Leben mit der Zuckerkrankheit - Diabetes Typ 1: Ursachen, Symptome und Behandlung
Bei der Autoimmunerkrankung Diabetes Typ 1 herrscht stets Insulinmangel. Mehr zu Auslösern, Behandlung und wie man ohne Stechen Blutzucker misst.
Menschen mit Diabetes Typ 1 haben zu hohe Blutzuckerspiegel. Der Grund: Ihre Bauchspeicheldrüse hört auf, Insulin zu produzieren. Ursache für einen Diabetes mellitus Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung und die meisten Betroffenen erkranken schon als Kinder. Oft erschöpft sich Bauchspeicheldrüse, wenn die Kinder zwischen zehn und 15 Jahre alt sind.
Diabetes Typ 1 ist relativ selten: Von den rund acht Millionen Diabetikern hierzulande haben rund 360.000 Menschen einen Diabetes mellitus Typ 1. Um die Werte zu senken, müssen sich Diabetiker vom Typ 1 das Hormon lebenslang ersatzweise spritzen. Die gute Nachricht: Die Behandlung des Diabetes Typ 1 ist in den letzten Jahrzehnten immer einfach geworden.
Ursachen: Wie bekommt man Diabetes Typ 1?
Ein Diabetes Typ 1 gehört zu den Autoimmunerkrankungen: Aus bislang ungeklärter Ursache attackieren spezielle Eiweiße, sogenannte Antikörper des Immunsystems, die Betazellen der Bauchspeicheldrüse, die das Insulin produzieren.
Die Zellen entzünden sich und werden zerstört. Sie können kein Insulin mehr produzieren und so kommt es zum typischsten Symptom für die Erkrankung: der Blutzuckerwert im Blut steigt an.
Anzeichen: Was sind Symptome für Diabetes Typ 1?
Normalerweise sorgt das Hormon Insulin dafür, dass Zucker (Glukose) in die Zellen gelangt, wo er zu Energie verarbeitet wird. Die Wirkung des Hormons kann man sich wie einen Schlüssel vorstellen, der die Zellen aufschließt.
Bei einem Diabetes Typ 1 zerstört das körpereigene Immunsystem fälschlicherweise die Betazellen der Bauchspeicheldrüse. Ursache sind genetische Veränderungen aber auch Umwelteinflüsse, etwa Virusinfektionen, sind mitverantwortlich.
Die Bauchspeicheldrüse erschöpft sich durch die Erkrankung immer mehr und der Körper kann die hohen Zuckerwerte (vor allem die Einfachzucker Glukose im Blut) nicht mehr kompensieren.
Der hohe Blutzuckerspiegel führt dazu, dass Diabetiker mit Typ 1 sehr häufig Wasser lassen müssen (Polyurie) und in der Folge ständig durstig sind (Polydipsie).
Betroffene berichten außerdem über diese Symptome:
• Müdigkeit und Antriebsschwäche, weil die Zellen nicht mehr genug Energie zur Verfügung haben.
• Übelkeit, weil der Körper aufgrund des Zuckermangels in den Zellen den Stoffwechsel umstellt und sogenannte Ketonkörper abbaut.
• Juckreiz, weil die hohen Blutzuckerwerte die Haut austrocknen lassen.
vermehrte Infekte (wie Haut-, Harnwegs- und Zahnfleischinfektionen), weil der hohe Zuckerwert zu Durchblutungsstörungen führt.
• Schwindel, weil feine Nerven zerstört werden.
Bei stark erhöhten Blutzuckerspiegeln können sogar Bewusstseinsstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit auftreten.
Diagnose: Wie wird Diabetes Typ 1 erkannt?
Neben den geschilderten Symptomen fallen im Labor stark erhöhte Zuckerwerte im Blut auf, die ein Vielfaches des normalen Blutzuckers erreichen können. Ärzte und Ärztinnen unterscheiden zwischen Werten, die gemessen werden, wenn eine Diabetikerin oder ein Diabetiker nüchtern sind, also nichts gegessen haben, und Werten, die auftreten, wenn sie etwas gegessen haben.
Ein Diabetes liegt eindeutig vor, wenn der Blutzucker vor dem Essen über 110 Milligramm pro Deziliter (6,0 mmol/l) oder nach dem Essen über 200 Milligramm pro Deziliter (11 mmol/l) beträgt.
Ein weiterer Parameter ist der HbA1c-Wert im Blut: Der Wert zeigt an, wie hoch der Blutzucker in den letzten zwei bis drei Monaten im Schnitt war. Normalerweise liegen die Werte bei Gesunden zwischen 4,5 und 6,5 Prozent. Für Diabetiker vom Typ 1 empfiehlt die Deutsche Diabetes Gesellschaft HbA1c-Werte unter 7,5 Prozent.
Die Messung des sogenannten C-Peptids erlaubt eine Aussage darüber, wie viel Insulin die Bauchspeicheldrüse noch produziert. Das C-Peptid ist ein Spaltprodukt des Insulins.
