Ursachen & Behandlung - Blutdruckabfall nach dem Essen (postprandiale Hypotonie)
Schwindel, Schwäche, Ohnmacht: Sackt der Blutdruck nach dem Essen plötzlich stark ab, macht das Angst. Lesen Sie hier Infos über Ursachen und was hilft.
Für viele Menschen ist Essen Genuss und Entspannung – für den Körper ist Essen Arbeit und Stress, vor allem wenn die Mahlzeit üppig war. Das sind Gründe dafür, warum sich mancher nach dem Essen nicht nur voll, sondern auch schlapp und müde fühlt.
Auch der Puls steigt – unser Herz-Kreislauf-System muss für die Verdauung aktiv werden und tatsächlich auch das Blut im Körper über die Blutgefäße "umverteilen": Insbesondere Magen und Darm brauchen dann mehr Energie und Sauerstoff.
Für die Verstoffwechselung von Lebensmitteln wird also ein hohes Blutvolumen benötigt – das beeinflusst auch den Blutdruck. Nicht nur der Puls (Pumpfrequenz des Herzens) steigt aus diesem Grund an, sondern auch Gefäße in anderen Körperregionen ziehen sich zusammen, um Magen und Darm mehr Blut zur Verfügung zu stellen und dabei trotzdem insgesamt den Blutdruck in den Gefäßen des Körpers aufrechtzuerhalten.
All diese unbewussten Prozesse steuert das vegetative Nervensystem (auch autonomes Nervensystem genannt).
Leichtes Absacken des Blutdrucks nach dem Essen, gerade nach einer deftigen Mahlzeit, ist also durchaus normal. Doch es gibt Menschen, bei denen der Blutdruck nach dem Essen so massiv sinkt, dass es zu echten Kreislaufproblemen z. B. mit Schwindel, Kopfschmerz, Benommenheit oder sogar Ohnmachtsanfällen (Synkopen) kommt. Ärztinnen und Ärzte nennen diesen starken Blutdruckabfall nach dem Essen: postprandiale Hypotonie. Lesen Sie hier, wie man sie erkennt und was hilft.
Ursachen: Was steckt hinter Blutdruckabfall nach dem Essen?
Grundsätzlich ist ein leichtes Sinken der Blutdruckwerte bzw. des Blutdrucks nach einem üppigen Essen normal. Hintergrund: Unser Herz-Kreislauf-System stellt für die Verdauung insbesondere Magen & Darm mehr Energie und Sauerstoff für die Verstoffwechselung von Lebensmitteln zur Verfügung. Das geschieht über die Blutgefäße und dafür wird Blut konzentriert in die Verdauungsregion des Körpers gepumpt.
Aber: Es gibt Menschen, bei denen das eigentlich normale leichte Absinken des Blutdrucks nach dem Essen zum Problem wird, weil es zum regelrechten Absacken des Blutdrucks kommt: also zu einem Blutdruckabfall von mindestens 20 mmHg (systolische Blutdruckwerte) binnen zwei Stunden. Von diesem Blutdruckabfall nach dem Essen können grundsätzlich auch Menschen betroffen sein, die eigentlich sonst sogar zu hohen Blutdruck (Bluthochdruck) haben. Der plötzliche Blutdruckabfall nach dem Essen kann verbunden sein mit Kreislaufproblemen und Schwindel, Konzentrationsstörungen, Benommenheit bis hin zur Ohnmacht.
Der Fachbegriff für dieses massive Absacken des Blutdrucks nach dem Essen ist: postprandiale Hypotonie. Bei Betroffenen ist die natürliche Regulation des Blutdrucks gestört. Die Ursachen für postprandiale Hypotonie sind noch nicht völlig geklärt. Allerdings gibt es z. B. eine klare Verbindung dieser Erkrankung zu Störungen bzw. Erkrankungen des vegetativen Nervensystems (steuert unbewusste Prozesse, wie die Verdauung).
Solche verbindenden Erkrankungen und weitere in Verdacht stehende Ursachen für postprandiale Hypotonie sind:
• Diabetes
• Parkinson
• Arteriosklerose
• Multisystematrophie (Shy-Drager-Syndrom)
• hormonelle Störungen (z. B. der Schilddrüse)
• Beeinträchtigungen des vegetativen Nervensystems, besonders der Funktion von Sympathikus und Baroreflex
• funktionelle Probleme mit der Magendehnung oder Darmdehnung beim Verdauungsprozess die zu Stressreaktionen des Herzens führen
• höheres Alter (wegen der Steifigkeit von Gefäßen, die sich eigentlich bei der Verdauung zusammenziehen sollten, um den Blutdruck im gesamten Körper zu stabilisieren).
Als verstärkend für das Risiko einer postprandialen Hypotonie gilt tatsächlich auch Bluthochdruck. Auf den ersten Blick mag das widersprüchlich wirken und ein hoher Blutdruck kann viele Ursachen haben,allerdings kann chronischer Bluthochdruck vielfach schon andeuten, dass jedenfalls ein Regulationssystem aus der Balance geraten ist.
