Streit zwischen Kommunen und Krankenkassen - Brandenburgern drohen hohe Zuzahlungen für Rettungseinsätze

Mi 12.03.25 | 20:24 Uhr
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Ein Rettungswagen vom Deutschen Roten Kreuz fährt am Gebäude des Klinikums Niederlausitz vorbei. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 12.03.2025 | Carsten Krippahl | Bild: dpa/Patrick Pleul

Die Krankenkassen erstatten in neun Brandenburger Landkreisen nicht mehr alle Gebühren für Rettungseinsätze. Erste Kreise bitten Bürger für unnötige Fahrten zur Kasse, aber auch bei notwendigen Einsätzen könnten Bürger auf Kosten sitzen bleiben.

In neun Brandenburger Landkreisen droht Bürgern, für einen Teil der Kosten von Rettungseinsätzen aufkommen zu müssen. Das teilte der Verband der Ersatzkassen dem rbb mit. Betroffen davon sind die Landkreise Barnim, Märkisch-Oderland, Oder-Spree, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße, Teltow-Fläming, Oberhavel, Uckermark und Potsdam-Mittelmark.

Hintergrund ist, dass die Krankenkassen die Einsatzkosten für überzogen halten und diese den neun Kreisen rückwirkend zum 1. Januar nicht mehr vollständig erstatten. Verantwortlich dafür sehen die Kassen die Landkreise und ihre Kostenkalkulation.

Ein Beispiel zeigt: Es können mehrere hundert Euro sein, die auf Notrufer zukommen - unabhängig, ob es sich um einen Herzinfarkt oder gestoßenen Zeh handelt. Rückt in Teltow-Fläming ein Rettungswagen aus, koste das 1.449 Euro, erklärte Johannes Wagner vom Brandenburgischen Landkreistag. Die Krankenkassen würden dort jedoch lediglich einen Festbetrag von 794 Euro erstatten.

Krankenkassen: Landkreise kalkulieren falsch

Die Landkreise müssen als Träger einen Rettungsdienst vorhalten. Die Gebühren für die Einsätze geben sie bisher an die Krankenkassen weiter. Doch diese wehren sich nun und argumentieren, in mehreren Landkreisen käme es trotz Anhörung der Krankenkassen "zu einer fehlerhaften Gebührenkalkulation, die zu überhöhten Gebührenfestsetzungen führt und erhebliche finanzielle Belastungen für die Beitragszahler mit sich bringt", teilte der Verband der Ersatzkassen Berlin-Brandenburg auf rbb-Anfrage mit.

Johannes Wagner vom Brandenburgischen Landkreistag kontert. "In die Kalkulation fließen etwa die Investitionskosten für Rettungswachen, für Fahrzeuge, aber auch die Kosten für Fehlfahrten ein." Das sind die Fahrten, wenn ein Rettungswagen oder Notarzt gerufen wird, aber am Ende doch kein Notfall vorliegt.

Weil Verhandlungen zwischen Landkreisen und Krankenkassen bisher zu keiner Einigung geführt hätten, so der Verband, haben die Kassen nun Festbeträge für Rettungseinsätze in den neun Landkreisen festgelegt. Nur diese werden von ihnen erstattet, egal ob Herzinfarkt oder Kleinigkeit. Was nicht erstattet wird, bleibt bei den Kommunen hängen.

Landkreise beklagen intransparente Kostenerechnung

In den neun Landkreisen würden die Rettungsdienstträger trotz mehrfacher Hinweise weiterhin Gebühren festlegen, die "nicht den gebührenrechtlichen Maßstäben entsprechen", so der Ersatzkassenverband. Demnach werde eine rechtlich geprüfte Musterkalkulation, die von den übrigen Rettungsdienstträgern in Brandenburg sowie vom Brandenburger Gesundheitsministerium anerkannt sei, von neun Landkreisen nicht angewendet.

Dem entgegnet Johannes Wagner, die Landkreise könnten eine solche Kalkulation nicht einfach übernehmen. "Die Matrix, die uns die Kassen vorgelegt haben, ist eine Black Box, da weiß man nicht, was da drinsteckt." Dabei habe man 2001 gemeinsam mit den Kassen eine über 60 Seiten lange Vereinbarung ausgehandelt und auf dieser Grundlage gut zusammengearbeitet.

Bürger müssen zahlen oder Widerspruch einlegen

Da die Krankenkassen nicht alle Kosten der Rettungsdienste übernehmen wollen, stünden die Landkreise derzeit vor dem Problem, Defizite anzuhäufen, so Wagner. "Deswegen ist es wohl zwingend, dass über kurz oder lang die Landkreise gegenüber denjenigen Gebühren erheben müssen, die den Rettungsdienst gerufen haben."

In Märkisch-Oderland wird damit nun rückwirkend zum 1. Januar begonnen, berichtete die "MAZ" am Dienstag. Im Dezember beschlossen bereits Ostprignitz-Ruppin und Oberspreewald-Lausitz, dass Kosten für Fehlfahrten auf die Notrufer umgelegt werden.