Was ist der Unterschied zwischen Typ 1 und Typ 2 Diabetes?
Bei gesunden Menschen wirkt Insulin wie eine Art Schloss: Über die Ernährung kommt u. a. Zucker in den Körper. Er strömt aus dem Blut in die Zellen, um den Organismus mit Energie zu versorgen. Gleichzeitig sinkt der Zuckerspiegel im Blut.
Bei Menschen mit einem Diabetes Typ 1 zerstören körpereigene Abwehrzellen die Insulinzellen der Bauchspeicheldrüse. Nach und nach versiegt die Produktion von Insulin. Der Zucker gelangt nicht mehr in die Zellen, ihnen mangelt es an Zucker. Der Blutzuckerwert steigt - eben weil der Zucker im Blut bleibt und nicht aufgenommen werden kann - und führt zu den zahlreichen Symptomen.
Unerkannt kann ein Diabetes Typ 1 lebensgefährlich sein, weil die Zuckerwerte so hoch werden, dass Bewusstseinsstörungen bis hin zum diabetischen Koma auftreten können. Diabetiker vom Typ 1 müssen sich Insulin zuführen (meist über durch das Spritzen), um ihren Blutzuckerspiegel zu senken, da ihr Körper nach einer gewissen Zeit keinerlei eigenes Insulin mehr produziert.
Bei einem Diabetes Typ 2 reagieren die Körperzellen dagegen langsam immer schlechter auf Insulin - eine Insulinresistenz entwickelt sich. Es gelangt weniger Zucker in die Zellen. Der Körper reagiert darauf, indem er die Bauchspeicheldrüse anfeuert, noch mehr Insulin zu produzieren. Durch die Insulinresistenz ist dessen Wirkung aber weiter gehemmt.
Menschen mit einem Diabetes Typ 2 haben daher sowohl erhöhte Insulinspiegel, wie auch Zuckerspiegel, während in den Zellen Insulinmangel herrscht.
Insulinresistenz, also die eingeschränkte Empfindlichkeit auf das Hormon an den Zellen, lässt sich vor allem durch konsequentes Abnehmen, durch gesunde Ernährung und Bewegung wieder verbessern.
Diabetikern vom Typ 2 reichen in der Regel über lange Zeit Tabletten, die die Körperzellen für Insulin empfindlicher machen, als medizinische Behandlung, zentral ergänzt durch die richtige Ernährung, bei der vor allem auf Kohlenhydrate verzichtet wird. Das Hormon Insulin selbst müssen Typ 2-Diabetiker sich oft erst nach jahrelanger Krankheit spritzen (Insulintherapie).
Langzeitschäden: Was sind die Folgen von Diabetes Typ 1?
Je besser der Blutzucker eingestellt ist, umso besser ist die Prognose für Menschen mit Autoimmunerkrankung Diabetes mellitus Typ 1. Doch selbst bei lückenloser Insulinversorgung können Komplikationen und Spätfolgen wie Nierenversagen und Herzerkrankungen infolge einer "Verzuckerung" der Gefäßwände auftreten. Hintergrund: Glukose im Blut schädigt die Endothelschicht der Gefäßwände, befördert Entzündungen und macht sie anfälliger für Ablagerungen.
Weil Organe und Gewebe im ganzen Körper von einer guten Blutversorgung abhängig sind, führen hohe Glukosewerte durch die Erkrankung auf Dauer zu vielfachen Schäden im Körper, wenn es zu keiner Behandlung und Insulintherapie kommt.
Da Diabetes Typ 1 im Kindesalter und damit viele Jahrzehnte vor einem Diabetes Typ 2 (auch Altersdiabetes genannt) einsetzt, beginnen die Komplikationen an Auge, Nieren, den Gefäßen sowie den Nerven oft früher bei dieser Erkrankung.
Die gute Nachricht: Weil sich jedoch Blutzuckerkontrollen und Insulintherapie immer mehr vereinfachen und automatisieren lassen, wird der Insulinmangel heute besser korrigiert und werden auch Folge- und Langzeitschäden abnehmen.
Therapie: Wie wird Diabetes Typ 1 behandelt?
Wer an Diabetes mellitus Typ 1 erkrankt ist, braucht umfassende Beratung und Betreuung. In erster Linie geht es darum, die Zuckerwerte möglichst stabil zu halten. So lassen sich Folgeprobleme und Komplikationen und Spätfolgen an Augen, Gefäßen und Füßen verhindern.
Die Behandlungsmöglichkeiten des Diabetes mellitus Typ 1 sind in den letzten Jahren immer besser und einfacher geworden. Die Therapie eines Typ 1 Diabetes steht auf drei Säulen: Blutzuckerkontrollen, Insulintherapie und gezielte Ernährung.
Die lebenslange Gabe von Insulin, gepaart mit ständigen Blutzuckerkontrollen ist dabei zentral. Die Menge des Insulins, das gespritzt werden muss, hängt wiederum davon ab, wie viele Kohlenhydrate das Essen enthält.
