Wenn die Hand immer einschläft - Karpaltunnelsyndrom (KTS): Ursachen & Behandlung
Ist der Mittelarmnerv im Handgelenkstunnel (Karpaltunnel) eingeklemmt, sind Fingerkribbeln & "Hände einschlafen" Symptome. Vermeiden Sie Nervenschäden
Schmerzen, Kribbeln oder Taubheitsgefühle an der Hand und am Daumen: Das sind typische Symptome für das Karpaltunnelsyndrom (KTS). Patientinnen und Patienten beschreiben oft, es fühle sich an wie "Hände einschlafen", was duch Schütteln oder ein paar Bewegungen verschwindet. Viele halten die Nerveneinklemmung erst einmal lange für harmlos.
Doch wer das Karpaltunnelsyndrom nicht rechtzeitig behandeln lässt, riskiert dauerhafte Schäden durch die Nervenkompression im Handgelenk. Um die Enge im Karpalkanal zu beheben und Nervenreizungen zu beenden gibt es einige Behandlungsmöglichkeiten – und die OP ist nur eine Möglichkeit der Therapie bei Karpaltunnelsyndrom.
rbb Praxis hat hier für Sie Infos zu Ursachen, Symptomen und Therapieformen beim KTS zusammengetragen.
Symptome: Wie fühlt sich ein Karpaltunnelsyndrom an?
Unsere Hände sind ein komplexes Gebilde: 33 Muskeln und Sehnen sowie 27 Knochen lassen uns kraftvoll und zugleich präzise zugreifen. Rund 17.000 Fühlkörperchen und drei Nerven sorgen für die notwendige Empfindlichkeit. Einer davon ist der Mittelarmnerv, manchmal auch Mittelnerv genannt, der durch das Handgelenk und bis in die Handfläche verläuft, wo er sich dann vor allem zu Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger hin verzweigt. Dabei muss der Nerv den sogenannten Karpaltunnel auf der Innenseite des Handgelenks (auf Höhe des Daumensattelgelenkes) durchlaufen – und das kann eng werden, denn hier müssen auch einige Sehnen durch.
Der Mittelarmnerv, von Medizinern als Nervus medianus bezeichnet, gilt unter den dreien als Sensibelchen: Bis zu zehn Prozent der Menschen klagen im Laufe ihres Lebens über taube oder kribbelnde Finger oder auch nadelstichartige Schmerzen – typische Anzeichen für einen gereizten Mittelnerven. Die Symptome treten vor allem nachts auf. Es fühle sich an, als ob die Hand eingeschlafen sei, sagen viele Betroffene.
Typisch ist, dass man die Symptome der kribbelnden oder eingeschlafenen Hand zuerst einmal leicht "wegschütteln" oder durch kurze Bewegung loswerden kann. Häufig werden die Symptome darum lange nicht ernst genommen und auch oft mit der Schlafposition in Verbindung gebracht, die aber beim Karpaltunnelsyndrom keine Rolle spielt.
Das Problem: Die Nervenfunktion kann durch dauerhafte Reizung und Einklemmung im Bereich des Karpaltunnels Schaden nehmen, wenn nicht behandelt wird. Und diese Schäden können irreparabel
Wer also häufiger unter diesen Symptomen leidet, sollte Hausarzt oder (zur genaueren DiagnoseI auch Fachärztin aus dem Bereich Neurologie konsultieren:
• Kribbeln (Parästhesie) und Taubheitsgefühle in den Fingern
• Schmerzen (teilweise wie "Nadelstiche") in der Hand, dem Daumen und Fingern
• Mißempfindungen und Gefühlsverlust der betroffenen Hand
• Kraftverlust in der Hand
• Schmerzen strahlen bis in Ellenbogen und Schulter aus.
Ursachen für Karpaltunnelsyndrom: Enge im Kanal
Verantwortlich für die Unannehmlichkeiten ist eine Enge in der Handwurzel: Hier zieht das so genannte Karpalband vom Ballen des Daumens zu dem des kleinen Fingers. Von unten her begrenzen Knochen den Karpalkanal. Darin verlaufen die Sehnen der Fingerbeuger, Gefäße und eben jener Mittelarmnerv.
Der Mittelarmnerv versorgt einige Fingermuskeln sowie die Haut von Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger und Ringfinger. Entzünden sich die Sehnen im Karpaltunnel oder schwillt das Gewebe aus anderen Gründen an, quetscht das kleine Gefäße, die wiederum den Nerven mit Blut versorgen. Er erhält nicht mehr genug Sauerstoff und Nährstoffe. Zuerst sendet er darum oft "kribbelnde" Alarmsignale. Wird der Mittelarmnerv auf Dauer durch ein Karpaltunnelsyndrom unterversorgt, kann er irreparabel Schaden nehmen.
Risikogruppen: Wer ist anfällig für das Karpaltunnelsyndrom?