Da ältere Menschen tendenziell deutlich stärker gefährdet für eine postprandiale Hypotonie sind – und gleichzeitig die Folgen für sie bei einem Sturz durch Schwindel oder Ohnmacht besonders gefährlich werden können – hilft in dem Zusammenhang eine erhöhte Sensibilität für das Thema. Laut Deutscher Herzstiftung könnte etwa jeder vierte Bewohner eines Altersheims oder Pflegeheims von dem plötzlichen Blutdruckabfall beim Essen betroffen sein.
Symptome: Wie fühlt sich plötzlicher Blutdruckabfall nach Mahlzeiten an?
Wer unter postprandialer Hypotonie leidet, also einem plötzlichen und starken Abfall des Blutdrucks nach dem Essen, erlebt in der Regel binnen zwei Stunden nach dem Essen (oft auch direkt danach) wie der Blutdruck in den Keller sackt. Konkret: Es kommt zu einem Blutdruckabfall von mindestens 20 mmHg (systolisch).
Für Betroffene ist das extrem unangenehm, teilweise auch (immer wieder) beängstigend. Das liegt auch daran, dass mindestens einige dieser typischen Symptome die postprandiale Hypotonie begleiten:
• Schwindel / Benommenheit
• Verminderte Leistungsfähigkeit
• Müdigkeit, sich schlapp / schwummerig fühlen
• Konzentrationsschwäche
• Schwarzwerden vor den Augen
• Kreislaufschwäche
• Frieren und kalte Hände
• Ohnmacht (Synkopen)
• Ohrensausen
• Gleichgewichtsstörungen
• Kopfschmerzen.
Wenn der Kreislauf wegzusacken beginnt, haben manche Menschen auch das Gefühl Kopf, Arme oder Beine seien zu schwer. Auch kalte Gliedmaßen (häufiges Symptom bei Menschen mit grundsätzlich niedrigem Blutdruck) oder kalter Schweiß können auftreten.
Akute Hilfe: Was tun bei starkem Blutdruckabfall nach dem Essen?
Kommt es akut zum starken Blutdruckabfall nach dem Essen (Postprandiale Hypotonie) und den damit einhergehenden Symptomen (Schwindel, Benommenheit, Schwäche, Schwarzwerden vor den Augen, etc.) gilt vor allem: Stürze und Verletzungen vermeiden – Blutdruck stabilisieren. Dazu sollten Betroffene in eine stabile Lage gebracht werden. Am besten hinlegen, mindestens aber hinsetzen.
Optimal ist es, wenn die Beine hochgelegt / hochgelagert werden können, denn dann kann das Blut aus den Extremitäten wieder zurück in den Rumpf fließen, näher zum Herzen. Das verschafft eine Art "Pumpvorteil". Heißt: Das Herz hat dann in den Blutgefäßen wieder mehr "Blutdruck zur Verfügung" (man nennt das Herzzeitvolumen). Dieses Blut kann das Herz auch schneller ins Gehirn pumpen – denn ein Blutmangel im Gehirn bedingt drohende Ohnmacht und Schwindel.
Beine hochlagern bedeutet übrigens: Die Unterschenkel liegen höher als der Rumpf bzw. das Herz.
Außerdem hilft gegen den akuten Blutdruckabfall nach dem Essen: Flüssigkeit – wenn möglich trinken Sie ein Glas Wasser, aber langsam und in Ruhe. Überhaupt sollten sich Betroffene nicht überfordern, sondern langsam und vorsichtig vorgehen.
Kommt es zu einer Ohnmacht oder droht diese sollte der Notarzt verständigt werden, gerade wenn Betroffene und ihre Angehörigen sich die Körperreaktion nicht erklären können. Heißt: Im Zweifel zögern Sie bitte nicht medizinische Hilfe zu suchen!
Vorbeugen: Wie vermeidet man starken Blutdruckabfall nach Mahlzeiten?
Postprandiale Hypotonie (und auch die Sorge davor) kann psychisch sehr belastend sein. Die gute Nachricht: Betroffene können über Ernährung und Lebensstil einem plötzlichen Blutdruckabfall nach dem Essen recht gut vorbeugen. Diese Maßnahmen können helfen:
• Langsam essen (gibt Körper mehr Zeit zur Anpassung).
• Psyche beeinflusst Verdauung, daher: Stress beim Essen vermeiden, nicht hetzen lassen!
• Kleinere Portionen, dafür häufigere Mahlzeiten essen.
• Mehr ballaststoffreiche Nahrungsmittel in der Mahlzeit verlangsamen die Magenentleerung und Verdauung.
• Verzicht auf Lebensmittel, die stark zuckerhaltig sind, da sie besonders schnell im Verdauungstrakt aufgenommen werden.
• Meiden bzw. Reduzieren von kohlenhydratreichen Lebensmitteln wie Kartoffeln, Weißbrot und ungeschältem Reis.
