Bilanz - So waren die ersten 100 Tage SPD und BSW in Brandenburg
Deutschlands einzige Koalition aus SPD und BSW ist knapp 100 Tage im Amt. Ministerpräsident Woidke bezeichnet das Regieren als "geräuschlos". Doch die Koalition produziert immer wieder Misstöne, zeigt die Regierungsbilanz. Von Stephanie Teistler
Der Start für die erste und bisher einzige Koalition aus SPD und BSW im Land verlief nicht ideal. Zwar hatten beide Parteispitzen in Brandenburg diskret miteinander einen Koalitionsvertrag verhandelt und stolz präsentiert. Dennoch brauchte Dietmar Woidke (SPD) zwei Anläufe, um die sowieso schon knappe Mehrheit der Abgeordneten aus SPD und BSW hinter sich zu versammeln. Bei der Wahl zum Ministerpräsidenten im Landtag Mitte vergangenen Dezember fiel Woidke im ersten Wahlgang noch durch. Erst im zweiten klappte seine Wiederwahl.
Neue Kommissionen, neue Ressortzuschnitte
Trotzdem – Woidke bezeichnet die Regierungsarbeit beider Parteien bisher als "geräuschlos". Zu den wenigen handfesten Ergebnissen von "Rot-Lila" gehören seitdem etwa dauerhaft niedrigere Kitabeiträge für Eltern mit mittleren Einkommen – eine Maßnahme, die befristet bereits unter Rot-Schwarz-Grün eingeführt worden war. Angestoßen hat die neue Koalition außerdem bisher zwei Ausschüsse. Der eine macht sich an die Mammutaufgabe "Bürokratieabbau" und hatte bereits eine fachliche Sitzung zum Thema Landwirtschaft. Der andere startete Mitte März und verspricht die Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen während der Pandemie.
Ihre Schwerpunkte haben SPD und BSW auch durch neue Ressortzuschnitte deutlich gemacht. So wanderte das Thema Integration vom Sozial- ins Innenministerium – zum Unmut von Brandenburger Sozialverbänden, die das Thema damit beschnitten sehen. Die Digitalisierung hingegen wurde aufgewertet, ist erstmals in einem eigenen Ministerium zusammen mit dem Thema Justiz aufgegangen. Dass der Klimaschutz hingegen keine eigenständige Abteilung mehr ist, sondern zusammen mit Geldwäscheprävention und Schwarzarbeitsbekämpfung geführt wird, wurde von Umweltverbänden und Bündnisgrünen vehement kritisiert.
Förderung für Energie Cottbus
Auf der Haben-Seite verbucht das Land außerdem die Zusage an den FC Energie Cottbus, dessen Stadion-Modernisierung im Falle eines Aufstiegs in die 2. Fußball Bundesliga mit bis zu 2,5 Millionen Euro zu unterstützen. Davon abgesehen halten sich die einzelnen Ministerien bei Geldversprechen bisher eher bedeckt.
Das Problem: Wegen der schlechten Konjunktur rechnet das Land mit weniger Einnahmen. Finanzminister Robert Crumbach (BSW) hatte vor diesem Hintergrund Überlegungen bestätigt, einen Fonds aufzulösen, der für die Versorgung von Beamten im Ruhestand gedacht ist, um damit fehlende Einnahmen auszugleichen.
Daher heißt es etwa aus demselben Sportministerium, das dem FC Energie finanziell unter die Arme greifen will, dass noch nicht klar sei, ob es überhaupt Geld gebe, um ein bisher erfolgreiches Förderprogramm in Sportanlagen fortzuführen. Die Öffentlichkeit kann sich noch kein Bild davon machen, wie viel Geld jedem Ministerium zustehen und wie dieses eingesetzt werden soll. Denn über den Stand der Haushaltsverhandlungen ist bisher wenig bekannt.
So fehlt auch der Überblick darüber, wie schnell die Koalition Vorhaben erreichen kann - etwa wie die Polizei von 8.500 auf 9.000 Stellen aufgestockt werden soll. Auch zu anderen zentralen Koalitionsvorhaben fehlen noch die Eckpfeiler. Dazu, wie in Grundschulen Lesen, Schreiben, Rechnen gestärkt werden sollen, wann der Vergabemindestlohn auf 15 Euro steigt oder wie Geflüchteten eine Arbeitserlaubnis ab dem ersten Tag bekommen können, gibt es noch keine konkreten Pläne.
Krankenhäuser mit klammen Kassen, Landwirtschaft von Tierseuche getroffen
Dafür gibt es bereits erste Hürden. Im Gesundheitsministerium muss sich etwa Britta Müller (parteilos) darum bemühen, dass die Koalition das Ziel, alle Krankenhausstandorte im Land zu erhalten, nicht wieder kassieren muss. Demnach schrieben zuletzt vier von fünf Kliniken im Land rote Zahlen. Die Klinik Hennigsdorf löste Verunsicherung aus, weil sie ihr stationäres Angebot schließen will.
Einen anderen Krisentest hat das Land in neuer Regierung-Konstellation bereits bestanden. Im Januar war ein Fall von Maul- und Klauenseuche (MKS) in Märkisch-Oderland bekannt geworden. Das Seuchenmanagement des neu aufgestellten Landwirtschaftsministeriums funktionierte – auch mit einer bislang unerfahrenen neuen Landwirtschaftsministerin. Seit Mitte März gilt Brandenburg größtenteils wieder als MKS-frei.
Zankapfel Ukraine-Krieg
Geprüft wird Rot-Lila aber nicht nur durch äußere Umstände - auch intern knarzt es immer wieder in der neuen Koalition. Besonderes Aufsehen erregte ein BSW-Abgeordneter, der Ende Februar für einen Antrag der AfD im Landtag stimmte. Die Entscheidung markiert gleich zwei Tabubrüche – zum einen das Abstimmen mit der in Brandenburg als rechtsextremer Verdachtsfall geltende AfD; zum anderen das Abstimmen eines Abgeordneten einer Regierungspartei mit der Opposition. Aus der SPD hieß es, dieses Verhalten sei destruktiv und könne nicht auf Dauer geduldet werden.
Eine Quelle des Dissens seit Koalitionsbeginn zwischen SPD und BSW ist der russische Krieg gegen die Ukraine. Immer wieder geht es dabei um die Frage, wie vor diesem Hintergrund die Bundeswehr ausgestattet und aufgerüstet werden müsse. Deutlich werden die unterschiedlichen Positionen beider Parteien bei Abstimmungen im Bundesrat. So enthielt sich Brandenburg etwa seiner Stimme, als dieser im Februar eine Resolution zur Unterstützung der Ukraine abstimmte.
Es war nicht das erste Mal, dass sich das Land wegen Uneinigkeit im Bundesrat enthielt. Aus der Brandenburger Opposition brachte das der Koalition die Kritik ein, im Bundesrat ein Totalausfall zu sein. Wie sich Brandenburg in der Abstimmung zum von CDU und SPD im Bund vorgeschlagenen "Sondervermögen" positionieren wird, ist - wenige Tage vor der Entscheidung im Bundesrat darüber - noch offen.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 18.03.2025, 19:30 Uhr