Der Verband der Ersatzkassen ist auch sehr direkt. Versicherte können sich den Festbetrag durch die Krankenkasse erstatten lassen. Und dann haben sie zwei Optionen: entweder die "vollständige Zahlung der Differenz" oder vorläufig bezahlen und Widerspruch beim Landkreis einlegen. Wenn dem nicht stattgegeben werde, könnten Versicherte den Gebührenbescheid beim Verwaltungsgericht prüfen lassen.

 

Gesundheitsministerin drängt auf Einigung

Der Geschäftsführer der Landkreistages, Johannes Wagner, lehnt die Festbeträge kategorisch ab. "Die Festbeträge müssen weg. Dazu muss das Gesundheitsministerium unmittelbar als Rechtsaufsicht gegenüber den Krankenkassen aktiv werden."

Derweil drängt das Brandenburger Gesundheitsministerium auf eine schnelle Einigung. Ministerin Britta Müller (parteilos, für BSW) forderte die Landkreise am Dienstag auf, "ihrer politischen Verantwortung für die Menschen gerecht zu werden" und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Einen "Blankoscheck werden sie von den Kassen nicht bekommen", so Müller.

Beim Brandenburger Landkreistag stößt das auf Kopfschütteln. Von dort heißt es: "Es ist mitnichten so, dass die Lösungen auf dem Tisch liegen und die Landkreise nur zugreifen müssten."

CDU-Gesundheitspolitiker Schieriack: Nicht erkennbar, warum Kasssenmittel den Kreisen nicht reichen

Auch im Gesundheitsausschuss des Landtages wurde der Konflikt am Mittwoch debattiert, allerdings ohne konkrete Lösungen. Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, Michael Schierack, sprach sich dagegen aus, dass nun die Patienten zahlen sollen. "Wir konnten heute nicht erkennen, warum Landkreise nicht mit den Kosten hinkommen."

Es sei nun Aufgabe der Landesregierung, nachzuverfolgen, was der Grund dafür sei. Schierack forderte die Landesregierung auf, ein "Machtwort" zu sprechen, sollten sich Landkreise und Kassen nicht einigen. Birgit Bessin (AfD) kritisiert, die Probleme verschleppt zu haben: "Die Landesregierung hätte vor einigen Jahren schon einschreiten können.“ Nadine Graßmel, Landtagsabgeordnete der SPD, findet es "schade, dass die Diskussion auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werde“.

Sendung: rbb24 Brandeburg aktuell, 12.03.2025, 19:30 Uhr

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98 Kommentare

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  1. 98.

    Die meisten Bagatellen bestehen darin:
    "Ich habe keine Lust selbst zu fahren, fahren sie mich ins Krankenhaus"
    Oder: " Zum Hausarzt zu fahren hatte ich keine Lust"
    Diese sind gemeint und wegen Hausarzt Geschichten die sich entweder mit Hausmitteln behelfen lassen oder mit einen simplen Besuch beim Hausarzt abklären lassen wird der Rettungsdienst und die Krankenhäuser mehr und mehr belastet.
    Sehr sehr viele Anrufe des Notrufes sind leider nunmal frech und mit einer erwartubgs Haltung jenseits von gut und Böse, das ganze System steht nunmal vor dem Kollaps wo dringend drann gearbeitet werden muss.
    In anderen Ländern ist es auch anders gelöst und funktioniert.

  2. 97.

    " und Bagatellen zum Teil Selbst bezahlt werden sollen/müssen vollkommen richtig und längst überfällig! "

    ob es eine Bagatelle ist soll also der Betroffene selbst einschätzen bzw beurteilen ? Differtialdiagnosen sind- wie der Name schon sagt- diffizil

  3. 96.

    hinterher die Streiterei mit Einspruch usw., ob man diese Zuzahlung wieder bekommt.

  4. 95.

    Bei mir kann jeder Bauchschmerz ein Darmverschluss sein. Wir sind Laien und nicht immer weiss man wann es ernst ist.

    Und auch so finde ich es eine Frechheit, ich zahle im Gegensatz zu vielen anderen Beiträge und möchte auch eine Leistung haben, wenn ich sie benötige.

    Ich kann das Wort Solidarität nicht mehr hören und bin für das Versicherungssystem der Amis

  5. 94.

    Das Personen die wegen Bagatellen und oder Blödheit den Rettungsdienst rufen diese kosten selbst tragen bzw ein Teil davon ist vollkommen richtig und längst überfällig!
    Somit werden auf längere Sicht gesehen die Rettungsmitteln denen in ausreichender Zahl zur Verfügung gestellt die diese auch wirklich benötigen.
    Desweiteren blockieren diese Bagatell- "Patienten" zunehmend Plätze in den Notaufnahme, was immer mehr zu Wartezeiten auch für den Rettungsdienst bedeutet.
    Also das Fehlfarten der Bürger selbst bezahlt und Bagatellen zum Teil Selbst bezahlt werden sollen/müssen vollkommen richtig und längst überfällig!

  6. 93.

    Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Versicherten; ob Jung oder Alt. Wer eine kleine Rente hat ruf dann keinen Rettungswagen oder wie stellt man sich das vor. So kann man das Problem mit den Rentnern auch lösen. Die sind doch sowieso an allem schuld, da sie immense Summen in der Pflegeversicherung verschlingen. Aber es ist nun einmal so, daß ältere Menschen im Bedarfsfall Pfege benötigen. Die Menschen, die hier alles mit aufgebaut haben, die alles am Laufen hielten, denen wird jetzt vors Schienenbein getreten. Das alles ist so erbärmlich, aber arbeiten sollen die Rentner auch noch nach der Rente. Wir geben zu viel Geld für Menschen aus, die nie ins Gesundheitssystem eingezahlt haben. Schon heute werden viele Leistungen nicht übernommen, da sie angeblich zu teuer sind. Was macht man, man bezahlt bestimmte Therapiemaßnahmen schon jetzt aus der eigenen Tasche. Dieser Staat sollte sich was schämen so mit den Menschen umzugehen.

  7. 92.

    Das Personen die wegen Bagatellen und oder Blödheit den Rettungsdienst rufen diese kosten selbst tragen bzw ein Teil davon ist vollkommen richtig und längst überfällig!
    Somit werden auf längere Sicht gesehen die Rettungsmitteln denen in ausreichender Zahl zur Verfügung gestellt die diese auch wirklich benötigen.
    Desweiteren blockieren diese Bagatell- "Patienten" zunehmend Plätze in den Notaufnahme, was immer mehr zu Wartezeiten auch für den Rettungsdienst bedeutet.
    Also das Fehlfarten der Bürger selbst bezahlt und Bagatellen zum Teil Selbst bezahlt werden sollen/müssen vollkommen richtig und längst überfällig!

  8. 91.

    Man sollte hier einen SB als Kostenbeteiligung in Höhe von 15% vom gesetzlich Versicherten in Brandenburg festschreiben, dann wird auf nicht mehr aus purer Bequemlichkeit der Rettungsqagen gerufen.

  9. 90.

    Da bin ich ganz bei Ihnen mit ihrer Meinung, ich frage mich für was man denn noch alles zur Kasse gebeten wird oder sollte man die Scheckkarte schon bei sich haben falls man einen Rettungsdienst benötigt oder erst zahlen bevor man in den Rettungswagen eingeladen wird.

  10. 89.

    Na, meine Güte, wenn es ebend soviel kostet und sie schnell kommen, dann bezahle ich das doch!

  11. 87.

    Dann bin ich dafür , das Firmen die sich Arbeiten anschauen , ein Kostenvoranschlag machen , jedoch nicht den Auftrag bekommen , eine Unkostenpauschale von 750 € verlangen dürfen vom Nichtauftraggeber !

  12. 85.

    Auf allen Märkten richtet dich der Preis immer danach was die Leute bereit sind zu bezahlen. Ist der Preis zu hoch, bleibt die Nachfrage aus.

    Im konkreten Fall bedeutet das jedoch, dass der "Kunde" dauerhaft als Nachfrager ausfallen könnte, weil er gestorben ist. Insofern ist das Rettungswesen der denkbar ungeeignete Bereich für eine Marktwirtschaft

  13. 84.

    Warum sollten Millionäre für Leute zusätzlich bezahlen, die selbst garnichts einzahlen?
    Klar ist, es gibt in den Sozialversicherungen zuviele Menschen, die bisher nichts zu ihrer Finanzierung beigetragen haben und wahrscheinlich auch nie werden.
    Alle anderen müssen das Zwangsweise mitfinanzieren mit immer höheren Lasten.

  14. 83.

    Die betroffenen Landkreise wollen ja noch nicht mal über eine neue Musterkalkulation reden laut Ministerin. Für mich ein durchschaubares Schauspiel. Hier soll die Öffentlichkeit instrumentalisiert werden, um an alten, offenbar überhöhten Kalkulationen festzuhalten. Wer bezahlt‘s? Die Gemeinschaft der Versicherten. Das kann nicht sein, dass ich mit meinen sauer verdienten Beiträgen diese überhöhten Rechnungen bezahle.

  15. 82.

    So ist das System wer jung ist wird gebraucht die Alten haben ihr Teil getan die können weg sind eh nur ein Kostenfaktor
    und eine Last für die Kranken und Pflegeversicherung.

  16. 81.

    Zahlen sollten die die wegen Bagatellen den Notruf wählen nicht aber Patienten mit wirklich schlimmer Krankheit was Lebensbedrohlich ist das wird ja immer besser man zahlt in die Krankenkasse ein und wird och zu Kasse gebeten.
    Es heißt doch Krankenversicherung wozu schließe ich eine Versicherung ab und das ist eine Zwangsversicherung bis zum Tod.

  17. 80.

    Sie beschimpfen die Falschen! Wir haben auch sehr viele und davon steigend, Multimillionäre
    und Millardäre. Da staunen Sie was?
    Mal etwas tiefer nachdenken, täte Ihnen gut.

  18. 79.

    Frage mich schon die ganze Zeit, wie das in den anderen Bundesländern geregelt ist. Oder ist Brandenburg hier ein Sonderfall und wenn ja, warum?