Streit zwischen Kommunen und Krankenkassen - Brandenburgern drohen hohe Zuzahlungen für Rettungseinsätze
Die Krankenkassen erstatten in neun Brandenburger Landkreisen nicht mehr alle Gebühren für Rettungseinsätze. Erste Kreise bitten Bürger für unnötige Fahrten zur Kasse, aber auch bei notwendigen Einsätzen könnten Bürger auf Kosten sitzen bleiben.
In neun Brandenburger Landkreisen droht Bürgern, für einen Teil der Kosten von Rettungseinsätzen aufkommen zu müssen. Das teilte der Verband der Ersatzkassen dem rbb mit. Betroffen davon sind die Landkreise Barnim, Märkisch-Oderland, Oder-Spree, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße, Teltow-Fläming, Oberhavel, Uckermark und Potsdam-Mittelmark.
Hintergrund ist, dass die Krankenkassen die Einsatzkosten für überzogen halten und diese den neun Kreisen rückwirkend zum 1. Januar nicht mehr vollständig erstatten. Verantwortlich dafür sehen die Kassen die Landkreise und ihre Kostenkalkulation.
Ein Beispiel zeigt: Es können mehrere hundert Euro sein, die auf Notrufer zukommen - unabhängig, ob es sich um einen Herzinfarkt oder gestoßenen Zeh handelt. Rückt in Teltow-Fläming ein Rettungswagen aus, koste das 1.449 Euro, erklärte Johannes Wagner vom Brandenburgischen Landkreistag. Die Krankenkassen würden dort jedoch lediglich einen Festbetrag von 794 Euro erstatten.
Krankenkassen: Landkreise kalkulieren falsch
Die Landkreise müssen als Träger einen Rettungsdienst vorhalten. Die Gebühren für die Einsätze geben sie bisher an die Krankenkassen weiter. Doch diese wehren sich nun und argumentieren, in mehreren Landkreisen käme es trotz Anhörung der Krankenkassen "zu einer fehlerhaften Gebührenkalkulation, die zu überhöhten Gebührenfestsetzungen führt und erhebliche finanzielle Belastungen für die Beitragszahler mit sich bringt", teilte der Verband der Ersatzkassen Berlin-Brandenburg auf rbb-Anfrage mit.
Johannes Wagner vom Brandenburgischen Landkreistag kontert. "In die Kalkulation fließen etwa die Investitionskosten für Rettungswachen, für Fahrzeuge, aber auch die Kosten für Fehlfahrten ein." Das sind die Fahrten, wenn ein Rettungswagen oder Notarzt gerufen wird, aber am Ende doch kein Notfall vorliegt.
Weil Verhandlungen zwischen Landkreisen und Krankenkassen bisher zu keiner Einigung geführt hätten, so der Verband, haben die Kassen nun Festbeträge für Rettungseinsätze in den neun Landkreisen festgelegt. Nur diese werden von ihnen erstattet, egal ob Herzinfarkt oder Kleinigkeit. Was nicht erstattet wird, bleibt bei den Kommunen hängen.
Landkreise beklagen intransparente Kostenerechnung
In den neun Landkreisen würden die Rettungsdienstträger trotz mehrfacher Hinweise weiterhin Gebühren festlegen, die "nicht den gebührenrechtlichen Maßstäben entsprechen", so der Ersatzkassenverband. Demnach werde eine rechtlich geprüfte Musterkalkulation, die von den übrigen Rettungsdienstträgern in Brandenburg sowie vom Brandenburger Gesundheitsministerium anerkannt sei, von neun Landkreisen nicht angewendet.
Dem entgegnet Johannes Wagner, die Landkreise könnten eine solche Kalkulation nicht einfach übernehmen. "Die Matrix, die uns die Kassen vorgelegt haben, ist eine Black Box, da weiß man nicht, was da drinsteckt." Dabei habe man 2001 gemeinsam mit den Kassen eine über 60 Seiten lange Vereinbarung ausgehandelt und auf dieser Grundlage gut zusammengearbeitet.
Bürger müssen zahlen oder Widerspruch einlegen
Da die Krankenkassen nicht alle Kosten der Rettungsdienste übernehmen wollen, stünden die Landkreise derzeit vor dem Problem, Defizite anzuhäufen, so Wagner. "Deswegen ist es wohl zwingend, dass über kurz oder lang die Landkreise gegenüber denjenigen Gebühren erheben müssen, die den Rettungsdienst gerufen haben."
In Märkisch-Oderland wird damit nun rückwirkend zum 1. Januar begonnen, berichtete die "MAZ" am Dienstag. Im Dezember beschlossen bereits Ostprignitz-Ruppin und Oberspreewald-Lausitz, dass Kosten für Fehlfahrten auf die Notrufer umgelegt werden.
Der Verband der Ersatzkassen ist auch sehr direkt. Versicherte können sich den Festbetrag durch die Krankenkasse erstatten lassen. Und dann haben sie zwei Optionen: entweder die "vollständige Zahlung der Differenz" oder vorläufig bezahlen und Widerspruch beim Landkreis einlegen. Wenn dem nicht stattgegeben werde, könnten Versicherte den Gebührenbescheid beim Verwaltungsgericht prüfen lassen.
Gesundheitsministerin drängt auf Einigung
Der Geschäftsführer der Landkreistages, Johannes Wagner, lehnt die Festbeträge kategorisch ab. "Die Festbeträge müssen weg. Dazu muss das Gesundheitsministerium unmittelbar als Rechtsaufsicht gegenüber den Krankenkassen aktiv werden."
Derweil drängt das Brandenburger Gesundheitsministerium auf eine schnelle Einigung. Ministerin Britta Müller (parteilos, für BSW) forderte die Landkreise am Dienstag auf, "ihrer politischen Verantwortung für die Menschen gerecht zu werden" und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Einen "Blankoscheck werden sie von den Kassen nicht bekommen", so Müller.
Beim Brandenburger Landkreistag stößt das auf Kopfschütteln. Von dort heißt es: "Es ist mitnichten so, dass die Lösungen auf dem Tisch liegen und die Landkreise nur zugreifen müssten."
CDU-Gesundheitspolitiker Schieriack: Nicht erkennbar, warum Kasssenmittel den Kreisen nicht reichen
Auch im Gesundheitsausschuss des Landtages wurde der Konflikt am Mittwoch debattiert, allerdings ohne konkrete Lösungen. Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, Michael Schierack, sprach sich dagegen aus, dass nun die Patienten zahlen sollen. "Wir konnten heute nicht erkennen, warum Landkreise nicht mit den Kosten hinkommen."
Es sei nun Aufgabe der Landesregierung, nachzuverfolgen, was der Grund dafür sei. Schierack forderte die Landesregierung auf, ein "Machtwort" zu sprechen, sollten sich Landkreise und Kassen nicht einigen. Birgit Bessin (AfD) kritisiert, die Probleme verschleppt zu haben: "Die Landesregierung hätte vor einigen Jahren schon einschreiten können.“ Nadine Graßmel, Landtagsabgeordnete der SPD, findet es "schade, dass die Diskussion auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werde“.
Sendung: rbb24 Brandeburg aktuell, 12.03.2025, 19:30 Uhr