Die Therapie ist komplex. Betroffene müssen ihren individuellen Insulinbedarf kennen, sollten wissen, wie (und wie schnell) das gespritzte Insulin im Körper reagiert, welche Insulinmenge bestimmte Nahrungsmittel erfordern und wie sie ihre Insulintherapie anpassen, wenn sie beispielsweise Sport treiben, Alkohol trinken oder einen Infekt haben, also eine bakterielle oder virale Erkrankung.
Behandlung mit Insulintherapie bei Diabetes Typ 1
Die bekannteste Insulintherapie ist die sogenannte intensivierte konventionelle Therapie (ICT). Dabei spritzen sich die Patienten und Patientinnen ein bis zwei Mal täglich ein lang wirkendes Insulin. Das deckt den Grundbedarf.
Zu den Mahlzeiten verabreichen sie sich zusätzlich ein schnell wirkendes Insulin, dessen Menge abhängt vom aktuellen Blutzuckerwert, wie viele Kohlenhydrate sie essen (wieviel Glukose also in den Körper kommt) und wie aktiv sie körperlich sind (Bedarf von Glukose).
Behandlung ohne Spritzen - wie geht das?
Früher haben sich Menschen mit einem Diabetes mellitus Typ 1 mehrfach am Tag gespritzt. Heute tragen viele eine Insulinpumpe. Die kleine, computergesteuerte Einheit, die man z. B. am Hosenbund tragen kann, überwacht und regelt die Insulinzufuhr automatisch. Eine Insulinpumpe ist etwa so groß wie eine Streichholzschachtel und laut Deutscher Diabeteshilfe tragen hierzulande allein mehr als 5.000 Kinder mit Diabetes Typ 1 so ein Gerät.
Insulinpumpen gibt es in sehr unterschiedlichen Ausführungen. Besonders komfortabel, effektiv und sicher sind sogenannte Closed-Loop-Systeme. Sie bestehen aus einer Insulinpumpe, einem Sensor zur kontinuierlichen Glukosemessung im Unterhautfettgewebe, einem Blutzuckermessgerät zur Kalibrierung des Sensors sowie einem Computerprogramm, das die automatische Steuerung der Insulinpumpe übernimmt. Die Geräteteile kommunizieren über Funkwellen miteinander. Eine solche Insulinpumpe ahmt also weitestgehend alle Funktionen der Bauchspeicheldrüse nach.
Ist Diabetes Typ 1 heilbar?
Lange galt die Autoimmunerkrankung als unheilbar. Mittlerweile gibt es aber Aussicht auf Heilung: Indem man die Betazellen transplantiert, die das Insulin produzieren. Diese Behandlung setzt also nicht an den Symptomen an, sondern an den Ursachen der Erkrankung. Das ist bisher das einzige Verfahren, mit dem sich normale Blutzuckerwerte ohne die Gabe von Insulin wieder erreichen lassen.
Die Behandlung heißt Betazell-Ersatztherapie und stellt bisher die ultimative Therapie-Option für Patienten mit einem Diabetes Typ 1 dar, ist aber sehr aufwändig und kommt daher nur für einen eingeschränkten Kreis von Betroffenen der Autoimmunerkrankung in Frage, bei denen die Symptome kaum anders zu bekämpfen sind.
Grundsätzlich gibt es zwei Methoden der Betazell-Ersatztherapie:
• Die Organtransplantation der kompletten Bauchspeicheldrüse (Pankreas)
oder
• die Inselzelltransplantation.
Allerdings brauchen transplantierte Patientinnen und Patienten dauerhaft eine Behandlung mit Medikamenten, die das Immunsystem unterdrücken, um so eine Abstoßungsreaktion gegen die fremden Zellen zu verhindern. Außerdem werden viel mehr Organe gebraucht, als zur Verfügung stehen. Daher bekommen in der Regel nur solche Patientinnen und Patienten Betazellen transplantiert, die wegen einer unheilbaren Nierenschwäche auch eine neue Niere bekommen.
Neuer Therapieansatz: Behandlung mit Antikörpern
In experimentellen Studien erhalten Patienten mit einem beginnenden Diabetes Typ 1 Infusionen mit monoklonalen Antikörpern. Sie sollen verhindern, dass die Insulin produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse weiter zerstört werden und so dem stärker werdenden Insulinmangel entgegenwirken.
Im Gegensatz zur Insulintherapie setzt diese Behandlung also einerseits früher und direkt am Immunsystem an, das die Zellen zerstört. Zum anderen kommt es – so die Idee hinter der Therapie – entweder erst gar nicht oder erst deutlich später zum Symptom der hohen Blutzuckerwerte (Hyperglykämie) mit all seinen Folgen.
Studienergebnisse, z. B. aus dem Jahr 2019 am Maine Medical Center Research Institute, Scarborough/USA, sind vielversprechend. Aber es gilt noch herauszufinden, wie lange und wie oft die Behandlung erfolgen muss, welche langfristigen Nebenwirkungen die Antikörper haben und welche Patientengruppen davon am ehesten profitieren könnten.
Beitrag von Constanze Löffler