Ein Karpaltunnelsyndrom durch Gedaddel auf der Spielkonsole oder "Handydaumen" ist eine eher seltene Angelegenheit und unwahrscheinlich. Häufiger begünstigen kräftige Griffe durch regelmäßige Bewegungen die Beschwerden - beispielsweise bei der Gartenarbeit oder im Handwerk. Ob Computerarbeit auch Ursache für das Karpaltunnelsyndrom in diesem Sinne sein kann, hat die Wissenschaft noch nicht abschließend geklärt.
Diabetes, Rheuma, Verletzungen im Handbereich und Sehnenscheidenentzündungen gelten als Risikofaktoren.
Auch Schwangere klagen häufiger über ein Karpaltunnelsyndrom. Hintergrund: Während der Schwangerschaft schwillt das Gewebe durch das Einlagern von Flüssigkeit an.
Überhaupt sind Frauen dreimal häufiger betroffen, wohl weil der "Nervenkanal" Karpaltunnel bei ihnen von Natur aus enger ist, als bei Männern.
Genmutation steigert Risiko für Karpaltunnelsyndrom
Dass das Karpaltunnelsyndrom auch genetische Ursachen hat, vermuten Forscherinnen und Forscher schon länger. Denn der taube Daumen und die kribbelnden Finger kommen in Familien gehäuft vor.
Vor ein paar Jahren haben Forscher bei der Sequenzierung des menschlichen Genoms eine bestimmte Mutation im Gen SH3TC2 entdeckt. Es ist auf dem kurzen Arm des Chromosoms 5 verschlüsselt und wird zum Beispiel auch in Zusammenhang mit Neuropathien gebracht. Die Mutation dieses Gens hatte sonst keinen eindeutigen Krankheitswert, Träger des veränderten Gens waren aber anfälliger für das Karpaltunnelsyndrom.
Diagnose: Nervenleitgeschwindigkeit messen lassen
Um sicher zu sein, dass ein verengter Karpalkanal für die Nervenschmerzen, Kribbeln und Taubheitsgefühle in den Fingern ursächlich ist, untersucht der Arzt bzw. die Ärztin die Hände und führt einige Tests durch:
Dauern die Beschwerden schon länger an, bildet sich beispielsweise die Muskulatur des Daumenballens zurück (Atrophie) – ein Anzeichen, dass Ärztin oder Arzt bei der genauen Untersuchung entdeckt.
Um das Ausmaß des Nervenschadens festzustellen und andere Nervenerkrankungen auszuschließen, misst der Arzt die Nervenleitgeschwindigkeit. Denn auch ein Bandscheibenschaden im Halsbereich kann ganz ähnliche Symptome auslösen.
Behandlung: Therapieoptionen ohne OP
Bis sich mit Hilfe einer Gentherapie dieses Gen reparieren lässt, müssen die Patientinnen und Patienten mit bewährten Therapiemethoden vorlieb nehmen. Eine Möglichkeit: Sie tragen nachts eine Schiene und entlasten die Hand so. Vor allem in leichteren Fällen kann diese nebenwirkungsarme Methode Linderung bringen.
Der nächste Schritt sind Kortisonspritzen. Der Arzt oder die Ärztin injiziert die entzündungshemmende Substanz direkt in den Bereich des Karpaltunnels. Die Entzündung bessert sich, das Gewebe schwillt ab und der Nerv hat wieder mehr Platz.
In Studien halfen die Spritzen mit Kortison besser als ein Scheinmedikament. Die Substanz wirkt über mehrere Wochen.
Bei vielen Menschen treten die Beschwerden nach einer gewissen Zeit allerdings wieder auf. Wer will, kann sich wieder spritzen lassen. Wie oft das ohne Schäden an Nerven oder Sehen möglich ist, weiß jedoch keiner so genau.
Bei einem Karpaltunnelsyndrom im Anfangsstadium kann auch eine Traktionstherapie helfen: Dabei wird der Unterarm mechanisch gedehnt, sodass der Nerv im Karpaltunnel wieder mehr Platz bekommt. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen dafür jedoch nicht.
Karpaltunnelsyndrom heilen: Dauerhaft nur mit OP
Die einzig dauerhafte Lösung ist eine Operation. Die Chrirurgin oder der Chirurg durchtrennt dafür das Karpalband an der Innenseite des Handgelenks. Der Nerv hat wieder Platz und ist nicht mehr ständig gereizt.
Ärztin oder Arzt können offen oder per Schlüssellochtechnologie operieren. Wichtige Voraussetzung für die Wahl von Ärztin oder Arzt ist ein gutes Training – er oder sie sollte regelmäßige Erfahrung mit genau dieser Form des Eingriffes am Karpalband haben. Dann sind die Patienten in der Regel nach der Behandlung dauerhaft beschwerdefrei – egal mit welcher Technik operiert wurde.
Manche Menschen entscheiden sich für die Variante mit kleinen Schnitten (minmalinvasiv), weil sie danach schneller wieder fit sind. Andere hoffen durch die endoskopische OP-Methode auf weniger Schmerzen und schnellere Heilung.
Beitrag von Constanze Löffler (2015), Update von Carola Welt (2023)