Die Refinanzierung der Neuverschuldung bzw. das Aufbringen der Tilgung wird Steuererhöhungen brauchen und eine höhere Inflation verursachen. Ich denke mal, man wird einen großen Teil aus der stark steigenden CO²-Steuer ziehen, die ja ähnlich wie die Mehrwertsteuer praktisch überall und für alles erhoben wird. Insofern sehe ich auch ein Anheben der Mehrwertsteuer in der Amtsperiode Merz sehr wahrscheinlich. Mit z. B. 25 % wären wir wenigstens innerhalb der EU mal wieder ganz vorn mit dabei.

  12. 279.

    Hallo Debbie,
    ach, hatten Sie gedacht, die BSR macht für Sie eine Ausnahme im Streik? Ironie aus...

  13. 276.

    Besser wäre, das Geld in Digitalisierung zu stecken als in einen völlig ineffizienten Verwaltungsapparat. Ich kenne einige, die haben noch nicht mal das verdient, was ihnen monatlich bezahlt wird. By the way: Rente war mal bei 63%, nun sind es 48%. Und privat Versicherte sowie Bürgergeldempfänger profitieren von einem Gesundheitssystem, das von normalen AN bezahlt wird. Aber Hand aufhalten geht immer. Wahrscheinlich erhöht die neue Bundesregierung auch erstmal ihre S.g. Diäten - da sind sich ja immer alle und unstrittig parteiübergreifend einig.

  14. 275.

    Ich freue mich schon auf Ostern, keine Flüge volle Tonnen. Der Druck steigt. Schöne Ostern

  15. 274.

    Die Milchmädchenrechnung glaube ich nicht mehr. Nicht der Arbeitnehmer zahlt die Hälfte der Sozialbeiträge, sondern der Arbeitgeber komplett. Der AN bekommt ein Brutto, welches er ja nicht ausgezahlt bekommt, sonder erst nachdem der AG die RV, KV, PV und Av zuzüglich Steuern an den Staat in voller Höhe abgeführt hat, erhält er sein Netto. Bei richtiger Rechnung, zahlt also der AG alles allein. Die, uns seit Jahren eingeimpfte Falschrechnung, belastet also nur die Arbeitgeber. Einfach mal zu Ende denken. Kann nicht jeder.