Interview l Salzmangel, Elektrolytstörung und die Folgen - Ist zu wenig Salz im Körper ungesund?
Salzmangel kann zu Schmerzen oder Nervenstörungen führen. Infos zu Symptomen und Ursachen einer Hyponatriämie und welche Salzmenge richtig ist, gibt’s hier:
Zu viel Salz in der Nahrung treibt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach oben. Mancher würde es - samt Zucker und tierischem Fett - darum gern verbannen. Aber: Unser Körper braucht Salz, denn vor allem unser Wasser- und Elektrolythaushalt hängen davon ab. Ein Salzmangel kann z.B. zu Schmerzen, Nervenstörungen und Stürzen führen. Was dahinter steckt, wie man den Mangel bemerkt und wieviel Salz Gesundheit braucht, verraten wir hier.
Wie erkennt man Natriummangel?
Frau Prof. Dr. Ursula Müller-Werdan, Studien sagen: auch zu wenig Salz - genauer: zu wenig Natrium im Blut - kann ein Problem für die Gesundheit werden. Aber wie bemerkt man das? Welche Anzeichen können einen auf die richtige Spur bringen?
Eine Elektrolyt-Mangelsituation im Sinne eines zu niedrigen Natriumgehalts im Blut ist nicht so einfach zu erkennen, da eine Hyponatriämie komplett unterschiedliche Beschwerden machen kann - je nachdem, ob das sehr schnell oder sehr langsam entstanden ist und ob es ein gravierender Mangel ist oder nur eine geringfügige Verminderung des Natriumwerts im Blut.
Der Formenkreis des Beschwerdebildes einer sogenannten Hyponatriämie reicht von Kopfschmerzen, Übelkeit, Apathie bis hin zu Krampfanfällen bei schwereren Formen oder schlimmstenfalls sogar einem Koma. Patientinnen und Patienten mit Hyponatriämie können aber auch komplett beschwerdefrei sein. Also das ist wirklich ein Chamäleon.
Welche Untersuchung gibt Sicherheit?
Wie kommt man der Sache dann doch auf die Spur?
Eine Hyponatriämie kann man im eigentlichen Sinn des Wortes tatsächlich am besten durch eine Laboruntersuchung des Blutes feststellen. Die Beschwerden werden eben bei milden Formen, die langsam entstehen, oft ganz unspezifisch sein.
Das ist das Schwierige. Der Laie merkt vielleicht: Er hat Kopfschmerzen. Bei älteren Menschen taucht vielleicht eher eine gewisse Unsicherheit beim Gehen auf und das führt zu einer verstärkten Sturzneigung. Das sind solche Beschwerdebilder, die bei einer langsam entstehenden Hyponatriämie entstehen können.
Wer ist besonders gefährdet?
Wenn wir jetzt genau mal bei dieser langsamen, schleichenden Variante des Salzmangels bleiben: Welche Personengruppen sind tendenziell besonders oft von solchem Natriummangel betroffen?
Diese sich langsam entwickelnde Hyponatriämie kann begründet sein in einer Organerkrankung, z.B. einer Herzerkrankung, einer Nierenerkrankung oder auch Lebererkrankung. Dadurch kommt es bei diesen Menschen zu einem Wasserüberschuss im Körper, so dass sozusagen eine Verdünnung des Blutes entsteht - diese bedingt dann den verminderten Natriumwert. Die Hyponatriämie ist meist nicht Ausdruck eines Mangels an Salz, sondern eines Wasserüberschusses.
Weil solche Organerkrankungen im Alter wahrscheinlicher werden, sind tatsächlich häufig ältere Menschen betroffen. Es gibt aber auch andere Formen der Hyponatriämie, die hormonelle Ursachen haben. Auch bei chronischen Schmerzpatienten kann es vorkommen, dass sich langsam eine Hyponatriämie entwickelt.
Aber auch Menschen können betroffen werden, die etwa Medikamente nehmen, weil sie schon mal einen epileptischen Anfall hatten. Mehrere Medikamente, die eine Wirkung am Nervensystem entfalten, zum Beispiel bei der Behandlung von Depressionen oder Psychosen können dazu führen, dass das Natrium im Blutserum runtergeht
Eine ganze Reihe weiterer Medikamente hat als mögliche unerwünschte Nebenwirkung eine Hyponatriämie.
Kann eigenes Trinkverhalten Salzmangel auslösen?
Also das Risiko langsam in einen Natriummangel zu schlittern ist bei Menschen mit Organproblemen, chronischen Schmerzen oder besonders aufs Gehirn wirkenden Medikamenten besonders groß - heißt: Menschen mit konkreten Erkrankungen.
Aber kann ungesunder Salzmangel auch vom eigenen Trinkverhalten ausgelöst werden?
Ja, es gibt schon Fälle, wo das mit einer besonders starken Flüssigkeitsaufnahme zusammenhängt. So ein typischer Fall wäre ein Extremsportler, z. B. ein Marathonläufer, der dann nach starkem Schwitzen enorm viel Wasser trinkt. Da kann es tatsächlich auch mal im Trinkverhalten begründet sein, wenn der Natriumspiegel im Blut stark sinkt.