• Viel trinken, gerade 1 - 2 Gläser vor dem Essen gelten als hilfreich. Geeignet sind besonders Wasser oder ungesüßte Getränke, z. B. Kräutertee.
• Vermeiden von Alkohol zum Essen (Alkohol weitet die Gefäße zusätzlich).
• Regelmäßiges Kreislauftraining hilft dem Herz-Kreislauf-System und hält auch die Gefäße fit.
• Gezielte Bewegungsübungen vor dem Essen können die Stabilisierung des Blutdrucks unterstützen, z. B. Waden anspannen oder langsam auf der Stelle treten (geht auch im Sitzen).
• Ein Spaziergang nach dem Essen kann helfen, den Blutdruck in Schwung zu bringen und absackende Blutdruckwerte abzufedern. Wer jedoch sturzgefährdet ist oder das Gefühl hat, kurz vor einer Ohnmacht zu sein, sollte es lieber mit Übungen zuhause versuchen, am besten in sitzender oder sogar liegender Position.
• Einnahme von Medikamenten zeitlich anpassen (in Absprache mit Arzt / Ärztin): Blutdrucksenkende Medikamente sollten nicht kurz vor dem Essen eingenommen werden und eventuell lässt sich eine größere Dosis der Medikamente in kleinere aufteilen.
Kreislaufprobleme nach dem Essen: Wann sollte man zu Ärztin oder Arzt?
Postprandiale Hypotonie ist erst einmal extrem belastend und fühlt sich auch bedrohlich an – der starke Blutdruckabfall nach dem Essen ist aber in Einzelfällen für sich nicht gefährlich. Auf Dauer könnte massiver starker Blutdruckabfall aber schädigend für das Herz-Kreislaufsystem sein. Außerdem erhöhen die Symptome des Blutdruckabfalls die Sturzgefahr bzw. Unfallgefahr und das kann, gerade für ältere Menschen, extreme gesundheitliche Risiken durch Knochenbrüche, andere Verletzungen und deren Folgen (OPs, Infektionsgefahr, etc.) bedeuten.
Daher sollten Menschen, die häufiger oder gar regelmäßig unter postprandialer Hypotonie leiden, unbedingt medizinische Hilfe suchen und mit Ärztin oder Arzt über die Beschwerden und mögliche Therapien sprechen.
Der Weg zur Diagnose ist dabei recht eindeutig: Mittels Blutdruckmessungen kann die Ärztin oder der Arzt sehr zuverlässig entsprechende Reaktionen und deren Ausmaß testen. Faktoren wie Alter, vorhandene Vorerkrankungen, etc. lassen dann eine gute Risikoeinschätzung zu. Ergänzend kann eine Langzeitblutdruckmessung helfen, außerdem Daten von Patient oder Patientin selbst – Blutdruckmessungen von zu Hause oder ein Ernährungstagebuch machen Diagnose und Behandlung umso zielgenauer.
Spezialfall: Herzrasen nach dem Essen
Übrigens kann auch ein stark erhöhter Puls nach dem Essen ein Warnzeichen für Erkrankungen sein und sollte ernst genommen werden: Während der Ruhepuls eines Erwachsenen im Durchschnitt etwa zwischen 50 und 80 Schlägen liegt (abhängig von Größe, Fitness, Geschlecht, Gewicht, uws.) ist es ganz normal, dass sich die persönliche Frequenz des Herzschlages, also der persönliche Ruhepuls, nach dem Essen leicht erhöht.
Hintergrund: Für die Verdauung und Verstoffwechslung der Mahlzeit brauchen Magen und Darm mehr Energie, darum wird mehr Blut ins Verdauungssystem gepumpt. Dieser "normal erhöhte Puls" nach dem Essen kann auch 1 - 2 Stunden anhalten.
Beginnt das Herz aber nach dem Essen zu rasen und / oder sogar zu stolpern (Herzrasen mit oder ohne Herzrhythmusstörungen) sollten Sie das dringend von Arzt oder Ärztin abklären lassen!
Von Vorteil ist dabei, wenn Sie sich dann auch einen Überblick darüber verschafft haben, nach welchen Mahlzeiten das Problem eines massiv erhöhten Pulses sich besonders zeigt, bzw. ob es nach bestimmten Mahlzeiten besonders stark, schnell oder lange auftritt.
Als Indiz für Herzrasen gilt ein Puls, der klar über 100 liegt. Viele Betroffene sprechen auch von starker Angst, Nervosität und Unruhe.
Hinter Herzrasen nach dem Essen können verschiedene Ursachen und Erkrankungen stecken, zum Beispiel Probleme mit den Blutgefäßen (Beispiel: Arteriosklerose) oder Herzrhythmusstörungen. Es gibt tatsächlich sogar ein – wenn auch sehr seltenes – Krankheitsbild als Ursache für das Phänomen: das Roemheld-Syndrom. Dabei behindert eine übermäßige Blähung des Darms sozusagen mechanisch das Herz und das reagiert mit Herzrhythmusstörungen. Wie gesagt ist dieses Syndrom aber selten.
Beitrag von Autorin Lucia Hennerici