Umgekehrt gibt es natürlich betagte Menschen - überwiegend solche in Pflegewohnheimen - die ein ganz vermindertes Durstempfinden haben und zu wenig trinken. Da kann dann das Gegenteil der Fall sein, dass das Natrium zu hoch dosiert wird im Blut.
Also das Trinkverhalten kann in Einzelfällen schon die Ursache für Veränderungen des Natriumspiegels sein.
Manchmal kann das Trinkverhalten sogar krankhafte Züge annehmen: Man nennt es dann psychogene Polydipsie [Anm. d. Red.: Betroffene haben ein übermäßiges oder sogar krankhaftes Durstgefühl und/oder Trinkbedürfnis]. Es gibt also extreme Fälle von Menschen, die ihrem Körper so viel Wasser zumuten, dass dann das Blut entsprechend verdünnt wird. Das sind aber seltene Ausnahmen.
Kann man "salzarme Ernährung" übertreiben?
Zu viel Salz ist natürlich grundsätzlich sehr oft ein Gesundheitsproblem. Aber Salz in der Ernährung hat für viele Menschen inzwischen ja ein mindestens ähnlich schädliches Image wie Industriezucker … Kann man sich aus vermeintlich guten Gründen mit zu wenig Salz schaden?
Es ist in vielen Studien sehr gut belegt, dass zu viel Salz in der Ernährung schädlich ist, weil das Risiko für Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt.
Aber kompletter Salzverzicht wird auch nicht empfohlen. So zeigte sich in einer großen Studie, dass ein extremer Salzverzicht ebenfalls mit Herz-Kreislauf-Komplikationen verbunden war.
Wie wird Natriummangel behandelt?
Wenn es zum Salzmangel und Natriummangel im Blut kommt, wie gehen Sie dann vor? Was hilft? Wo kann man bei der Behandlung ansetzen?
Es gibt nun Werte, die sind so niedrig, dass sie eine Notfallbehandlung erforderlich machen - da muss man dann z.B. eine Infusion geben, um Kochsalz zu ersetzen und so einen langsamen Ausgleich des Serumnatriums zu erreichen. Zu schnell darf der Ausgleich des Blutnatriumwertes nicht erfolgen, weil sonst gefährliche Komplkationen entstehen können.
Bei der Mehrzahl der Fälle ist aber keine Notfallbehandlung erforderlich. Man würde schon versuchen, erst mal die Ursache der Hyponatriämie abzustellen - zum Beispiel das verursachende Medikament abzusetzen oder aber sonst den Wasserhaushalt zu regulieren. Das wäre schon das Wünschenswerte - also eine kausale Behandlung.
Es hängt im Einzelfall davon ab, wie schnell diese Hyponatriämie entstanden ist und wie schwer das Beschwerdebild ist:
Manche Betroffenen sind ja komplett asymptomatisch - die spüren gar nichts. Da kann es dann ein reiner Zufallsbefund sein.
Andere merken so etwas wie eine Unsicherheit [bei der Bewegungssteuerung] oder Kopfschmerzen. In solchen Fällen wird erst einmal eine kausale Behandlung versucht.
Wie viel Salz darf's sein?
Wie viel Salz brauchen wir denn wirklich für eine gesunde Balance? Und worauf sollte man dann bei den Inhaltsstoffen achten?
Grundsätzlich geht es um Natriumchlorid (NaCl) - also Kochsalz, Tafelsalz, Speisesalz. Es wird ja empfohlen, jodiertes Speisesalz zu verwenden. Manche empfehlen auch eine Kombination mit Fluorid.
Aber die Salzquellen, die wir haben, sind ja überwiegend [indirekt] in der Ernährung. Wurst zum Beispiel enthält schon von vornherein viel Salz. Gemüse dagegen eher wenig.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt pro Tag beim Erwachsenen maximal 6 g Kochsalz [Anm. d. Red.: also ca. ein Teelöffel]. Da nimmt man natürlich durch versteckte Salzquellen schon relativ viel zu sich.
Das Hauptrisiko beim Salzkonsum ist ja der hohe Blutdruck. So grob die Hälfte der Menschen reagieren auf Salz sensibel in der Form, dass der Blutdruck mit zunehmendem Salzkonsum dann wirklich ansteigt.
Und andererseits hat sich gezeigt, dass auch eine zu geringes Salzzufuhr schädlich ist für das Herz-Kreislauf-System. Also die gesunde Mitte ist zu empfehlen.
Salzkonsum: Wie behält man den Überblick?
Sie hatten ja auch Wurst angesprochen - die ist inzwischen als kleine "Salzbombe" bekannt, aber auch in industriell verarbeiteten Veggi- und Veganprodukten steckt oft viel Salz …
Da muss wirklich jeder individuell mehr Bewusstsein entwickeln und sein eigenes Essen im Blick behalten.
[Ein guter Tipp:] Mal Monitoren - einen Tag lang mal gucken und aufschreiben, was man wirklich so zu sich nimmt. Vor allem sollte man das tatsächlich Menschen raten, die vielleicht schon einen zu hohen Blutdruck haben.
Prof. Müller-Werdan, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Lucia Hennerici